OVG Niedersachsen

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Zitieren als:
OVG Niedersachsen, Beschluss vom 23.02.2007 - 2 LA 165/05 - asyl.net: M10063
https://www.asyl.net/rsdb/M10063
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Verfahrensrecht, Aufenthaltsbefugnis, Aufenthaltserlaubnis, Klage, Zulässigkeit, Klageänderung, Streitgegenstand, Sachdienlichkeit, Zuwanderungsgesetz
Normen: AuslG § 30 Abs. 3; AufenthG § 25 Abs. 5; VwGO § 91; VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1
Auszüge:

Der Zulassungsantrag der Kläger ist zulässig und begründet. Ihm ist zu entsprechen, weil an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung ernstliche Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen und die Kläger diesen Zulassungsgrund in einer den Anforderungen des § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechenden Weise dargelegt haben.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage auf Erteilung von (zunächst) Aufenthaltsbefugnissen nach § 30 Abs. 3 AuslG und Reisedokumenten und anschließend (nach dem Inkrafttreten des AufenthG) Aufenthaltserlaubnissen nach § 25 Abs. 5 AufenthG ohne Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen mit der Begründung als unzulässig abgewiesen, bei der Umstellung des Klageantrages handele es sich um eine Klageänderung i. S. v. § 91 VwGO, in die der Beklagte nicht eingewilligt und die nicht sachdienlich und damit unzulässig sei. Mit dieser Begründung durfte das Verwaltungsgericht die Klage indessen nicht abweisen, da zum einen eine Klageänderung nicht vorliegt und zum anderen eine - als gegeben unterstellte - Klageänderung jedenfalls sachdienlich wäre.

1. Eine Klageänderung i. S. d. § 91 VwGO liegt vor, wenn nach Rechtshängigkeit der Klage der Streitgegenstand geändert wird. Dieser ist identisch mit dem prozessualen Anspruch, der seinerseits durch die erstrebte, im Klageantrag zum Ausdruck zu bringende Rechtsfolge sowie den Klagegrund, nämlich den Sachverhalt, aus dem sich die Rechtsfolge ergeben soll, gekennzeichnet ist (BVerwG, Beschl. v. 24.10.2006 - 6 B 47.06 -, juris m.w.N.). Hier hat sich durch das Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes zum 1. Januar 2005 als nunmehr maßgeblicher Rechtsgrundlage für die Erteilung eines Aufenthaltstitels weder das eine noch das andere geändert. Die Kläger erstreben einen Aufenthaltstitel und berufen sich hierzu auf einen gleich gebliebenen Sachverhalt. Geändert hat sich lediglich die maßgebliche Rechtsgrundlage, ohne dass sich indessen im Wesentlichen die Voraussetzungen für die Erteilung des erstrebten Aufenthaltstitels geändert hätten. Die bisher in § 30 Abs. 3 und 4 AuslG normierten Voraussetzungen finden sich der Sache nach nahezu identisch in § 25 AufenthG wieder.

2. Aber selbst wenn man mit dem Verwaltungsgericht eine Klageänderung annehmen wollte, hätte die Klage nicht ohne inhaltliche Prüfung des geltend gemachten Anspruches abgewiesen werden dürfen. Denn eine solche Klageänderung ist jedenfalls sachdienlich i. S. d. § 91 Abs. 1 VwGO. Sachdienlichkeit ist in der Regel nur dann zu verneinen, wenn durch die Klageänderung ein gänzlich neuer Prozessstoff, der die bisherigen Grundlagen des Rechtsstreits ändert und vor allem auch das Ergebnis des bisherigen Verfahrens unverwertbar macht, in den Prozess eingeführt wird (Kopp/Schenke, VwGO, Kommentar, 14. Aufl. 2005, § 91 Rndr. 20 m. w. N.). Sachdienlichkeit ist hingegen dann anzunehmen, wenn auch für die geänderte Klage der Streitstoff im Wesentlichen derselbe bleibt und die Klageänderung die endgültige Beilegung des Streites fördert. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Dass durch die Klageänderung sich der Abschluss des Verfahrens verzögern und dass sich für die Beteiligten gewisse Erschwernisse ergeben könnten - etwa daraus, dass die beklagte Behörde noch keine Gelegenheit hatte, ihre Ermessensausübung den geänderten Umständen anzupassen - stehen der Anerkennung als sachdienlich nicht entgegen. Grundsätzlich immer als sachdienlich anzusehen ist eine Klageänderung, die der Änderung oder Auswechslung eines angefochtenen Verwaltungsaktes bei im Wesentlichen gleichem Sachverhalt Rechnung trägt (Kopp/Schenke, a.a.O., § 91 Rdnr. 19 m. w. N.). Gleiches gilt in einem Fall wie dem hier vorliegenden, in dem bei gleichem Lebenssachverhalt die maßgebliche Rechtsgrundlage durch eine Gesetzesänderung ausgetauscht wird, ohne dass sich die Voraussetzungen für den geltend gemachten Anspruch grundlegend ändern. Der Annahme der Sachdienlichkeit steht entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts auch nicht entgegen, dass hinsichtlich des neuen Klageantrages ein Verwaltungsverfahren noch nicht durchgeführt wurde (Kopp/ Schenke, a.a.O. m.w.N.).