VG Frankfurt a.M.

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Zitieren als:
VG Frankfurt a.M., Urteil vom 29.01.2007 - 1 E 1590/06 - asyl.net: M10080
https://www.asyl.net/rsdb/M10080
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Widerruf, Aufenthaltserlaubnis, Familienangehörige, Ermessen, Integration, Privatleben, Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK
Normen: AufenthG § 52 Abs. 1 S. 2; AufenthG § 52 Abs. 1 S. 1 Nr. 4; EMRK Art. 8
Auszüge:

Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Nach § 52 Abs. 1 S. 2 AufenthG kann in den Fällen des § 52 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 AufenthG auch der Aufenthaltstitel der mit dem Ausländer in häuslicher Gemeinschaft lebenden Familienangehörigen widerrufen werden, wenn diesen kein eigener Anspruch auf den Aufenthaltstitel zusteht. Nach § 52 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG kann der Aufenthaltstitel des Ausländers nur widerrufen werden, wenn seine Anerkennung als Asylberechtigter oder seiner Rechtsstellung als Flüchtling erlischt oder unwirksam wird. Diese tatbestandlichen Voraussetzungen liegen hier in der Person des Ehemannes der Klägerin vor, denn die Rechtsstellung des Ehemannes als Flüchtling ist bestandskräftig widerrufen worden.

§ 52 Abs. 1 S. 2 AufenthG beruht auf zwei gegenläufigen Regelungsansätzen: Einerseits sollen die Familienangehörigen von Asylberechtigten und Flüchtlingen aufenthaltsrechtlich nicht besser stehen als diese selbst. Deshalb ermöglicht § 52 Abs. 1 S. 2 AufenthG auch den Widerruf des Aufenthaltsrechtes von Familienangehörigen, wenn der Aufenthaltstitel des Stammberechtigten widerrufen wird. Andererseits sollen die Familienangehörigen aufenthaltsrechtlich auch nicht schlechter stehen als die Familienangehörigen anderer Ausländer. Deshalb führt die Beendigung des Aufenthalts eines ehemaligen Asylberechtigten bzw. Flüchtlings nach § 52 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 AufenthG nicht zwingend zum Widerruf auch des Aufenthaltsrechts der Familienangehörigen. Der Widerruf des Aufenthaltsrechtes der Familienangehörigen liegt vielmehr im Ermessen der Ausländerbehörde. Im Rahmen der Ermessensentscheidung hat die Ausländerbehörde neben den in § 55 Abs. 3 AufenthG genannten Gesichtspunkte insbesondere die Gesamtdauer des Aufenthalts, den Grad der Integration, Art und Geltungsdauer des bisherigen Aufenthaltstitels, Schicksal im Heimatstaat nach Rückkehr und eigene schutzwürdige Bindungen des Familienangehörigen im Bundesgebiet sowie den Schutz des Privatlebens im Sinne von Art. 8 EMRK zu beachten. Der Widerruf ist umso eher möglich, je stärker der Aufenthalt des Familienangehörigen rechtlich und faktisch an das Aufenthaltsrecht des früheren Asylberechtigten bzw. Flüchtlings anknüpft. Ein Widerruf wird im allgemeinen zulässig sein, wenn der Familienangehörige vermittelt durch den Flüchtling erst seit wenigen Jahren im Besitz eines Aufenthaltstitels ist, keine Integrationsleistungen erbracht hat und er seinen Aufenthalt außerhalb der häuslichen Gemeinschaft nicht ohne weiteres fortsetzen könnte, weil er auf der Lebenshilfe der Eltern oder des Ehegatten bedarf. Ein Widerruf scheidet umso eher aus, als der Familienangehörige sich seit längerer Zeit im Bundesgebiet aufhält und sich hier integriert und einen neuen Lebensmittelpunkt gefunden hat und auf die Lebenshilfe des Stammberechtigten nicht mehr angewiesen ist.