LSG Baden-Württemberg

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Zitieren als:
LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 09.03.2007 - L 3 AS 3784/06 - asyl.net: M10136
https://www.asyl.net/rsdb/M10136
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Grundsicherung für Arbeitssuchende, Asylbewerberleistungsgesetz, Aufenthaltserlaubnis, Ausreisehindernis, Aufenthaltsdauer, Leistungsausschluss, Gleichheitsgrundsatz, Verfassungsmäßigkeit
Normen: SGB II § 7 Abs. 1 S. 2; AufenthG § 25 Abs. 5; AsylbLG § 1 Abs. 1 Nr. 3; GG Art. 3 Abs. 1
Auszüge:

Die Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet. Ohne Rechtsfehler hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen.

So schließt § 7 Abs. 1 Satz 2 2. Halbs. SGB II den begehrten Leistungsbezug - einfachrechtlich - aus, nachdem der Kläger wegen der ihm gem. § 25 Abs. 5 AufenthG erteilten Aufenthaltserlaubnis nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 AsylbLG leistungsberechtigt ist. Dies ist zwischen den Beteiligten auch nicht im Streit. Der geltend gemachte Leistungsanspruch ergibt sich aber auch nicht aus - höherrangigem - innerstaatlichem Verfassungsrecht oder aus völkerrechtlichen Regelungen.

Im Ergebnis ohne Erfolg beruft sich der Kläger zunächst auf den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.

In Anwendung dieser Grundsätze verstieß zwar der gänzliche Ausschluss von im Besitz einer Aufenthaltsbefugnis nach dem damaligen Ausländergesetz (AuslG) befindlichen Ausländern vom Bezug von Kindergeld und von Erziehungsgeld gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Denn die Anknüpfung an die unterschiedliche Art des Aufenthaltstitels war unter Berücksichtigung von Art. 6 Abs. 1 GG vor allem deshalb nicht als Differenzierungskriterium geeignet, weil allein der erteilte Aufenthaltstitel keine Prognose über die Dauer des zukünftigen Aufenthalts des Ausländers im Bundesgebiet zuließ (vgl. hierzu BVerfG, Beschlüsse vom 06.07.2004, a. a. O.).

Indes gilt dies nicht mit Blick auf die hier in Rede stehende, an die Art der erteilten Aufenthaltserlaubnis nach dem zwischenzeitlich in Kraft getretenen AufenthG anknüpfende Abgrenzung des Kreises der Anspruchsberechtigten der verschiedenen Systeme staatlicher Sozialleistungen (ebenso Eicher/Spellbrink, SGB II, Rdnr. 15 zu § 7; a. A. Geiger, info also 2005, 147, 149).

Zum einen geht mit dieser Differenzierung nämlich kein gänzlicher Ausschluss von Zuwendungen wegen der Art des Aufenthaltsrechts einher. Vielmehr führt sie nur zu einer Verweisung auf verschiedene Formen staatlicher Sozialleistungen, die sich i. Ü. mit ihren unterschiedlichen Leistungshöhen sämtlich im durch die Verfassung gezogenen Rahmen halten.

Zum anderen ist der Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 GG hier im Gegensatz zur Bewilligung von Kindergeld und Erziehungsgeld nicht betroffen und vermag sich die Art der gewährten Sozialleistungen - wiederum anders als im Falle der Gewährung oder Versagung von Kindergeld und Erziehungsgeld - für den Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG auch aufenthaltsrechtlich nicht auszuwirken, da die Inanspruchnahme jeglicher Sozialleistungen der Verfestigung des Aufenthalts durch Erteilung einer Niederlassungserlaubnis entgegensteht (vgl. § 25 Abs. 4 S. 1 i. V. m. § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, § 2 Abs. 3 AufenthG).

Der demgemäß weite Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers wird durch den Umstand der fehlenden Beeinflussbarkeit des Differenzierungsmerkmals - hier der rechtlichen Unmöglichkeit der Ausreise im Sinne des § 25 Abs. 5 AufenthG - durch den Kläger nicht entscheidend eingeschränkt. Denn dem genannten Umstand ist durch den in § 2 Abs. 1 AsylblG gerade für Fälle dieser Art geregelten Anspruch auf - gegenüber den Leistungen nach dem AsylblG - erhöhte Leistungen in entsprechender Anwendung des SGB XII nach einem 36-monatigen Bezug von Leistungen nach dem AsylblG Rechnung

getragen.

In Ansehung dessen ist der gesetzgeberische Gestaltungsspielraum durch die hier entscheidungserhebliche Abgrenzung nach der Art des Aufenthaltsrechts nicht in vor dem Gleichheitssatz zu beanstandender Weise überschritten. Die u. a. für Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG vorgesehene Leistungsgewährung nach dem AsylblG soll diejenigen Ausländer aus dem Anwendungsbereich des SGB II ausschließen, über deren Aufenthalt noch nicht abschließend entschieden worden ist und die mithin noch keine längerfristige Aufenthaltsperspektive erhalten haben (vgl. hierzu die amtliche Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Aufenthaltsgesetzes und weiterer Gesetze [BT-Drucks 15/3784], abgedr. bei Mergler/Zink, Handbuch der Grundsicherung und Sozialhilfe, Teil II, § 1 AsylblG). Dieser Regelungszweck vermag die normierte Ungleichbehandlung zu tragen. Denn der hier in Rede stehende, dem Anwendungsbereich des § 25 Abs. 5 AufenthG unterfallende Personenkreis war vor Inkrafttreten des AufenthG im wesentlichen auf eine Duldungserteilung wegen rechtlicher oder tatsächlicher Unmöglichkeit der Abschiebung gem. § 55 Abs. 2 AuslG sowie damit einhergehend ebenfalls auf Leistungen nach dem AsylblG (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylblG in der bis zum 31.12.2004 geltenden Fassung) verwiesen und sollte durch die Neuregelung lediglich ausländerrechtlich, nicht aber leistungsrechtlich besser gestellt werden (vgl. Mergler/Zink, a. a. O., Rdnr. 23 zu § 1 AsylblG). Nachdem der an sich bestehenden vollziehbaren Ausreisepflicht dieses Personenkreises eine normativ schwächere Bindung an das Bundesgebiet entspricht, die auch die aus dem Sozialstaatsgebot folgende Einstandspflicht des Gesetzgebers für die auf seinem Gebiet lebenden Ausländer beeinflusst (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 03.06.2003 - 5 C 32/02 -, Buchholz 436.02 § 2 AsylbLG Nr. 1 = DVBl 2004, 56 ff. = ZFSH/SGB 2004, 51 ff. = FEVS 55, 114 ff. = InfAuslR 2004, 119 ff. = NVwZ 2004, 491 ff.), liegen nach Art und Gewicht ausreichende Gründe für die im Ergebnis vorgenommene Differenzierung bei der Leistungshöhe vor. Allein der Umstand, dass die Ausreisehindernisse voraussichtlich noch längere Zeit vorliegen, ändert hieran nichts. Er begründet - wie unter Geltung des AuslG für gem. § 55 Abs. 2 geduldete Ausländer - allenfalls die Prognose einer länger dauernden Unmöglichkeit der Aufenthaltsbeendigung und eines damit einhergehenden Verbleibs im Bundesgebiet, nicht aber eine mit einer abschließenden Entscheidung über den Aufenthalt verbundene längerfristige Aufenthaltsperspektive.