OLG Thüringen

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Zitieren als:
OLG Thüringen, Beschluss vom 01.03.2007 - 1 Ss 1/07 - asyl.net: M10140
https://www.asyl.net/rsdb/M10140
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Strafrecht, Duldung, räumliche Beschränkung, Auflage, Straftat, Ordnungswidrigkeit
Normen: AufenthG § 95 Abs. 1 Nr. 7; AufenthG § 61 Abs. 1 S. 2; AufenthG § 60a Abs. 2; AufenthG § 95 Abs. 1 Nr. 6a; AufenthG § 54a Abs. 2; AufenthG § 98 Abs. 3 Nr. 3
Auszüge:

2. a) Die Revision hat mit der allgemeinen Sachrüge Erfolg. Die Verurteilung wegen Straftaten nach § 95 Abs. 1 Nr. 7, 61 Abs. 1 Satz 2 AufenthG ist aufzuheben.

Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des angefochtenen Urteils hielt sich der Angeklagte, der den Status eines vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländers hat und dessen Aufenthalt durch Anordnung der Ausländerbehörde auf das Gebiet des Landkreises G. beschränkt war, was der Angeklagte wusste, ohne Erlaubnis der zuständigen Behörde am 16.03.2005 und am 15.04.2005 in Gera auf.

Dieses Verhalten verwirklicht jedoch nicht den Tatbestand des § 95 Abs. 1 Nr. 7 i.V.m. § 61 Abs. 1 AufenthG, denn der Angeklagte hat nicht der räumlichen Beschränkung i.S. der genannten Strafvorschrift zuwider gehandelt.

Die räumliche Beschränkung des Aufenthalts eines vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländers, bei dem die Abschiebung vorübergehend gemäß § 60a AufenthG ausgesetzt ist, wird in § 61 Abs. 1 Satz 1 AufenthG geregelt. Danach ist der Aufenthalt des Ausländers auf das Gebiet des Bundeslandes, hier des Landes Thüringen, beschränkt. Gegen diese räumliche Beschränkung hat der Angeklagte durch den Aufenthalt in Gera am 16.03. und 15.04.2005 nicht verstoßen.

Die weitergehende Beschränkung des Aufenthaltes des Angeklagten auf das Gebiet des Landkreises G. erfolgte im Zusammenhang mit der ausgesprochenen Duldung im Rahmen einer Anordnung nach § 61 Abs. 1 Satz 2 AufenthG. Durch diese Anordnung wurde der Aufenthalt des Betroffenen über die gesetzliche Beschränkung hinaus weiter beschränkt, nämlich auf den Bereich der Ausländerbehörde, den Landkreis G. Unter den Rechtsbegriff der räumlichen Beschränkung des Aufenthaltes, wie er in § 61 Abs. 1 Satz 1 und 95 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG verwendet wird, kann diese weitergehende behördliche Beschränkung des Aufenthaltes aber nicht eingeordnet werden (OLG Karlsruhe StraFo 2006, 508, 509). Die räumliche Beschränkung i.S.v. § 95 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG erfasst nur die räumliche Beschränkung kraft Gesetzes nach § 61 Abs. 1 Satz 1 AufenthG.

Das Verhalten des Angeklagten ist auch nicht nach § 95 Abs. 1 Nr. 6a 2. Halbs. AufenthG strafbar. Diese Regelung, die erst auf Betreiben des Vermittlungsausschusses in das Gesetz eingefügt worden ist (BT-Drucks. 15/3479), steht ersichtlich in - ausschließlichem - Zusammenhang mit der ebenfalls später eingeführten Norm des § 54a AufenthG und bezieht sich hinsichtlich der räumlichen Beschränkung des Aufenthalts auf § 54a Abs. 2 AufenthG (vgl. OLG Nürnberg StraFo 2007, 37, 38).

b) Dies führt vorliegend aber nicht zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz. Der Senat hat vielmehr in entsprechender Anwendung der §§ 83 Abs. 3, 79 Abs. 6 OWiG den festgestellten Sachverhalt darauf zu prüfen, ob sich der Angeklagte durch sein Verhalten einer Ordnungswidrigkeit schuldig gemacht hat (OLG Köln NJW 1971, 670; OLG Düsseldorf NZV 1991, 282).

Nach den Feststellungen des landgerichtlichen Urteils hat sich der Angeklagte in Kenntnis der angeordneten Aufenthaltsbeschränkung am 16.03. und 15.04.2005 außerhalb des Landkreises Greiz aufgehalten und damit i.S.v. § 98 Abs. 3 Nr. 3 AufenthG einer vollziehbaren Anordnung nach § 61 Abs. 1 Satz 2 AufenthG vorsätzlich zuwider gehandelt.