SG Berlin

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Zitieren als:
SG Berlin, Urteil vom 31.01.2007 - S 102 AS 1864/06 - asyl.net: M10173
https://www.asyl.net/rsdb/M10173
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Grundsicherung für Arbeitssuchende, BAföG, Auszubildende, Ausbildung, Darlehen, besondere Härte, Vertrauensschutz, Bürgerkriegsflüchtlinge, Aufenthaltsbefugnis, Aufenthaltserlaubnis, Niederlassungserlaubnis
Normen: SGB II § 7 Abs. 5; BAföG § 2 Abs. 1 Nr. 2; SGB II § 7 Abs. 5 S. 2; BAföG § 8 Abs. 1; AuslG § 32a; AufenthG § 23; AufenthG § 26 Abs. 4
Auszüge:

Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der angegriffene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Bewilligung von laufenden Leistungen zur Grundsicherung nach dem SGB II.

Denn einer Leistungsgewährung als Zuschuss oder als Darlehen steht vorliegend § 7 Abs. 5 SGB II entgegen.

Gemäß § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II haben Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes oder der §§ 60 bis 62 des Dritten Buches dem Grunde nach förderungsfähig ist, keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Die dreijährige Berufsfachschulausbildung der Klägerin am OSZ B und V ist eine förderungsfähige Ausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 2 BAföG und damit im Sinne des § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II "dem Grunde nach" förderungsfähig.

Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf die Gewährung von Leistungen als Darlehen gemäß § 7 Abs. 5 Satz 2 SGB II. Nach dieser Vorschrift können in besonderen Härtefällen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts als Darlehen erbracht werden. Der Begriff der besonderen Härte ist unter Berücksichtigung des Zwecks der Regelung des § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II auszulegen. Ein besonderer Härtefall muss deshalb über die mit dem Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 5 SGB II verbundenen Folgen, im Regelfall die Ausbildung nicht fortsetzen zu können, deutlich hinausgehen. Er setzt eine ungewöhnliche Belastungssituation voraus, die durch eine übermäßige und über den regelmäßig zugemuteten Umfang hinausgehende Betroffenheit des ausbildungswilligen Hilfebedürftigen durch den Ausschluss der Existenzsicherung gekennzeichnet ist (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 5. Juli 2006 - L 10 AS 545/06 -; Hessisches LSG, Beschluss vom 7. November 2006 - L 7 AS 200/06 ER, L 7 B 223/06 AS -).

Solche Sachverhalte liegen hier nicht vor. Die Klägerin kann sich zunächst nicht mit Erfolg darauf berufen, dass der wesentliche Teil ihrer Ausbildung bereits abgeschlossen sei und der Abschluss bevorstehe. Denn auf Grund des Umstandes, dass die Klägerin ein Jahr wiederholen musste, hat sie noch nahezu die Hälfte der vorgesehenen dreijährigen Ausbildungszeit zu absolvieren.

Die von ihr gewählte Ausbildung stellt auch nicht die einzige realistische Chance für sie dar, Zugang zum Erwerbsleben zu erhalten. Denn die Klägerin weist keine Defizite auf, die ihr andere Entwicklungsmöglichkeiten verschließen.

Ebenso muss ihrem Vorbringen, eine zuvor gesicherte finanzielle Grundlage der Ausbildung sei aus von ihr nicht zu vertretenen Gründen weggefallen, der Erfolg versagt bleiben. Denn die Klägerin verfügte zu keinem Zeitpunkt über eine gesicherte finanzielle Grundlage, die ihr die Durchführung einer dreijährigen Ausbildung ermöglicht hätte. Von einer gesicherten Grundlage kann ausgegangen werden, wenn dem oder der Ausbildungswilligen Vermögen oder regelmäßige Einnahmen zur Verfügung stehen, welche die berechtigte Erwartung begründen, den Lebensunterhalt während der Ausbildungszeit bestreiten zu können. Werden dem oder der Ausbildungswilligen während der Ausbildung laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts gewährt, kommt es demnach maßgeblich darauf an, ob er oder sie darauf vertrauen durfte, dass diese Mittel für die Dauer der gesamten Ausbildung gewährt werden. Dies ist vorliegend nicht der Fall.

Entgegen der Auffassung der Klägerin liegt auch keine besondere Härte darin, dass sie aufgrund der Vorschriften des § 8 BAföG als Ausländerin von der Ausbildungsförderung ausgeschlossen ist. Dies hat das LSG Berlin-Brandenburg in der bereits zitierten Entscheidung vom 5. Juli 2006 - L 10 AS 545/06 - überzeugend dargelegt. Eine andere Betrachtungsweise ergibt sich nicht daraus, dass die Klägerin im Besitz einer Aufenthaltsbefugnis nach § 32 a AuslG war, die gemäß § 101 Abs. 2 AufenthG als Aufenthaltserlaubnis entsprechend dem ihrer Erteilung zu Grunde liegenden Zweck fort galt. Denn § 8 BAföG enthält auch im Hinblick auf den durch § 32 a AuslG bzw. nunmehr durch § 23 AufenthG erfassten Personenkreis der Bürgerkriegsflüchtlinge eine abschließende Regelung und keine planwidrige Regelungslücke. So privilegieren § 8 Abs. 1 Nr. 3 bis Nr. 6 BAföG nur bestimmte Flüchtlingsgruppen, die politischer Verfolgung ausgesetzt waren und/oder denen bei einer Rückkehr in ihr Heimatland politische Verfolgung droht oder denen aus sonstigen besonderen Gründen ein nicht nur vorübergehendes Aufenthaltsrecht gewährt werden soll. Im Unterschied zu diesen Personengruppen sollen Bürgerkriegsflüchtlinge grundsätzlich nur vorübergehend Schutz erhalten, wie § 32 a AuslG ausdrücklich bestimmte. Diese Zweckbestimmung ist gemäß § 101 Abs. 2 AufenthG weiterhin zu Grunde zu legen. Eine Gleichstellung mit den in § 8 Abs.1 Nr. 3 bis Nr. 6 genannten Personengruppen scheidet deshalb aus. Eine besondere Härte kann auch nicht daraus hergeleitet werden, dass der Klägerin nunmehr aufgrund ihres langjährigen Aufenthaltes ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht auf der Grundlage des § 26 Abs. 4 AufenthG erteilt worden ist. Soweit § 26 Abs. 4 Satz 4 AufenthG erlaubt, zum Zeitpunkt der Einreise minderjährigen Bürgerkriegsflüchtlingen nach siebenjährigem rechtmäßigem Aufenthalt in entsprechender Anwendung des § 35 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, 2. Alt. AufenthG eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen, um ihnen die Fortsetzung einer Ausbildung ermöglichen, die zu einem anerkannten schulischen oder beruflichen Bildungsabschluss führt, und in diesen Fällen nicht voraussetzt, dass der Lebensunterhalt ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel gesichert ist (vgl. § 2 Abs. 3 AufenthG), kann hieraus nicht gefolgert werden, dass dieser Personenkreis - über die Regelungen des BAföG oder des SGB III hinaus - einen Anspruch auf finanzielle Absicherung der Restzeit ihre Ausbildung hätte.