VGH Bayern

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Zitieren als:
VGH Bayern, Beschluss vom 11.01.2007 - 13a ZB 06.31171 - asyl.net: M10250
https://www.asyl.net/rsdb/M10250
Leitsatz:
Schlagwörter: Berufungszulassungsantrag, grundsätzliche Bedeutung, Widerruf, Flüchtlingsanerkennung, allgemeine Gefahr, Genfer Flüchtlingskonvention, Wegfall-der-Umstände-Klausel, Anerkennungsrichtlinie
Normen: AsylVfG § 78 Abs. 3 Nr. 1; AufenthG § 60 Abs. 1; AsylVfG § 73 Abs. 1; GFK Art. 1 C Nr. 5; RL 2004/83/EG Art. 11 Abs. 1 Bst. e
Auszüge:

Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 30. November 2006 ist unbegründet, weil die Voraussetzungen des § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG nicht vorliegen.

Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung.

Der Kläger wirft zunächst die Frage auf, ob "im Rahmen eines Verfahrens zum Widerruf des Flüchtlingsschutzes gem. § 60 Abs. 1 AufenthG bei der Anwendung der Regelungen der Genfer Flüchtlingskonvention, insbesondere der Regelung des Art. 1 C Nr. 5 GK, andere oder ggf. zusätzliche Umstände berücksichtigt werden müssen als die in § 73 Abs. 1 AsylVfG festgelegten Kriterien." Seines Erachtens komme es entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts, aber auch des Bundesverwaltungsgerichts nicht allein auf den dauerhaften politischen Systemwechsel und den Wegfall der früheren politischen Verfolgung, sondern auch auf eine stabile öffentliche Sicherheit und Ordnung im Herkunftsland an. Der Begriff "Schutz des Landes" in Art. 1 C Nr. 5 GFK setze voraus, dass der betreffende Staat schutzfähig und schutzwillig sei. Des Weiteren sieht der Kläger als klärungsbedürftig an, ob der Widerruf der Flüchtlingseigenschaft mit der Richtlinie 2004/83/EG (sog. Qualifikationsrichtlinie) zu vereinbaren sei.

Diese Fragen sind in Ansehung der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu § 73 Abs. 1 AsylVfG nicht klärungsbedürftig. Nach dem zum Problemkreis des Irak ergangenen Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. August 2004 (BVerwG 1 C 22.03 NVwZ 2005, 89) liegt eine Änderung der maßgeblichen Verhältnisse im Sinn von § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG vor, wenn das die Verfolgung bewirkende Regime beseitigt ist und der Kläger bei seiner Rückkehr in seinen Heimatstaat auch nicht anderweitigen Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt wäre. Der Tatbestand des Widerrufs der Anerkennung als Asylberechtigter bzw. der Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegen, ist schon dann erfüllt, wenn eine Wiederholung der Verfolgungsmaßnahmen mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden kann (BVerfG vom 2.7.1980 BVerfGE 54, 341; BVerwG vom 24.11.1992 Buchholz 402.25 § 73 AsylVfG 1992 Nr. 1). Die Klausel des Art. 1 C Nr. 5 Satz 1 GFK, die bei der Auslegung der Widerrufsbestimmungen zu berücksichtigen ist, bezieht sich ausschließlich auf den Schutz vor erneuter Verfolgung. Gegen den Widerruf kann der Ausländer dagegen nicht einwenden, dass ihm im Heimatstaat nunmehr sonstige, namentlich allgemeine Gefahren drohen. Ob ihm deswegen eine Rückkehr unzumutbar ist, ist beim Widerruf der Asyl- und Flüchtlingsanerkennung nicht zu prüfen. Schutz kann ihm insoweit nach den Bestimmungen des Aufenthaltsgesetzes gewährt werden (BVerwG vom 1.11.2005 BVerwG 1 C 21.04 RdNrn. 23 und 24 NVwZ 2006, 707 = DVBl 2006, 511).

Mit der letztgenannten Entscheidung hat das Bundesverwaltungsgericht auch eindeutig zu erkennen gegeben, dass durch die Qualifikationsrichtlinie das Widerrufsrecht nach § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG nicht eingeschränkt ist (so auch BVerwG vom 28.6.2006 BVerwG 1 B 136.05). Nachdem aber Art. 11 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie inhaltlich den Regelungen des Art. 1 C Nr. 5 Satz 1 GFK entspricht, ergibt sich hieraus - wie bereits das Verwaltungsgericht ausgeführt hat - nichts anderes (BayVGH vom 23.11.2006 Az. 13a B 05.30860).