VGH Bayern

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Zitieren als:
VGH Bayern, Beschluss vom 03.01.2007 - 24 CS 06.3030 - asyl.net: M10272
https://www.asyl.net/rsdb/M10272
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Aufenthaltserlaubnis, Fiktionswirkung, ehemalige Deutsche, Ausweisung, Sperrwirkung, Wirkungen der Ausweisung, vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren)
Normen: AufenthG § 38 Abs. 1; AufenthG § 30 Abs. 1 Nr. 4; AufenthG § 5 Abs. 1 S. 1 Nr. 1; AufenthG § 81 Abs. 3 S. 1; VwGO § 80 Abs. 5
Auszüge:

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

a) Das Verwaltungsgericht München hat zunächst vertretbar angenommen, dass der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO zulässig ist. Es spricht nämlich einiges dafür, dass der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis vom 1. Juli 2006 die Fiktionswirkung des § 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG - jedenfalls in analoger Anwendung - ausgelöst hat.

Zumindest formal gesehen hielt sich die Antragstellerin nach der Feststellung ihrer deutschen Staatsbürgerschaft titelfrei rechtmäßig im Bundesgebiet auf. Seit dem Januar 2001 bis zum Oktober 2001 bestand für sie gar keine Möglichkeit (und auch keine Veranlassung), einen Aufenthaltstitel zu beantragen. Andererseits wird der hier vorliegende Sachverhalt vom Gesetzestext deshalb nicht ausdrücklich erfasst, weil die Antragstellerin formal gesehen in diesem Zeitraum gar keine Ausländerin war. Die Interessenlage ist letztlich aber identisch. Es soll verhindert werden, dass ein Ausländer, der zunächst keinen Aufenthaltstitel benötigt hat, sich auch schon dann unerlaubt im Bundesgebiet aufhält, wenn er einen erstmals nötigen Titel rechtzeitig beantragt hat.

Die Frage, ob vorliegend der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO statthaft ist, bedarf im vorliegenden Verfahren letztlich keiner abschließenden Klärung, nachdem auch nach Auffassung des Senats die Voraussetzungen für die Begründetheit des Antrags nicht erfüllt sind. Vieles spricht aber dafür, in dem hier vorliegenden besonders gelagerten Ausnahmefall von einer analogen Anwendung des § 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG auszugehen. Dies entspricht auch der Rechtsbehelfsbelehrung im streitgegenständlichen Bescheid auf Seite 9 (Blatt 262 der Behördenakte).

c) Die Erfolgsaussichten in der Hauptsache sind zwar derzeit noch offen bzw. können auf der Grundlage der dem Senat vorliegenden Unterlagen derzeit nicht abschließend beurteilt werden. Es ist noch nicht eindeutig vorhersehbar, ob der Antragstellerin ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zusteht und damit die in der Hauptsache erhobene Klage (M 23 K 06.2578) Erfolg haben wird (§ 113 Abs. 5 VwGO) oder nicht.

Es spricht zunächst vieles dafür, dass der Antragstellerin ein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 38 Abs. 1 AufenthG nicht zusteht. Sie war zu keinem Zeitpunkt "ehemalige Deutsche".

Offen ist aber, ob der Antragstellerin nicht in Anwendung des § 30 AufenthG ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zusteht. Dem Ehegatten eines Ausländers ist danach eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, die Ehe bei deren Erteilung bereits bestand und die Dauer seines Aufenthalts voraussichtlich über ein Jahr betragen wird (§ 30 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG). Die tatbestandlichen Voraussetzungen hierfür werden möglicherweise erfüllt. Dabei ist davon auszugehen, dass der Ehemann der Antragstellerin objektiv gesehen im Besitz von Aufenthaltserlaubnissen war. Derzeit ist er im Besitz einer Fiktionsbescheinigung, da über seinen zuletzt gestellten Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis noch nicht abschließend rechtskräftig entschieden worden ist. Die Antragsgegnerin hat die dem Ehemann der Antragstellerin erteilten Aufenthaltserlaubnisse zwar zurückgenommen. Der Senat vermag aber im Rahmen des vorliegenden Verfahrens nicht verbindlich zu beurteilen, ob dies rechtmäßig erfolgt ist.

Offen ist dann weiter, ob der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis an die Antragstellerin nicht schon die Vorgabe des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG bzw. die zwingende Vorschrift des § 11 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 84 Abs. 2 Satz 1 AufenthG entgegensteht. Danach wird einem Ausländer auch bei Vorliegen der Voraussetzungen eines Anspruchs nach dem Aufenthaltsgesetz kein Aufenthaltstitel erteilt, wenn er ausgewiesen worden ist. Vieles spricht dafür, dass die Ausweisung der Antragstellerin zu Recht erfolgt ist.

Zusammenfassend sind damit noch einige Punkte offen, von deren Beantwortung es abhängt, ob sich insbesondere die Ausweisung der Antragstellerin als verhältnismäßig darstellt und ob somit diese Ausweisung der Erteilung eines Aufenthaltstitels entgegensteht.

d) Gleichwohl fällt hier auch nach Auffassung des Senats die Interessenabwägung zulasten der Antragstellerin aus.

Es besteht angesichts der erheblichen Straftaten, die die Antragstellerin begangen hat, ein öffentliches Interesse an der sofort vollziehbaren Ablehnung ihres Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels.

Dem stehen durchaus beachtliche Interessen der Antragstellerin entgegen. Vor allem hat sie ein schützenswertes Interesse daran, nicht von ihrer Familie getrennt zu werden. Diesen sicherlich bestehenden familiären Bindungen der Antragstellerin kann allerdings dadurch Rechnung getragen werden, dass etwa aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht vor einer abschließenden Entscheidung über den aufenthaltsrechtlichen Status ihres Ehemannes und der gemeinsamen Kinder bzw. nur gemeinsam mit den Kindern und ihrem Ehemann in Angriff genommen werden.

Von besonderer und für den Senat letztlich ausschlaggebender Bedeutung ist vorliegend aber, dass die Antragstellerin kein schützenswertes Interesse daran haben kann, von ihren frühere Falschangaben zu profitieren.