VG Augsburg

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Zitieren als:
VG Augsburg, Urteil vom 21.12.2006 - Au 5 K 05.30311 - asyl.net: M10276
https://www.asyl.net/rsdb/M10276
Leitsatz:
Schlagwörter: Syrien, Kommunisten, Kommunistische Partei Syriens - Politbüro, CPPB, Glaubwürdigkeit, Christen, Antragstellung als Asylgrund, Auslandsaufenthalt, Grenzkontrollen, Situation bei Rückkehr
Normen: AufenthG § 60 Abs. 1
Auszüge:

1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die begehrte Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen von § 60 Abs. 1 AufenthG hinsichtlich Syrien.

a) Auf den so genannten "herabgestuften" Wahrscheinlichkeitsmaßstab für vorverfolgt ausgereiste Asylantragsteller kann er sich nicht berufen, da er nicht glaubhaft gemacht hat, seinen Herkunftsstaat wegen erlittener oder unmittelbar drohender Verfolgung verlassen zu haben.

Sein Vorbringen ist in wesentlichen Punkten widersprüchlich und unglaubhaft.

Der Kläger hat bei seiner Anhörung durch das Bundesamt angegeben, Mitglied der Kommunistischen Partei Syriens - Politbüro - (CPPB) gewesen zu sein. Entgegen der Auffassung des Bundesamtes, das sich auf die Stellungnahme des Auswärtigen Amtes vom 30. Juli 2001 an das VG Gelsenkirchen bezieht, gehört diese Partei zwar zu den in Syrien verfolgten kommunistischen Splitterparteien. Das Auswärtige Amt hat seine gegenteilige Aussage mit Stellungnahme vom 1. Oktober 2001 an das VG Gelsenkirchen korrigiert. Allerdings ist zweifelhaft, ob der Kläger wirklich Mitglied dieser Partei war.

b) Auch als Christ hat er keine politische Verfolgung zu erwarten. Nach dem aktuellen Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 17. März 2006 respektieren Verfassung und Ideologie des syrischen Regimes die christliche Bevölkerungsminderheit. Stellenweise werden die Christen sogar als natürliche Verbündete der alawitischen Minderheit gegenüber der sunnitischen Mehrheit angesehen. In Polizei und Justiz gibt es keine Anzeichen für Diskriminierung von Christen. Das Regime versucht jeden Eindruck der Benachteiligung zu vermeiden, insbesondere wenn es um die Verfolgung von an Christen begangenen Straftaten geht. Wo es Anlass zu Klagen gibt, geht dies in den meisten Fällen auf versteckte Diskriminierung zurück, die in dem komplizierten gesellschaftlichen Miteinander unterschiedlicher Religionsgemeinschaften staatlich schwer zu kontrollieren sind. Von einer Christenverfolgung kann im syrischen Alltag nicht gesprochen werden.

c) Dem Kläger droht auch künftig bei einer Rückkehr nach Syrien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit keine politische Verfolgung.

Der Kläger hat nach Auffassung des Gerichts bei einer Rückkehr/Abschiebung nach Syrien allein aufgrund der Tatsache, dass er illegal ausgereist ist und in Deutschland ein Asylverfahren betrieben hat, keine politische Verfolgung.

Nach den Erkenntnissen des Auswärtigen Amtes, die unter Verwendung verschiedener Erkenntnisquellen (u.a. aus Oppositionskreisen, Botschaften westlicher Partnerstaaten und internationalen Organisationen, wie z.B. UNHCR) zustande gekommen sind, bilden das Stellen eines Asylantrags und/oder ein längerer Auslandsaufenthalt grundsätzlich keine "Verdachtsmomente", die zu einem Aktivwerden der syrischen Sicherheitsbehörden oder des Geheimdienstes führen. Den syrischen Behörden ist bekannt, dass ein Aufenthalt in Deutschland oft auf der Basis behaupteter politischer Verfolgung fußt. Erst wenn regierungskritisches Vorbringen bzw. Vorwürfe gegenüber dem syrischen Staat einer breiten Öffentlichkeit durch die Medien bekannt und an herausgehobener Stelle zur Kenntnis genommen werden, können sie u.U. als Schädigung der syrischen Interessen angesehen und zur Grundlage für Repressionen gemacht werden (vgl. aktueller Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Syrien).

Der Einschätzung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs zufolge kann es bei einer Einreise nach Syrien zwar zu intensiven Befragungen von Rückkehrern kommen, die Gefahr einer längerfristigen Inhaftierung und anderer asylerheblicher Übergriffe besteht jedoch nur bei konkretem Verdacht einer gegen Syrien gerichteten politischen Betätigung von nicht unerheblicher Bedeutung. Mit Misshandlungen ist insbesondere dann zu rechnen, wenn sich dieser Verdacht erhärtet. Allein die Asylantragstellung bzw. ein längerer Auslandsaufenthalt reichen grundsätzlich nicht aus, einen derartigen Verdacht zu begründen (st. Rspr. seit BayVGH vom 18.10.1990 19 B 89.31779; zuletzt BayVGH vom 19.5.2003 19 ZB 03.30618).