VG Ansbach

Merkliste
Zitieren als:
VG Ansbach, Urteil vom 01.12.2006 - AN 9 K 05.31439 - asyl.net: M10333
https://www.asyl.net/rsdb/M10333
Leitsatz:

Keine nichtstaatliche Gruppenverfolgung von Yeziden im Irak.

 

Schlagwörter: Irak, Jesiden, Gruppenverfolgung, Verfolgung durch Dritte, nichtstaatliche Verfolgung, Verfolgungsdichte, interne Fluchtalternative, Nordirak, Existenzminimum, Abschiebungshindernis, zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse, Versorgungslage, allgemeine Gefahr, extreme Gefahrenlage, Abschiebungsstopp, Erlasslage
Normen: AufenthG § 60 Abs. 1; AufenthG § 60 Abs. 7
Auszüge:

Keine nichtstaatliche Gruppenverfolgung von Yeziden im Irak.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.

1.

1.2 Dem Kläger drohte und droht auch als Mitglied der Gruppe der Jeziden unter Berücksichtigung der derzeitigen innenpolitischen Situation im Irak dort keine Verfolgung im Sinne des § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG durch nichtstaatliche Akteure (§ 60 Abs. 1 Satz 4 c AufenthG).

1.2.1 Die Situation einer generellen Gruppenverfolgung der Jeziden im Irak liegt nicht vor.

1.2.3 Unter Berücksichtigung dieser obergerichtlichen Rechtsprechung und unter Berücksichtigung der vorliegenden Auskünfte zur Situation der Jeziden im Irak kann von einer Gruppenverfolgungssituation nicht ausgegangen werden. Aus den zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Auskünften, nämlich dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 29. Juni 2006, dem Gutachten von Savelsberg/Hajo vom 26. Oktober 2005, der Auskunft von amnesty international vom 16. August 2005 und der des Deutschen Orientinstituts vom 14.2.2005 sowie der Stellungnahme des UNHCR vom Oktober 2005 kann hinreichend deutlich entnommen werden, dass unter Berücksichtigung der Größe der Glaubensgemeinschaft der Jeziden eine flächendeckende Gruppenverfolgungssituation im Irak auch unter Berücksichtigung der derzeit dort vorherrschenden instabilen Verhältnisse nicht stattfindet. Dies betrifft sowohl die Anzahl der Übergriffe und Bedrohungen auf Jeziden bezogen auf den Teil der Religionsgruppe an der Gesamtbevölkerung des Irak wie auch insbesondere die im Irak gegebene Situation einer inländischen Fluchtalternative (vgl. VG Regensburg, Urteil vom 20.10.2006 - RN 3 K 06.30243).

Auch die vom Klägervertreter mit Schreiben vom 20.11.2006 vorgelegten Unterlagen können insoweit zu einem anderen Schluss führen, da sie sich allein mit Angehörigen der - nicht moslemischen - Religionsgruppe der Mandäer befasst.

Weiter ist zum einen zu beachten, dass der Kläger aus dem Gebiet von Scheichan, einem der beiden großen jezidischen Siedlungsgebiete stammt und im Übrigen ihm angesichts der Tatsache, dass die Jeziden ethnische Kurden sind, eine Fluchtalternative im kurdisch besiedelten und verwalteten Nordirak offen steht. Zu letzterem Punkt ergibt sich aus dem Gutachten von Savelsberg/Hajo vom Oktober 2005, dass die Situation der jezidischen Bevölkerung in den kurdisch verwalteten Gebieten deutlich besser ist als im Rest des Irak. Die Gefahr, hier Opfer eines gewalttätigen, jezidenfeindlichen Angriffs zu werden, ist demnach eher gering. Wenn damit auch nicht grundsätzlich eine Diskriminierung von Seiten der moslemischen Mehrheit ausgeschlossen ist, so kann jedoch hier keine notwendige Verfolgungsdichte im Sinne der oben genannten Rechtsprechung erkannt werden. Zwar spricht dieses Gutachten davon, dass die Möglichkeit für Jeziden u. a. aus Mosul - wie dies der Kläger ist - in den drei kurdischen Provinzen Schutz zu finden, begrenzt sei. Dies liege vor allem in der Schwierigkeit begründet, dort ein ökonomisches Auskommen zu finden. Angesichts der Tatsache aber, dass der Kläger in Mosul als selbständiger Fotograf gearbeitet hat, allein für sich und nicht für weitere Familienmitglieder zu sorgen hat, kann ihm eine Rückkehr auch unter den begrenzten ökonomischen Bedingungen in den Nordirak zugemutet werden. Zwar lebt die Familie des Klägers nach wie vor in Mosul. Angesichts der Herkunft des Klägers aus ... und seiner kurdischen Sprachkenntnisse muss jedoch davon ausgegangen werden, dass der Kläger sich mit zumutbaren Anstrengungen im Nordirak zu Recht finden wird.

2. Auch das Begehren des Klägers, bei ihm Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG festzustellen, hat keinen Erfolg. Dabei ist das klägerische Begehren maßgeblich darauf gerichtet, Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG festzustellen. Eine solche konkrete Situation ist für den Kläger jedoch auch unter Berücksichtigung seiner Religionszugehörigkeit nicht ersichtlich. Auch die allgemeine Versorgungslage sowie die Situation des Gesundheitswesens ist, ungeachtet stellenweiser bzw. zeitweiser Engpässe, nach den zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Erkenntnisquellen im Ganzen gesehen nicht so kritisch, dass im gegebenen Fall die Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ersichtlich wären. Im Übrigen besteht der von der Innenministerkonferenz (IMK) in Jena am 20./21. November 2003 beschlossene faktische Abschiebungsstopp für irakische Staatsangehörige weiter.