OLG Celle

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Zitieren als:
OLG Celle, Beschluss vom 18.04.2007 - 22 W 69/06 - asyl.net: M10346
https://www.asyl.net/rsdb/M10346
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Abschiebungshaft, Verlängerung, Zuständigkeit, örtliche Zuständkeit, Abgabebeschluss, Akten, Aktenweiterleitung
Normen: AufenthG § 62; AufenthG § 106 Abs. 2; FreihEntzG § 4; FreihEntzG § 12; ZPO § 281 Abs. 3 S. 3
Auszüge:

Die Beschwerde ist mit dem Feststellungsbegehren zulässig und begründet.

Die Verlängerung der Sicherungshaft durch das Amtsgericht Stadthagen war rechtsfehlerhaft. Damit war die auf dieser Rechtsgrundlage erfolgte Inhaftierung des Betroffenen rechtswidrig.

(1) Das Amtsgericht Stadthagen war für die Entscheidung über die Fortdauer der Sicherungshaft nicht zuständig.

Die örtliche Zuständigkeit für die Entscheidung über die Anordnung von Maßnahmen nach § 62 AufenthG richtet sich gem. § 106 Abs. 2 AufenthG nach dem FreihEntzG. Dessen § 4 findet dabei nach § 12 FreihEntzG für Entscheidungen über die Fortdauer einer Freiheitsentziehung keine Anwendung. Dies bedeutet, dass für die Fortdauerentscheidung das Gericht zuständig ist, das über die Anordnung der Freiheitsententziehung entschieden hat (vgl. Marschner/Volckart, Freiheitsentziehung und Unterbringung, Teil F, § 12, Rn. 1). Danach wäre das AG Stadthagen zuständig gewesen.

Ein Wechsel der örtlichen Zuständigkeit ist jedoch durch eine Abgabeentscheidung nach § 106 Abs. 2 Satz 2 AufenthG möglich. Eine derartige Abgabeentscheidung hat das Amtsgericht in seinem Beschluss vom 23. Mai 2006 getroffen. Die Wirksamkeit dieser Bestimmung unterliegt nach ständiger Rechtsprechung des Senats keinen rechtlichen Bedenken. Aufgrund dieser Anordnung ist mit der Aufnahme des Betroffenen in die Justizvollzugsanstalt Hannover das Amtsgericht Hannover für die weiteren Entscheidungen zuständig geworden.

(2) Daran ändert auch nichts, dass das Amtsgericht Stadthagen die Akten nicht an das Amtsgericht Hannover weitergeleitet hat. Maßgeblich für die Wirksamkeit der Abgabeentscheidung ist hier - wie allgemein bei gerichtlichen Entscheidungen - dass der Beschluss gefasst und verkündet worden ist.

Die Übersendung der Akten ist entgegen der Auffassung des Landgerichts keine Wirksamkeitsvoraussetzung für den Zuständigkeitswechsel. § 281 Abs. 2 S. 3 ZPO findet keine entsprechende Anwendung.

(3) Der Mangel der örtlichen Zuständigkeit für die weiteren Entscheidungen über die Abschiebungshaft ist auch nicht nachträglich geheilt worden. Das Landgericht Bückeburg ist nicht das gemeinsame übergeordnete Gericht der zweiten Tatsacheninstanz für die Amtsgerichte Stadthagen und Hannover und konnte daher nicht in eigener Zuständigkeit entscheiden (dazu BGH, Beschluss vom 8. März 2007 - V ZB 149/06; Keidel/Kunze/Winkler, FGG, 15. Aufl., § 7 Rdn. 37).

(4) Dieser Rechtsfehler ist auch so schwerwiegend, dass die auf dieser Basis vollzogene Inhaftierung des Betroffenen als rechtswidrig anzusehen ist.

Dahinstehen mag, ob jeder - nicht geheilte - Fehler bei der Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit zwingend die Rechtswidrigkeit der Inhaftierung nach sich ziehen muss (dazu Vorlagebeschluss des OLG München vom 19. September 2006 - 34 Wx 080/06; BGH aaO). Denn hier hat das Amtsgericht erst ausdrücklich eine Entscheidung über die Abgabe getroffen, und dann aber dennoch weiter selbst entschieden. Dieses widersprüchliche Verhalten erscheint als so schwerwiegender Verfahrensfehler, dass hier die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Abschiebungshaft geboten ist.