VG Bayreuth

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Zitieren als:
VG Bayreuth, Urteil vom 21.03.2007 - B 3 K 03.30207 - asyl.net: M10390
https://www.asyl.net/rsdb/M10390
Leitsatz:

§ 60 Abs. 7 AufenthG für kolumbianischen Staatsangehörigen wegen Morddrohungen der FARC

 

Schlagwörter: Kolumbien, FARC, Zeugen, Bedrohung, Morddrohungen, Schutzfähigkeit, interne Fluchtalternative, Abschiebungshindernis, zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse
Normen: GG Art. 16a Abs. 1; AufenthG § 60 Abs. 1; AufenthG § 60 Abs. 7
Auszüge:

§ 60 Abs. 7 AufenthG für kolumbianischen Staatsangehörigen wegen Morddrohungen der FARC

(Leitsatz der Redaktion)

 

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter aus Art. 16 a Abs. 1 des Grundgesetzes (GG).

Nach den Angaben des Klägers vor dem Bundesamt und in den mündlichen Verhandlungen fühlt er sich von den FARC mit dem Tode bedroht, weil er als Überbringer von Lösegeld an die Entführer seines Bruders bei der Polizei Aussagen gemacht und Personenbeschreibungen abgegeben hat. Er befürchtet deswegen, dass man ihn als Belastungszeugen beseitigen wolle. Dieser Sachverhalt - als wahr unterstellt - ist nicht geeignet um eine Anerkennung der Asylberechtigung herzuleiten. Denn der Kläger wird nicht wegen "seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung" verfolgt, sondern aus rein kriminellen Motiven.

Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Gewährung von Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG.

Hinsichtlich der begehrten Feststellung des Bestehens eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 AufenthG ist die Klage dagegen begründet.

Das Gericht hat keinen Zweifel, dass der im Februar 1998 getötete ... und der am 01.08.2002 getötete ... Brüder des Klägers waren. Ebenso wenig wird bezweifelt, dass der Kläger als Überbringer des Lösegeldes für den entführten Bruder eingesetzt war. In der mündlichen Verhandlung vom 08.03.2007 hat der Kläger anschaulich und mit vielen Einzelheiten die insgesamt zwei Lösegeldübergaben geschildert, so dass der Eindruck entstand, dass er von tatsächlichen Erlebnissen berichtete. Er hat im Anschluss an die Geldübergaben bei der Polizei Personenbeschreibungen abgegeben, so dass er im Falle eines Strafprozesses gegen die Entführer als Zeuge in Betracht kommt. Den Umstand, dass er in den Jahren zwischen 1998 und 2002 unbehelligt blieb, führt der Kläger darauf zurück, dass der verantwortliche Kommandant der FARC erst 2002 verhaftet wurde und erst da an der Einschüchterung und Beseitigung von Zeugen interessiert war.

Letzte Zweifel an einer nach wie vor bestehenden Bedrohung des Klägers lässt das Gericht nach dem Grundsatz der wohlwollenden Beweiswürdigung und angesichts der Tatsache, dass ein Menschenleben für die FARC ohne Bedeutung ist, dahinstehen. Damit geht das Gericht davon aus, dass der Kläger einen effektiven Schutz durch staatliche Behörden in Kolumbien nicht erlangen kann und er bei einer Rückkehr auch in anderen Teilen des Landes keine sichere inländische Fluchtalternative finden kann. Wie das Auswärtige Amt in der Auskunft vom 05.01.2004 an das VG Frankfurt/Oder ausführt, ist angesichts der Vielzahl von Bedrohungen, die schließlich auch zu Ermordungen führen, zu vermuten, dass mit einem staatlichen Schutz vor Attentaten nicht zu rechnen ist. Es gibt Bedrohungen, denen man sich durch Umzug in einen anderen Landesteil entziehen kann, in anderen Fällen werden die Bedrohungen auch nach einem Ortswechsel fortgesetzt. D.h. einer drohenden Verfolgung, wie im Fall des Klägers, kann man durch Ortswechsel nicht mit Sicherheit entgehen. Insbesondere, nachdem im Jahr 2006 eine Zunahme der Aktivitäten der FARC zu verzeichnen war, die darauf abzielte, die von ihr kontrollierten Gebiete zu erweitern, ist die Annahme einer inländischen Fluchtalternative noch fragwürdiger geworden.