OVG Saarland

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Zitieren als:
OVG Saarland, Beschluss vom 12.03.2007 - 3 Q 114/06 - asyl.net: M10400
https://www.asyl.net/rsdb/M10400
Leitsatz:

Im bewaffneten Konflikt im Irak scheidet derzeit sowohl eine Extremgefahr wie auch eine systemgleiche individuelle Bedrohung jedes Rückkehrers im Sinne der Qualifikationsrichtlinie aus.

 

Schlagwörter: Irak, Gruppenverfolgung, Araber, Verfolgung durch Dritte, nichtstaatliche Verfolgung, Abschiebungshindernis, zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse, allgemeine Gefahr, extreme Gefahrenlage, ernsthafter Schaden, bewaffneter Konflikt, willkürliche Gewalt, Berufungszulassungsantrag, grundsätzliche Bedeutung
Normen: AufenthG § 60 Abs. 1; AufenthG § 60 Abs. 7; RL 2004/83/EG Art. 15 Bst. c; AsylVfG § 78 Abs. 3 Nr. 1
Auszüge:

Im bewaffneten Konflikt im Irak scheidet derzeit sowohl eine Extremgefahr wie auch eine systemgleiche individuelle Bedrohung jedes Rückkehrers im Sinne der Qualifikationsrichtlinie aus.

(Amtlicher Leitsatz)

 

Mit der zweiten Grundsatzrüge macht der Kläger geltend, bereits für den Normalbürger im Irak bestehe eine Extremgefahr im Sinne des § 60 Abs. 7 AufenthG (Seite 8 des Zulassungsvorbringens). Mit Blick auf die vorgetragene Extremgefahr geht der Kläger für die ständigen Anschläge im Irak von einer Opferzahl zwischen 30.000 und mehr als 100.000 Menschen aus (Seite 5 des Zulassungsvorbringens). Dies entspricht in der Größenordnung der Rechtsprechung des Senats. Auch der Senat geht in seinem Grundsatzurteil von einem Untergrundkrieg mit einer Opferzahl bei maximaler Schätzung von 30.000 bis 100.000 Opfern aus (Grundsatzurteil des Senats vom 29.9.2006 - 3 R 6/06 - Seite 54 des Umdrucks).

Der Senat hält auch in seiner aktualisierten Rechtsprechung an der Größenordnung von 100.000 Menschen fest.

Bezogen auf die Gesamtbevölkerung des Irak von 27 Millionen ergibt sich daraus eine Anschlagsdichte von 1 : 270 oder 0,37 Prozent. Positiv gewendet bleiben 99,6 Prozent der irakischen Zivilbevölkerung von Anschlägen verschont.

Damit sind aber ungeachtet der Furchtbarkeit der Folgen der Anschläge im Einzelfall nicht die Voraussetzungen der Rechtsprechung erfüllt, dass jeder irakische Rückkehrer sehenden Auges der Gefahr des alsbaldigen Todes oder schwerster Verletzungen ausgesetzt wird. Ebenso wenig kann nach dem Maßstab des systemgleichen Art. 15 c der Qualifikationsrichtlinie 2004/83/EG vom 29.4.2004 die ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit jedes Rückkehrers mit überwiegender Wahrscheinlichkeit (zu diesem Maßstab Hollmann, Asylmagazin 11/2006, S. 4) bejaht werden, da wie dargelegt die Gefahr jedes Rückkehrers, selbst von einem Anschlag getroffen zu werden, mit einer Wahrscheinlichkeit von nur 0,37 Prozent gering ist.

Mithin ist eine Extremgefahr übereinstimmend mit dem Grundsatzurteil des Senats vom 29.9.2006 - 3 R 6/06 - sowie dem aktualisierten Beschluss des Senats vom 12.2.2007 - 3 Q 89/06 - auch nach dem aktualisierten Stand von 2007 unter Berücksichtigung des Gemeinschaftsrechts zu verneinen. Ein weiterer Klärungsbedarf besteht nicht, so dass die Grundsatzrüge erfolglos bleibt.