VG Saarland

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Zitieren als:
VG Saarland, Urteil vom 07.03.2007 - 10 K 4/07 - asyl.net: M10401
https://www.asyl.net/rsdb/M10401
Leitsatz:

1. In Syrien droht Festgenommenen sowohl im Polizeigewahrsam als auch bei Inhaftierung durch die Geheimdienste und bei Einreisekontrollen in Anknüpfung an die kurdische Volkszugehörigkeit, wenn sich der Betroffene in irgend einer Weise exponiert für die kurdische Sache einsetzt.

2. Allein aufgrund der kurdischen Volkszugehörigkeit oder der Stellung eines Asylantrags im Bundesgebiet ist hingegen nicht mit politischer Verfolgung oder abschiebungsschutzrelevanten Repressalien zu rechnen.

 

Schlagwörter: Syrien, Drittstaatenregelung, Luftweg, Einreise, Glaubwürdigkeit, Kurden, Folter, Geheimdienste, Grenzkontrollen, abgelehnte Asylbewerber, Situation bei Rückkehr, Auslandsaufenthalt, Antragstellung als Asylgrund
Normen: GG Art. 16a Abs. 1; AsylVfG § 26a Abs. 1; AufenthG § 60 Abs. 1
Auszüge:

1. In Syrien droht Festgenommenen sowohl im Polizeigewahrsam als auch bei Inhaftierung durch die Geheimdienste und bei Einreisekontrollen in Anknüpfung an die kurdische Volkszugehörigkeit, wenn sich der Betroffene in irgend einer Weise exponiert für die kurdische Sache einsetzt.

2. Allein aufgrund der kurdischen Volkszugehörigkeit oder der Stellung eines Asylantrags im Bundesgebiet ist hingegen nicht mit politischer Verfolgung oder abschiebungsschutzrelevanten Repressalien zu rechnen.

(Amtliche Leitsätze)

 

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Nach der Drittstaatenregelung des § 26 a AsylVfG kann sich ein Ausländer, der aus einem Drittstaat im Sinne des Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG (sicherer Drittstaat) eingereist ist, nicht auf Art. 16a Abs. 1 GG berufen (§ 26a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG); er wird nicht als Asylberechtigter anerkannt (§ 26a Abs. 1 Satz 2 AsylVfG). Diese Regelung beschränkt den Schutzbereich des Grundrechts auf Asyl, indem sie den Ausländer, der aus einem sicheren Drittstaat in die Bundesrepublik Deutschland einreist, aus dem persönlichen Geltungsbereich des Grundrechts ausschließt (BVerfGE 94, 49, 95).

Hiervon ausgehend steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass dem Kläger nicht geglaubt werden kann, dass er, wie er behauptet, auf dem Luftweg eingereist ist. Der Kläger konnte keinerlei Details über seine angebliche Flugreise von Beirut nach Düsseldorf mitteilen.

Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 1 AufenthG, dessen Voraussetzungen mit denen der politischen Verfolgung im Sinne des § 16 a Abs. 1 GG übereinstimmen.

Ausgehend von diesen Grundsätzen folgt die Kammer der Bewertung der Beklagten im angefochtenen Bescheid, wonach sich hinsichtlich des vom Kläger geschilderten Verfolgungsschicksals der Eindruck aufdrängt, dass ein in Syrien bekannter Vorgang, nämlich die Unruhen in der Kurdenregion anlässlich eines Fußballspiels in Kamishli (Zu den Ereignissen im März 2004 vgl. : FAZ vom 15.03.2004, S. 8; SZ vom 15.03.2004, S. 9; FR vom 15.03.2004, S. 6; NZZ vom 15.03.2004; FR vom 18.03.2004, S. 6; Die Tageszeitung vom 18.03.2004; NZZ vom 20./21.03.2004, S. 5; Savelsberg/Hajo, Die Unruhen am 12. März in Syrisch Kurdistan, Gutachten für das Verwaltungsgericht Magdeburg zum Verfahren 9 A 225/03 MD, Berlin, den 28.03.2004, www.amude.com, Internetrecherche vom 24.01.2007; Lagebericht Syrien (Stand: November 2004) des Auswärtigen Amtes vom 13.12.2004, 508-516.80/3 SYR, S. 13) vom Kläger zum Anlass genommen worden ist, hieraus eine eigene Verfolgungsgeschichte zu konstruieren. Maßgebend für diese Bewertung ist, dass es dem Kläger unter Berücksichtigung seines Vorbringens im Verwaltungsverfahren und bei seiner Anhörung in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer nicht gelungen ist, die Glaubhaftigkeit seines Vorbringens widerspruchsfrei und vor allen Dingen nachvollziehbar darzulegen.

Ist der Kläger somit unverfolgt ausgereist, so droht ihm auch im Hinblick auf das Verlassen Syriens und den Asylantrag in der Bundesrepublik Deutschland sowie auf die kurdische Volkszugehörigkeit bei Rückkehr in sein Herkunftsland nicht mit der hierzu erforderlichen beachtlichen Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung.

Nach der Auskunftslage ist davon auszugehen, dass Syrien kein demokratischer Rechtsstaat ist. In Syrien wird gefoltert. Schon im normalen Polizeigewahrsam sind Misshandlungen an der Tagesordnung, ohne dass dabei politische rassische oder religiöse Ursachen einflössen. Insbesondere bei Fällen mit politischem Bezug wird (häufig bevor Verhöre überhaupt beginnen) physische und psychische Gewalt in erheblichem Ausmaß eingesetzt. Die Folter dient der generellen Gefügigmachung ebenso wie der Erzwingung von Geständnissen, der Nennung von Kontaktpersonen und der Abschreckung. Allerdings reichen im Allgemeinen bloße politische Missliebigkeit oder ein untergeordnetes Engagement für eine als oppositionell eingestufte Gruppe nicht aus, um umfangreiche und andauernde Folter auszulösen. Es gibt Hinweise darauf, dass die Sicherheitskräfte in den letzten Jahren verstärkt angewiesen worden sind, sicherzustellen, dass Verhöre nicht mit dem Tod oder gravierenden erkennbaren Dauerschäden enden. Offensichtlich bedienen sich die Geheimdienste eines abgestuften Systems, orientiert am Tatvorwurf, an der Schwere des Tatverdachtes, etc. Bei wenig gravierenden Vorwürfen bleibt es bei Belästigungen, Schikanen im täglichen Lebensablauf, ohne Gefahr für Leib und Leben des Betreffenden.

Die Einreisekontrollen (wie auch die Ausreisekontrollen) an den syrischen Grenzen sind umfassend. Die Grenzkontrolleure sind neben der Grenzpolizei stets auch Angehörige der Geheimdienste. In aller Regel erfolgt die Einreise - auch Abgeschobener - abgesehen von Befragungen unbehelligt. Eine vorangegangene Asylantragstellung oder der längerfristige Auslandsaufenthalt sind für sich allein kein Grund für ein Einschreiten der Geheimdienste. Liegt ein Fahndungsersuchen vor, wird der Einreisende verhaftet. Bestehen Zweifel an der Identität des Einreisenden, ist eine Haft - u.U. mehrtägig oder einige Wochen - möglich. Diese Festnahmen sind mit intensiver Befragung verbunden. Gewaltanwendung kann bei solchen Verhören vorkommen, systematische Folter wird dabei nach den vorliegenden Erkenntnissen nicht praktiziert.

Die Pflege der nationalen kurdischen Identität wird in Syrien als Staatsgefahr wahrgenommen. Im Gegensatz zu allen anderen ethnischen Minderheiten ist es den Kurden in Syrien nicht gestattet, Privatschulen zu eröffnen, in denen ihre Sprache unterrichtet wird, oder sonstige Vereinigungen zu gründen, die auf der nationalen kurdischen Identität aufbauen. Grund hierfür ist die Sorge vor separatistischen Tendenzen der Kurden in Syrien, die als eine Gefahr für Staat und Regime wahrgenommen werden (Auswärtiges Amt, Lageberichte vom 14.07.2005 (Stand: Juni 2005), S. 5, 11 und 19 ff., Dok.-Nr. 795, vom 17.03.2006 und vom 26.02.2007).

In dieser Weise hat sich der Kläger nicht exponiert, so dass die Annahme einer Rückkehrgefährdung insoweit ausscheidet.

Dem Kläger droht im Falle seiner Rückkehr nach Syrien auch alleine in Anknüpfung an seine kurdische Volkszugehörigkeit keine asylerhebliche Verfolgung. Die bisherige Einschätzung der saarländischen Verwaltungsgerichte (vgl. Beschlüsse des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes vom 16.06.2000, 3 Q 153/98, vom 11.03.2002, 3 Q 79/91, und vom 25.06.2004, 3 Q 1/03, sowie Urteile des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 04.12.2003, 2 K 51/02.A, vom 20.09.2004, 5 K 47/04.A, vom 28.10.2004, 5 K 52/04.A, vom 20.07.2005, 5 K 104/04.A, und vom 24.01.2006, 5 K 38/04.A), dass Kurden in Syrien allein aufgrund ihrer Volkszugehörigkeit keine politische Verfolgung zu befürchten haben, der die Kammer folgt, entspricht auch der Auskunftslage zum Entscheidungszeitpunkt.

An dieser Einschätzung hat sich auch durch die Ereignisse in Kamishli am 11.03.2004 und im kurdischen Gebiet im Nordosten Syriens am 12. und 13.03.2004, die anlässlich eines Fußballspieles begannen und noch in den Folgetagen gewaltsame Konfrontationen und zahlreiche Festnahmen kurdischer Volkszugehöriger nach sich zogen, nichts geändert.