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Zitieren als:
BVerwG, Beschluss vom 27.03.2007 - 1 B 271.06 - asyl.net: M10422
https://www.asyl.net/rsdb/M10422
Leitsatz:
Schlagwörter: Revisionsverfahren, Darlegungserfordernis, Divergenzrüge, Verfahrensmangel, Anhörung, Berufungsgericht, Berufung, Sachverständigengutachten, eigene Sachkunde, psychische Erkrankung, posttraumatische Belastungsstörung
Normen: VwGO § 132 Abs. 2 Nr. 2; VwGO § 132 Abs. 2 Nr. 3; VwGO § 133 Abs. 3 S. 3; GG Art. 19 Abs. 4; GG Art. 103 Abs. 1; VwGO § 96; VwGO § 86 Abs. 1
Auszüge:

Die Beschwerde ist unzulässig.

1. Nach § 132 Abs. 2 VwGO ist die Revision nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Entscheidung der Vorinstanz von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. Im Beschwerdeverfahren ist die Prüfung gemäß § 133 Abs. 3 VwGO auf frist- und formgerecht vorgetragene Zulassungsgründe beschränkt. Dabei muss mit der Grundsatzrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) eine über den jeweiligen Einzelfall hinausgreifende, in verallgemeinerungsfähiger Weise im Interesse der Rechtseinheit oder der Fortentwicklung des Rechts klärungsfähige und klärungsbedürftige konkrete Frage des revisiblen Rechts dargelegt werden. Mit der Abweichungsrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) muss unter genauer Bezeichnung der höchstrichterlichen Entscheidung, von der das Berufungsgericht abgewichen sein soll, ein prinzipieller Auffassungsunterschied in einer Rechtsfrage aufgezeigt und dargetan werden, inwiefern die angegriffene Entscheidung darauf beruhen soll. Bei einer Verfahrensrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) ist schließlich der Bezeichnungspflicht nur genügt, wenn die Tatsachen schlüssig dargetan werden, die den geltend gemachten Verfahrensmangel ergeben, und es als möglich erscheint, dass die angefochtene Entscheidung auf ihm beruht. Hinsichtlich aller Revisionszulassungsgründe stellt § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO auch Anforderungen an die Klarheit, Verständlichkeit und Überschaubarkeit des Beschwerdevorbringens.

Die Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde muss demzufolge eine Sichtung und rechtliche Durchdringung des Streitstoffes durch den Prozessbevollmächtigten und ein Mindestmaß an Geordnetheit des Vorbringens erkennen lassen (stRspr, vgl. BVerwG. Beschlüsse vom 19. August 1993 - BVerwG 6 B 42.93 - Buchholz 310 § 67 VwGO Nr. 81 und vom 21. Februar 2006 - BVerwG 1 B 108.05 -juris). Dabei verlangt das Darlegen - das schon nach dem allgemeinen Sprachgebrauch im Sinne von "erläutern" und "erklären" zu verstehen ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 9. März 1993 - BVerwG 3 B 105.92 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 11; BFH, Beschluss vom 18. Januar 1968 - V B 45/67 - BFHE 90, 369 <370>) - ebenso wie das gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO erforderliche Bezeichnen ein Mindestmaß an Klarheit, Verständlichkeit und Übersichtlichkeit der Ausführungen. Gerade dies ist einer der Gründe dafür, dass die Nichtzulassungsbeschwerde dem Anwaltszwang unterliegt. Welche Anforderungen dabei im Einzelnen zu stellen sind, ist nach den jeweiligen Umständen zu beurteilen. Eine umfangreiche Beschwerdebegründung entspricht jedenfalls dann nicht den formellen Erfordernissen, wenn die Ausführungen zu den Zulassungsgründen in unübersichtlicher, ungegliederter, unklarer, kaum auflösbarer Weise mit Einlassungen zu irrevisiblen oder für das Beschwerdeverfahren sonst unerheblichen Fragen vermengt sind. Es ist nicht Aufgabe des Beschwerdegerichts, aus einem derartigen Gemenge das herauszusuchen, was möglicherweise - bei wohlwollender Auslegung - zur Begründung der Beschwerde geeignet sein könnte (vgl. BVerwG, Beschluss vom 12. Dezember 1972 - BVerwG 4 B 122.72 - Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 99). Eine solche Verpflichtung des Beschwerdegerichts lässt sich auch nicht aus Art. 19 Abs. 4 oder Art. 103 Abs. 1 GG entnehmen (BVerfG, Beschluss vom 6. September 1983 - 1 BvR 237/83 - SozR 1500 § 160a SGG Nr. 48).

2. Die insgesamt 64 Seiten umfassende Beschwerdebegründung wird den genannten Darlegungserfordernissen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO nicht gerecht.

a) Soweit die Beschwerde mehrere Divergenzrügen erhebt, entsprechen die Rügen den gesetzlichen Darlegungsanforderungen schon im Ansatz nicht. Dies gilt zunächst für die beiden Rügen, das Berufungsgericht sei bei seiner Verfahrensweise, ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss gemäß § 130a VwGO und damit ohne Anhörung der Klägerin zu entscheiden, von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts abgewichen. Der Darstellung der Beschwerde ist lediglich zu entnehmen, dass das Berufungsgericht - aus Sicht der Beschwerde - die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Verfahren nach § 130a VwGO unzutreffend angewendet haben soll, nicht aber - wie es für eine Divergenzrüge erforderlich wäre -, dass das Berufungsgericht einen abstrakten, der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts widersprechenden Rechtssatz aufgestellt hat (vgl. das auch von der Beschwerde genannte Urteil vom 30. Juni 2004 - BVerwG 6 C 28.03 - NVwZ 2004, 1377).

b) Auch die Verfahrensrügen genügen nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Dies gilt zunächst für den geltend gemachten Verstoß gegen das Gebot der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme (§ 96 VwGO) wegen unterbliebener persönlicher Anhörung der Klägerin. Denn die Beschwerde legt nicht dar, dass das Berufungsgericht auf die Glaubwürdigkeit der Klägerin oder die Glaubhaftigkeit ihrer Angaben abgestellt hat und deshalb nicht hätte entscheiden dürfen, ohne sich von der bereits in erster Instanz angehörten Klägerin einen persönlichen Eindruck zu verschaffen (vgl. hierzu im Einzelnen den von der Beschwerde selbst zitierten Beschluss vom 26. Februar 2003 - BVerwG 1 B 218.02 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 328 m.w.N.).

Unschlüssig ist zudem die Verfahrensrüge, das Berufungsgericht hätte ein weiteres Sachverständigen-Gutachten einholen müssen und die Erkrankung der Klägerin nicht aus eigener Sachkunde beurteilen dürfen (§ 86 Abs. 1 VwGO). Zwar trifft es zu, dass das Gericht die hier erheblichen medizinischen (psychotraumatologischen und psychotherapeutischen) Fachfragen grundsätzlich nicht aus eigener Sachkunde und ohne Zuhilfenahme fachärztlichen Sachverstands beurteilen darf (vgl. den von der Beschwerde zitierten Beschluss vom 24. Mai 2006 - BVerwG 1 B 118.05 - InfAuslR 2006, 485). Im vorliegenden Fall geht der Vorwurf der Beschwerde indes schon deshalb fehl, weil das Berufungsgericht seine Auffassung auf das von ihm für überzeugend gehaltene, in erster Instanz eingeholte, fachärztliche Gutachten des Dr. Z. gestützt hat (BA S. 13). Inwiefern sich ihm unter den Umständen des vorliegenden Falles von Amts wegen die Einholung eines weiteren fachärztlichen (Ober-)Gutachtens hätte aufdrängen müssen, zeigt die Beschwerde nicht auf.