Posttraumatische Belastungsstörung ist im Kosovo grundsätzlich behandelbar.
Posttraumatische Belastungsstörung ist im Kosovo grundsätzlich behandelbar.
(Leitsatz der Redaktion)
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Die Beklagte hat die im Bescheid vom 04.02.2003 zu Gunsten der Klägerin getroffene Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG vorliegen, zu Recht widerrufen.
Der Widerruf der Voraussetzungen des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG - jetzt § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG - ist gemäß § 73 Abs. 3 AsylVfG zu Recht erfolgt, da die Voraussetzungen dieses Abschiebungshindernisses bzw. Abschiebungsverbotes in der im Wesentlichen übereinstimmenden Fassung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht mehr vorliegen.
Auch die von der Klägerin geltend gemachte psychische Erkrankung führt unter Berücksichtigung der im Verwaltungsverfahren und im gerichtlichen Verfahren vorgelegten fachärztlichen und psychologischen Atteste nicht zur Annahme eines Anspruchs nach § 60 Ab. 7 Satz 1 AufenthG.
Die Angaben der Klägerin in der mündlichen Verhandlung zu ihrer Erkrankung und deren Behandlung sowie die bis zum Ende der mündlichen Verhandlung vorgelegten fachärztlichen bzw. psychologischen Bescheinigungen belegen eindeutig, dass bei der Klägerin zwar nach wie vor eine psychische Erkrankung im attestierten Sinne vorliegt, diese aber sich nach zumindest zweijähriger psychotherapeutischer Behandlung und noch längerer medikamentöser Behandlung mit unterstützenden Gesprächen durch einen entsprechenden Facharzt, die zudem begleitend zur psychotherapeutischen Behandlung erfolgt, gebessert hat, auf der Grundlage des erreichten Niveaus bei Rückkehr in den Kosovo behandelbar ist und durch die Behandlung dort eine mögliche Verschlimmerung der Erkrankung verhindert werden kann. Dabei muss sich die Klägerin, wie bereits dargelegt, auf den dortigen Standard derartiger Erkrankungen verweisen lassen, zumal in ihrem Falle ebenfalls keine Krankheitsmerkmale mehr erkennbar sind, die eine darüber hinausgehende psychotherapeutische Behandlung zwingend erforderlich machen würde, auch wenn eine derartige Behandlung nach dem in der Bundesrepublik Deutschland herrschenden medizinischen Standard wünschenswert erscheinen mag.
Von daher kann der Klägerin ohne weiteres angesonnen werden, mit ihrer Familie in den Kosovo zurückzukehren, zumal dort eine nach der Rechtsprechung der Kammer in ihrem Falle genügende Behandlungsmöglichkeit zur Verfügung steht.
Hierzu hat die Beklagte im angefochtenen Bescheid zutreffend und ausführlich dargelegt, dass die Behandlung psychischer Störungen einschließlich posttraumatischer Belastungsstörungen in Serbien und Montenegro im Rahmen der staatlichen Gesundheitsfürsorge möglich ist, was insbesondere für medikamentöse Behandlung gilt, und jeder Staatsangehörige von Serbien und Montenegro ungeachtet seiner ethnischen Zugehörigkeit Zugang zur ärztliche Behandlung erhält. Diese Einschätzung wird, ebenso wie die der Situation sozialhilfeberechtigter Personen, wie sie dem angefochtenen Bescheid zu entnehmen ist, durch den Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 29.06.2006 betreffend den Kosovo bestätigt (vgl. weiter die Auskunft des Deutschen Verbindungsbüros Kosovo in Pristina vom 21.07.2006 an VG Düsseldorf).
Gegenüber dieser Einschätzung ist dem Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 01.03.2004 zwar zu entnehmen, dass generalisierende Annahmen über die flächendeckende Gewährung medizinischer Versorgung mit Fragezeichen zu versehen seien; daraus kann aber nicht abgeleitet werden, dass, wie die Klägerin meint, eine Behandlung, wie sie sie benötige, in Serbien nicht gewährleistet bzw. von ihr dort nicht zu finanzieren sei, zumal sie in ihrem Herkunftsland über eine starke familiäre Anbindung verfügt. Auch den neueren Erkenntnisquellen ist nach der Überzeugung der Kammer nicht zu entnehmen, dass die fragliche Behandlung für die Klägerin im Kosovo nicht gewährleistet ist.
Weder die von UNMIK und dem Gesundheitsministerium des Kosovo veröffentlichte Stellungnahme vom 31. Januar 2005 über die Verfügbarkeit angemessener medizinischer Behandlung von posttraumatischen Belastungsstörungen (PDPS) im Kosovo (UNMIK-Dokument), noch der Aufsatz von Gierlich, Zur psychiatrischen Versorgung im Kosovo, ZAR 2006, 277 f., und dessen Artikel: Die "Lebenserfahrung" des OVG Münster, in ZAR 11/12/2006, vgl. Pro Asyl e. V. News-letter Nr. 120, Januar 2007 (www.proasyl.de), auf den sich die Klägerin in der mündlichen Verhandlung u.a. berufen hat, sowie der in dem letztgenannten Artikel in Bezug genommene Reisebericht der Landtagsfraktion der Grünen in Niedersachsen vom März 2006 rechtfertigen eine andere Bewertung. Die Stellungnahme von UNHCR und dem Gesundheitsministerium des Kosovo ist erkennbar von der politischen Forderung geprägt, den Standard der Behandlung posttraumatischer Belastungsstörungen im Kosovo zu verbessern. Außerdem geht daraus aber auch hervor, dass insbesondere eine medikamentöse Behandlung psychischer Erkrankungen möglich ist. Wenn dort darauf hingewiesen wird, dass nur eine begrenzte Anzahl an Medikamenten verfügbar ist, führt dies nicht weiter, da diese Medikamente, wie sie insbesondere in der Essential Drugs List geführt werden, nach der Rechtsprechung der Kammer eine nach dem Standard des Kosovo genügende medikamentöse Behandelbarkeit belegen, auch wenn der Standard der Bundesrepublik Deutschland damit nicht zu vergleichen ist. Dass der dortige Standard verbesserungsbedürftig ist, wie dies aus der Stellungnahme hervorgeht, lässt aber nicht den Schluss zu, dass allein bei Bestehen einer flächendeckenden psychotherapeutischen Behandlung derartiger Erkrankungen eine Gefährdung der Rückkehrer auszuschließen wäre. Dabei geht die Kammer weiter in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass bei Erkrankungen, die über eine medikamentöse Behandlung hinaus zwingend eine psychotherapeutische oder stationäre Aufnahme in einer psychiatrischen Klinik erfordern, in der Regel Abschiebungsschutz zu gewähren ist. Davon ist jedenfalls hinsichtlich der Erkrankung der Klägerin, die eben nicht mit einer unbehandelten depressiven Erkrankung, die auf einer Traumatisierung beruht und zwingender psychotherapeutischer Behandlung bedarf, in den Kosovo zurückkehrt, sondern nach inzwischen zweijähriger psychotherapeutischer Behandlung und medikamentöser Einstellung.
Soweit in der Stellungnahme von UNHCR und Gesundheitsministerium ausgeführt wird, dass diejenigen Medikamente, die verfügbar sind, "für die große Mehrheit der Kosovaren nicht bezahlbar" sei, ist dies weder in irgend einer Weise belegt noch mit den in die bisherige Rechtsprechung der Kammer eingeflossenen Erkenntnissen über die Erhältlichkeit von Medikamenten auf der Basis von Sozialhilfeleistungen und im Wege privater Beschaffung zu vereinbaren. Diesbezüglich fehlt in der Stellungnahme, die insgesamt eher den Charakter eines politischen Forderungskataloges ausweist, im Übrigen jeglicher Beleg. Auch der Reisebericht der Landtagsfraktion der Grünen in Niedersachsen vom März 2006 rechtfertigt insoweit keine andere Bewertung, da danach einerseits die überwiegende medikamentöse Behandlung bestätigt wird, aber auch bestätigt wird, dass daneben eine psychotherapeutische Behandlung möglich ist. Der Hinweis darauf, dass Engpässe in der medizinischen Versorgung die Regel seien, führt ebenfalls nicht weiter, da der Hinweis auf immer wieder vorkommende Engpässe in der Medikamentenversorgung nichts über Art und Dauer dieser Engpässe aussagt und keine Erkenntnisse hingehend vermittelt, dass aufgrund derartiger Engpässe eine Gefährdung der Versorgungslage mit diesen Medikamenten bereits zu befürchten ist. Was schließlich die Darlegungen von Gierlichs in dem in ZAR 2006, S. 277, veröffentlichten Aufsatz "Zur psychiatrischen Versorgung im Kosovo" anbelangt, handelt es sich im Wesentlichen um die Auswertung statistischer Angaben und statistische Berechnungen, die für sich nicht geeignet sind, eine konkrete Gefährdungssituation wegen fehlender bzw. nicht ausreichender medikamentöser Behandlung von psychischen Erkrankungen darzulegen. Nicht anderes gilt für dessen Ausführungen in ZAR 11/12/2006, mit denen sich der Autor im Wesentlichen kritisch mit Entscheidungen des OVG Münster, ebenfalls wieder auf bloß statistischer Basis in Verbindung mit der Forderung nach einem Maßstab, der auf den in der Bundesrepublik Deutschland herrschenden Standard entsprechender Behandlungen abstellt, befasst. Im Übrigen erschöpft sich der Autor in der Auseinandersetzung mit aus seiner Sicht generalisierenden Bewertungen in der Rechtsprechung des OVG Münster, der sich die Kammer, die stets eine individuelle Bewertung der konkreten Gefährdungssituation anhand der im Einzelfall vorliegenden Erkenntnisquellen (ärztliche Bescheinigungen usw.) vornimmt, nicht angeschlossen hat.