LSG Baden-Württemberg

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Zitieren als:
LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 08.01.2007 - L 12 AS 5604/06 ER-B - asyl.net: M10519
https://www.asyl.net/rsdb/M10519
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Asylbewerberleistungsgesetz, vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren), einstweilige Anordnung, Eilbedürftigkeit, Kinder, deutsche Kinder
Normen: AsylbLG § 1 Abs. 1 Nr. 6; GG Art. 3 Abs. 3; SGB XII § 9; SGB II § 7 Abs. 1 S. 2; SGG § 86b Abs. 1
Auszüge:

Die Beschwerde ist zulässig und im Umfang der stattgebenden Entscheidung auch begründet.

Vorliegend kommt nur der Erlass einer einstweiligen Anordnung als Regelungsanordnung nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Betracht.

Das SG hat zutreffend dargelegt, dass im Falle der Ast. Ziff. 1 keinen Anspruch auf die vorläufige Gewährung von Leistungen nach dem SGB II hat, weil es ihr zumutbar ist, die Leistungen nach dem AsylbLG zu beantragen. Jedenfalls bis zur Entscheidung des Hauptsacheverfahrens kann hierin ein Gesetzesverstoß nicht gesehen werden. Der Umstand, dass die Grundleistungen nach § 3 AsylbLG geringer ausfallen als vergleichbare Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz, rechtfertigt nicht die Annahme, der Gesetzgeber gewährleiste mit den Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz nicht das verfassungsrechtlich Gebotene. Auch der Einwand, die Leistungen seien seit 1993 nicht mehr angehoben worden, rechtfertigt kein anderes Ergebnis, weil die geringeren Leistungen nach dem AsylbLG gemäß § 2 AsylbLG im Regelfall auf eine Dauer von drei Jahren begrenzt sind und dies im Hinblick auf den legitimen Zweck des AsylbLG, unter anderem auch die Attraktivität einer unrechtmäßigen Einreise in die Bundesrepublik zu verringern, noch gerechtfertigt erscheint (vgl. LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 22.08.2006 - L 8 B 27/06 AY ER -).

Anders als die Ast. Ziff. 1 hat der Ast. Ziff. 2 jedoch, da er Deutscher ist, ein dauerhaftes Bleiberecht in der Bundesrepublik. Die Gewährung von Leistungen nach den geringeren Sätzen des AsylbLG an den Ast. Ziff. 2 ist nicht begründbar, da dieser hierdurch im Ergebnis auf Grund seiner Abstammung von der Ast. Ziff. 1 benachteiligt wird. Es ist nicht ersichtlich, wie dies mit Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG vereinbar sein könnte. Der Zweck des AsylbLG, vorübergehend die Attraktivität des Zuzugs in die Bundesrepublik zu vermindern, ist im Falle des Ast. Ziff. 2 nicht legitim, weil dieser ein unbegrenztes Aufenthaltsrecht in der Bundesrepublik hat. Insofern ist für ihn auch bereits von Anfang ein geklärter Aufenthaltsstatus vorhanden, aus dem ein sofortiger Bedarf sozialer Integration folgt, der wiederum Leistungen in Höhe des soziokulturellen Minimums erfordert.

Die Entscheidung, dem Ast. zu Ziff. 2 vorläufig Leistungen nach § 28 SGB II zuzubilligen, verstößt auch nicht gegen eine eindeutige Regelungen im SGB II oder SGB XII. Zwar nennt § 1 Abs. 1 Nr. 6 AsylbLG als Antragsberechtigte auch die minderjährigen Kinder von Asylbewerbern; dies geschieht jedoch mit dem Hinweis, dass diese auch dann antragsberechtigt sind, wenn sie selbst die sonstigen Voraussetzungen für den Leistungsbezug nicht erfüllen. Aus diesem Hinweis ergibt sich, dass § 1 Abs. 1 Nr. 6 AsylbLG die Anspruchslage minderjähriger Kinder verbessern will, auch wenn diese nicht alle tatbestandlichen Voraussetzungen erfüllen. Hieraus wie im Falle des Ast. Ziff. 2 eine Leistungseinschränkung zu konstruieren, ist nicht im Sinne der gesetzlichen Vorschrift. Denn die Vorschrift zielt ersichtlich nicht darauf ab, Kindern, die eine stärkere Anspruchsposition als ihre Eltern haben, auf die geringeren Ansprüche ihrer Eltern zu beschränken. Selbst wenn insofern eine andere Auffassung vertreten werden sollte, wäre wegen der Benachteiligung des Ast. Ziff. 2 insoweit eine verfassungskonforme Auslegung wohl unumgänglich, wonach die Vorschrift im Falle von deutschen Kindern von Asylbewerbern nicht anwendbar ist.

Auch ein Anordnungsgrund ist gegeben, da auch nach dem AsylbLG Leistungen in verminderter Höhe regelmäßig nur für die Dauer von drei Jahren gewährt werden. Den Ast. zu Ziff. 2 insoweit auf die Hauptsache zu verweisen, würde ihn der Gefahr aussetzen, ebenfalls so lange wie die anderen Ast. nach dem AsylbLG auf die für eine soziale Integration erforderlichen Leistungen verzichten zu müssen (vgl. die bereits oben zitierte Entscheidung BVerfGE 79. 69 . 74 m.w.N.). Die höheren Leistungen nach dem SGB II bzw. SGB XII sind gerade für die Entwicklung eines Kleinkindes von existenzieller Wichtigkeit.