OVG Berlin-Brandenburg

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Zitieren als:
OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 03.05.2007 - 5 B 13.05 - asyl.net: M10535
https://www.asyl.net/rsdb/M10535
Leitsatz:

Die Einbürgerung ist auch bei Maßregeln der Besserung und Sicherung grundsätzlich ausgeschlossen.

 

Schlagwörter: D (A), Staatsangehörigkeitsrecht, Einbürgerung, Anspruchseinbürgerung, Straftat, Strafurteil, Maßregeln der Besserung und Sicherung, Ermessen
Normen: StAG § 10 Abs. 1 Nr. 5; StGB § 20; StGB § 63; StGB § 12a Abs. 1 S. 2
Auszüge:

Die Einbürgerung ist auch bei Maßregeln der Besserung und Sicherung grundsätzlich ausgeschlossen.

(Leitsatz der Redaktion)

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn der Kläger hat weder einen Anspruch auf Erteilung einer Einbürgerungszusicherung noch auf erneute Entscheidung über seinen Einbürgerungsantrag (§ 113 Abs. 5 Sätze 1 und 2 VwGO).

1. Dem geltend gemachten Anspruch auf Erteilung einer Einbürgerungszusicherung steht, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, § 10 Abs. 1 Nr. 5 des Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 22. Juli 1913 (RGBl. S. 583), zuletzt geändert durch Gesetz vom 14. März 2005 (BGBl. I S. 721) - StAG -, entgegen. Danach setzt die Einbürgerung unter anderem Straffreiheit voraus. Der Kläger ist jedoch wegen einer - wenngleich im Zustand der Schuldunfähigkeit begangenen - Straftat verurteilt worden.

Die negative Einbürgerungsvoraussetzung des § 10 Abs. 1 Nr. 5 StAG umfasst nicht nur Verurteilungen zu Geld- und Freiheitsstrafen, sondern auch strafgerichtliche Urteile, die gemäß §§ 20, 63 StGB die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus anordnen. Denn auch diese Urteile ergehen "wegen einer Straftat" (im Ergebnis ebenso VGH Mannheim, Urteil vom 10. November 2005 - 13 S 2223/04 -, InfAuslR 2006, 93 [94]; VGH München, Urteil vom 6. Dezember 2005 - 5 BV 04.1561 - juris, Rn. 16; VG Braunschweig, Urteil vom 1. September 2005 - 5 A 24/04 - BeckRS 2005 29727, S.6; Berlit in: Fritz/Vormeier/Berlit u.a., GK-StAR, Stand Juli 2006, § 10 StAG, Rn. 287/288; Makarov/von Mangoldt, Deutsches Staatsangehörigkeitsrecht, Stand Juni 1998, § 85 AuslG, Rn. 47; a.A. VG Würzburg, Urteil vom 21. April 2004 - W 6 K 03.1130 -, InfAuslR 2004, 311 [312 f]). Für die Richtigkeit dieses Verständnisses spricht entgegen der Auffassung des Klägers schon die Terminologie, wie sie das Strafgesetzbuch, die Strafprozessordnung und - nicht zuletzt - das Bundeszentralregistergesetz verwenden.

Gegenstand der strafgerichtlichen Urteilsfindung ist die in der Anklage bezeichnete Tat, wie sie sich nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung darstellt (vgl. § 264 Abs. 1 StPO); die Schuld des Täters bildet (lediglich) die Grundlage für die Strafzumessung (vgl. § 46 Abs. 1 Satz 1 StGB in Verbindung mit § 267 Abs. 3 StPO). Das Strafgesetzbuch regelt aber nicht nur schuldbezogene Sanktionen, sondern auch weitere Rechtsfolgen, die unabhängig von einem Schuldvorwurf oder bei Schuldunfähigkeit angeordnet werden können. Zu ihnen gehören die Maßregeln der Besserung und Sicherung als präventive Reaktionen auf eine Straftat. Beide Arten staatlicher Sanktion haben mithin einen gemeinsamen unmittelbaren Bezugspunkt, nämlich die so genannte Anlasstat als Legitimationsgrund strafgerichtlicher Verurteilung: Die Strafe, weil die Umstände der Tat das Maß der Schuld und damit die Strafzumessung bestimmen, die Maßregel, weil die Tat nicht nur notwendige Voraussetzung für ihre Anordnung, sondern die tatsächlichen Feststellungen zum Tathergang, zur Genese und zum Nachverhalten wesentliche Grundlage für die Gefahrenprognose sind. Dem entspricht der notwendige Inhalt des Strafurteils, wie ihn § 267 StPO festlegt. Wird der Angeklagte verurteilt, müssen die Urteilsgründe erkennen lassen, welche Tatsachen das Gericht als erwiesen angesehen hat und in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden worden sind (§ 267 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 StPO). Erkennt das Gericht auf Geld- und Freiheitsstrafe, so müssen die Umstände aufgeführt werden, die für die Zumessung der Strafe bestimmend gewesen sind (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO); lautet es dagegen - wie hier - auf Anordnung einer Maßregel der Besserung und Sicherung, so müssen die Urteilsgründe auch ergeben, weshalb die Maßregel angeordnet worden ist (§ 267 Abs. 6 Satz 1 StPO). In dem einen wie dem anderen Falle ist die Verurteilung, weil sie eine rechtswidrige Straftat zum Gegenstand hat, in das Bundeszentralregister einzutragen (vgl. § 4 Nr. 1 und 2 BZRG).

Nach § 12 a Abs. 1 Satz 2 StAG wird im Einzelfall entschieden, ob die Straftat außer Betracht bleiben kann, wenn der Ausländer "zu einer höheren Strafe verurteilt" worden ist. Bei der analogen Anwendung dieser Vorschrift darf allerdings nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus die Feststellung des Strafgerichts voraussetzt, dass von dem Täter "erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten" sind und er "deshalb für die Allgemeinheit gefährlich" ist. Der Zusammenhang mit der Zielrichtung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StAG, niemanden einzubürgern, der strafrechtlich geschützte Rechtsgüter gefährdet, spricht deshalb dafür, eine Ermessensentscheidung zugunsten des Einbürgerungsbewerbers erst dann in Betracht zu ziehen, wenn die angeordnete Unterbringung und eine etwaige Bewährungsfrist beendet sind.

Davon abgesehen ist bei der analogen Anwendung des § 12 a Abs. 1 Satz 2 StAG die gesetzgeberische Wertung zu beachten, dass die "höhere Strafe" sich zumindest innerhalb des Systems des § 12 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG halten muss, was aber nur für Strafen zutrifft, die zur Bewährung ausgesetzt und nach Ablauf der Bewährungszeit erlassen worden sind (vgl. hierzu Beschluss des Senats vom 28. Juli 2006 - OVG 5 M 24.06). Bei der Verurteilung zu einer Maßregel der Besserung und Sicherung wird dementsprechend vorauszusetzen sein, dass die Anordnung der Unterbringung zur Bewährung ausgesetzt worden und nach Ablauf der Bewährungszeit erloschen sein muss. Sind diese Voraussetzungen - wie hier - nicht erfüllt, so spricht alles dafür, dass die Behördenentscheidung eine gebundene und nur dann rechtmäßig ist, wenn die Einbürgerung abgelehnt wird.

Wäre allerdings selbst in den Fällen Ermessen eröffnet, in denen der Maßregelvollzug noch andauert, wäre die vom Beklagten getroffene Entscheidung, den Einbürgerungsantrag abzulehnen, ebenfalls nicht zu beanstanden. Denn er hat eine Ermessensentscheidung getroffen; sie wird auch den Anforderungen gerecht. Der Beklagte hat darauf abgestellt, dass nicht hinreichend sicher ausgeschlossen werden könne, dass der Kläger weitere Gewalttaten begehen werde.