OVG Hamburg

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Zitieren als:
OVG Hamburg, Beschluss vom 02.05.2007 - 3 Bs 403/05 - asyl.net: M10553
https://www.asyl.net/rsdb/M10553
Leitsatz:
Schlagwörter: Sri Lanka, Abschiebungshindernis, zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse, Ausländerbehörde, Bundesamt, Beteiligung, Beteiligungserfordernis
Normen: AufenthG § 72 Abs. 2; AufenthG § 60 Abs. 7
Auszüge:

Die Beschwerde gegen die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes in erster Instanz nach Maßgabe des Antrags Nr. 1 in der Beschwerdebegründungsschrift vom 2. Januar 2006 bleibt ohne Erfolg.

1. Die mit dem Beschwerdevorbringen fristgemäß dargelegten Gründe, die das Beschwerdegericht nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO ausschließlich zu prüfen hat, rechtfertigen es nicht, den Beschluss des Verwaltungsgerichts zu ändern. Es ist auch unter Berücksichtigung dieses Vorbringens nicht ersichtlich, dass der Antragstellerin vorläufiger Rechtsschutz im Hinblick auf das o.g. Aufenthaltserlaubnisverfahren zu gewähren wäre.

(1) Es ist nicht ersichtlich, dass die Antragstellerin befürchten müsste, in Sri Lanka durch ihren deutschen Ehemann bedroht, verfolgt oder gefährdet zu werden.

(2) Vor diesem Hintergrund dürfte für die Antragsgegnerin kein hinreichender Grund bestehen bzw. bestanden haben (vgl. §§ 45 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 2 HmbVwVfG), dass BAMF gemäß § 72 Abs. 2 AufenthG an dem vorliegenden aufenthaltsrechtlichen Verfahren wegen des Vorbringens der Antragstellerin zu beteiligen, sie könne gegen diese (vermeintliche) Bedrohung keinen hinreichenden Schutz von den srilankischen Behörden erlangen.

Der Zweck der Beteiligungsregelung in § 72 Abs. 2 AufenthG liegt nach den Gesetzesmaterialien (vgl. die BT-Drucks. 15/420 S. 94) darin, dass die Ausländerbehörden vor einer (positiven oder negativen) Entscheidung über ein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 AufenthG die Sachkunde des BAMF hinsichtlich der Verhältnisse in dem betreffenden Zielstaat einfließen lassen. Damit dieser Zweck erfüllt werden kann, muss allerdings das individuelle Vorbringen des Ausländers Anlass dafür bieten, (mindestens) eine bestimmte - klärungsbedürftige - Frage hinsichtlich der allgemeinen Verhältnisse in dem Zielstaat zu beantworten und dafür die besondere Sachkunde des BAMF zu nutzen. Dementsprechend lässt sich dieser Zweck nicht erfüllen, wenn das (die Verhältnisse in dem Zielstaat betreffende) Vorbringen des Ausländers nicht wenigstens ein Mindestmaß an Plausibilität bezüglich der vorgetragenen Gefahr aufweist, wenn bereits aus persönlichen Gründen nicht anzunehmen ist, dass dem Ausländer die geltend gemachte Gefahr droht (etwa, wenn er geltend macht, eine bestimmte Krankheit sei in seinem Heimatstaat nicht behandelbar, aber nicht glaubhaft gemacht ist, dass er überhaupt unter dieser Krankheit leidet) oder wenn die betreffende Frage (etwa anlässlich eines anderen Verfahrens mit gleicher Problematik) bereits zeitnah vom BAMF beantwortet worden ist und Anhaltspunkte für eine seitdem erfolgte Änderung der Lage nicht ersichtlich sind. Wäre auch in solchen Situationen, wie dies der Wortlaut von § 72 Abs. 2 AufenthG zu gebieten scheint, eine Beteiligung des BAMF erforderlich, müssten die Ausländerbehörden bei jeglicher, unter Umständen noch so fernliegender Berufung eines Ausländers auf § 60 Abs. 7 AufenthG stets das BAMF beteiligen. Dies liefe jedoch auf einen vom Gesetzeszweck nicht gedeckten Formalismus hinaus, der immer wieder zu sinnlosen Verfahrensverzögerungen führen würde. Der Wortlaut der Beteiligungsregelung in § 72 Abs. 2 AufenthG ist insoweit nach dem Gesetzeszweck einzuschränken.

Nach diesen Maßstäben dürfte die Antragsgegnerin nicht gemäß § 72 Abs. 2 AufenthG verpflichtet (gewesen) sein, in dem vorliegenden Aufenthaltsverfahren das BAMF zu beteiligen. Die Behauptung der Antragstellerin, sie müsse bei einer Rückkehr nach Sri Lanka dort mit einer Bedrohung oder Verfolgung durch den deutschen Ehemann rechnen, ist - aus den bereits genannten Gründen - schon in persönlicher Hinsicht angesichts der von ihr angegebenen Umstände nicht hinreichend nachvollziehbar.