VG Stuttgart

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Zitieren als:
VG Stuttgart, Urteil vom 01.06.2007 - A 11 K 1005/06 - asyl.net: M10579
https://www.asyl.net/rsdb/M10579
Leitsatz:

Asylanerkennung nach Folgeantrag für Christin aus dem Iran, die sich nicht in der Lage sieht, ihre Glaubensüberzeugung zu verheimlichen; die Jahresfrist des § 51 Abs. 3 VwVfG beginnt im Fall einer Rechtsänderung mit der Kenntnis des Ausländers; die Kenntnis des Prozessbevollmächtigten ist nicht zuzurechnen.

 

Schlagwörter: Iran, Folgeantrag, Änderung der Rechtslage, Anerkennungsrichtlinie, religiös motivierte Verfolgung, religiöses Existenzminimum, Drei-Monats-Frist, Prozessbevollmächtigte, Kenntnis, Zurechenbarkeit, Christen, Konversion, Apostasie, Zumutbarkeit, herabgestufter Wahrscheinlichkeitsmaßstab, Missionierung, Rechtskraft, Rechtskraftbindung, Urteil, Änderung der Sachlage
Normen: AsylVfG § 71 Abs. 1; VwVfG § 51 Abs. 1 Nr. 1; AufenthG § 60 Abs. 1; RL 2004/83/EG Art. 10 Abs. 1 Bst. b; VwVfG § 51 Abs. 3; BGB § 166; GG Art. 16a Abs. 1; VwGO § 121 Nr. 1
Auszüge:

Asylanerkennung nach Folgeantrag für Christin aus dem Iran, die sich nicht in der Lage sieht, ihre Glaubensüberzeugung zu verheimlichen; die Jahresfrist des § 51 Abs. 3 VwVfG beginnt im Fall einer Rechtsänderung mit der Kenntnis des Ausländers; die Kenntnis des Prozessbevollmächtigten ist nicht zuzurechnen.

(Leitsatz der Redaktion)

 

I. Wird wie hier nach unanfechtbarer Ablehnung eines früheren Asylantrags erneut ein Asylantrag im Sinne des § 13 Abs. 1 und 2 AsylVfG gestellt (Folgeantrag), so ist ein weiteres Asylverfahren nur durchzuführen, wenn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG vorliegen (§ 71 Abs. 1 S. 1 AsylVfG).

Hier hat sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Rechtslage nachträglich zugunsten der Klägerin durch die bis 10.10.2006 umzusetzenden Richtlinie 2004/83/EG des Rates der Europäischen Union (ABl. v. 30.9.2004, L 304/129) - Qualifikationsrichtlinie - geändert. Nach deren Art. 10 Abs. 1 b) umfasst der bei den Verfolgungsgründen zu berücksichtigende Begriff der Religion insbesondere

... Glaubensüberzeugungen, die Teilnahme bzw. Nichtteilnahme an religiösen Riten im privaten oder öffentlichen Bereich, allein oder in Gemeinschaft mit anderen, sonstige religiöse Betätigungen oder Meinungsäußerungen und Verhaltensweisen Einzelner oder der Gemeinschaft, die sich auf eine religiöse Überzeugung stützen oder nach dieser vorgeschrieben sind.

Dies dient wie § 60 Abs. 1 AuslG der Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention (BGBl. 1953 II S. 559) und verbietet eine Beschränkung des Flüchtlingsschutzes insbesondere auf den privaten Bereich als "religiöses Existenzminimum" (forum internum, vgl. BVerwG, Urt. v. 26.10.1993, NVwZ 1994, 500 = InfAuslR 1994, 119). Einer solchen Beschränkung folgt das Urteil vom 26.10.2001, das im Urteil vom 30.6.2003 keine Änderung der rechtlichen Ausgangslage erfahren hat. Es mutet der Klägerin zu, "sich nach der Rückkehr in den Iran genau so zu verhalten, wie sie es bis zu ihrer Ausreise getan hat, nämlich sich als Christ nach innen und im (inneren) Kreis ihrer Familie zu bekennen, ihren Glauben jedoch nicht nach außen offen zu vertreten". Eben dies hält die Klägerin nach ihren Darlegungen in der mündlichen Verhandlung für unzumutbar, was nunmehr für die Feststellung zu § 60 Abs. 1 AufenthG bedeutsam ist mit der Folge, dass insoweit die bisher rechtskräftig verneinten weiteren Gefahren wegen Aufdeckung ihres Religionswechsels und der Taufe ihrer Kinder dahinstehen könnten. Sie beruft sich nämlich auch darauf, dass für sie im Iran schon der Besuch von christlichen Gottesdiensten und die nicht geheime religiöse Kommunikation gefährlich sei, was bei Konvertierten nach den vorliegenden Erkenntnissen über die derzeitige Lage ernsthaft in Betracht kommt (vgl. etwa VG Karlsruhe, Urt. v. 19.10.2006, A 6 K 10463/04 und 10335/04, Asylmagazin 11/2006 S. 23; VG Düsseldorf, Urt. v. 15.8.2006, Asylmagazin 11/2006 S. 26; weitere Nachweise zu Christen aus dem Iran bei Hollmann, Rechtsprechungsfokus, Asylmagazin 4/2007 S. 17).

Auch wenn das "religiöse Existenzminimum" nicht auf das im Urteil vom 26.10.2001 Zugemutete reduziert gewesen sein dürfte, war der öffentliche Bereich vom asylrechtlichen wie auch vom - früher als deckungsgleich erachteten - Schutz nach der Genfer Flüchtlingskonvention ausgenommen (vgl. BVerfG, Kammerbeschl. v. 19.12.1994, InfAuslR 1995, 210):

Zwar schützt das Asylrecht nicht vor staatlichen Maßnahmen, die sich gegen die Religionsausübung in der Öffentlichkeit richten (vgl. BVerfGE 76, 143 <159 f.>). Jedoch folgt daraus nicht, dass einem Glaubenszugehörigen angesonnen werden kann, seine Religionsausübung oder gar seine Religionszugehörigkeit als solche geheimzuhalten, um staatlichen Repressalien zu entgehen. Die Religionsausübung im häuslich-privaten Bereich und die Möglichkeit zum religiösen Bekenntnis im nachbarschaftlich-kommunikativen Bereich gehören vielmehr zu dem durch das Asylrecht geschützten elementaren Bereich der sittlichen Person und unterstehen der Garantie des Art. 16a Abs. 1 GG (vgl. BVerfGE 76, 143 <158>...).

Für den öffentlichen Bereich hat sich also der Schutz nach der Genfer Flüchtlingskonvention zugunsten der Klägerin erweitert. Die Änderung der Rechtslage ist jedenfalls seit Ablauf der Umsetzungsfrist für die Qualifikationsrichtlinie am 10.10.2006 (Art. 38 Abs. 1) eingetreten, da Art. 10 mit seinen Umschreibungen der Verfolgungsgründe gerade für den Einzelfall unmittelbar anwendbar ist (vgl. Duchrow, Der Schutz vor religiöser Verfolgung im Lichte der Qualifikationsrichtlinie, Asylmagazin 4/2007 S.15; Hollmann, Asylfolgeantrag auf Grund der Qualifikationsrichtlinie, Asylmagazin 11/2006 S. 4 m.w.N.; Bank und Schneider, Durchbruch für das Flüchtlingsvölkerrecht?, Beilage zum Asylmagazin 6/2006).

Diese Rechtsänderung ist allerdings schon ohne die Voraussetzungen des älteren § 71 Abs. 1 AsylVfG zu berücksichtigen, denn es handelt sich um eine Erweiterung des bisherigen Flüchtlingsschutzes, die auch unabhängig von § 51 VwVfG auf Antrag eine erneute - insoweit erstmalige - Entscheidung gebietet. Eine Änderung der Rechtslage im Sinne des § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG ist nur anzunehmen, wenn sie auch den früheren Bescheid betrifft, also auf diesen zurückwirkt oder insbesondere dessen Dauerwirkung beeinflusst (vgl. Ziekow, VwVfG, RdNr. 10 zu § 51; Knack, VwVfG, 8. Aufl., RdNr. 33 zu § 51 m.w.N.). Die damaligen Entscheidungsgrundlagen werden jedoch mit der Rechtsänderung nicht in Frage gestellt, allenfalls die damalige Rechtsauffassung zum "religiösen Existenzminimum", die sich bisher aber nicht geändert hat (vgl. dazu Funke-Kaiser a.a.O., RdNr. 125 zu § 71). Wie bei den anderen Wiederaufnahmegründen nach § 51 Abs. 1 Nr. 2 und 3 VwVfG (neue Beweismittel oder Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 ZPO) geht es bei Nr. 1 um eine Korrektur der früheren Entscheidung, deren Bestandskraft durchbrochen werden soll.

Wird gleichwohl § 71 Abs. 1 AsylVfG angewendet, etwa weil die Vorschrift alle Neuanträge, also auch bei Erweiterungen des Flüchtlingsschutzes, den Wiederaufgreifensgründen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG unterwirft (vgl. zur früheren Rechtslage Keller, Rechtsfragen zum Anwendungsbereich des § 51 VwVfG, unter besonderer Berücksichtigung des Asylverfahrens, NVwZ 1985, 872 S. 876 f), so liegen diese Voraussetzungen vor. Die so verstandene Änderung der Rechtslage (§ 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG), die naturgemäß in keinem früheren Verfahren geltend gemacht werden konnte (§ 51 Abs. 2 VwVfG), wurde binnen drei Monaten, nachdem die Klägerin davon Kenntnis erhalten hat, vorgebracht (§ 51 Abs. 3 VwVfG). Diese Frist beginnt entsprechend dem Wortlaut nicht schon mit der Rechtsänderung, selbst wenn eine solche im Bundesgesetzblatt veröffentlicht ist (vgl. Urt. des erkennenden Richters vom 19.1.2007 - 11 K 13174/05 - m.w.N.), noch weniger zu einem Zeitpunkt, der sich wie hier aus einer Untätigkeit des Bundesgesetzgebers ableitet. Sie beginnt auch noch nicht zu dem Zeitpunkt, in dem ein Anwalt, der den Asylbewerber vertritt, von der Rechtsänderung Kenntnis erlangt, weil er im Asylrecht einschließlich Europarecht besonders versiert ist. Die Kenntnis des Vertreters entsprechend § 166 BGB, die hier während des Mandatsverhältnisses zu einem nicht vorgetragenen Zeitpunkt seiner Rechtserkenntnis eingetreten ist, kann bei Asylfolgeanträgen überhaupt nicht maßgebend sein (vgl. Funke-Kaiser a.a.O. RdNr. 169 zu § 71). § 71 AsylVfG geht von der Kenntnis aus, die zu einem erneuten Asylantrag führt und typischerweise vom Ausländer selbst, zudem außerhalb eines Mandatsverhältnisses, in Bezug auf seine persönliche Situation erlangt wird. Deshalb kann ihm die Kenntnis eines Vertreters auch dann nicht zugerechnet werden, wenn zufällig nur diesem während eines aus anderen Gründen bereits laufenden Folgeverfahrens der maßgebende Wiederaufgreifensgrund bekannt wird.

II. Die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG, nämlich drohende Gefahr für Leben oder Freiheit wegen Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischer Überzeugung, sind für die Klägerin festzustellen (vgl. § 31 Abs. 2 AsylVfG). Das Gericht hat sich davon überzeugt (§ 108 VwGO), dass der Klägerin nach den gesamten Umständen die Rückkehr in den Heimatstaat nicht zugemutet werden kann, weil die Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung namentlich aus religiösen Gründen beachtlich ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 5.11.1991, BVerwGE 89, 162).

Nach dem Urteil vom 26.10.2001 ist der Klägerin zu glauben, dass sie im Alter von 23 Jahren zum Christentum konvertiert ist und in Deutschland ihren Glauben praktiziert, was durch ihr weiteres Vorbringen und auch durch den psychologischen Bericht vom 21.7.2006 bestätigt wird.

Diese Umstände reichten zwar den Urteilen vom 26.10.2001 und 30.6.2003 zufolge nicht für die beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung aus, sind aber nun im Lichte des Art. 10 Abs. 1 b) Qualifikationsrichtlinie als drohende Verfolgung zu werten. Die Klägerin befand sich die ganzen Jahre im Iran zumindest in einer sog. latenten Gefährdungslage, die zusammen mit weiteren, nicht nach § 28 AsylVfG unbeachtlichen Umständen die Gefahr politischer Verfolgung auslösen kann mit der Folge, dass dann in Anwendung des sog. herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstabs schon fehlende hinreichende Sicherheit vor erneuter Verfolgung im Falle der Rückkehr für die Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG genügt (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.1.1989 und 25. 9.1984, BVerwGE 81, 170 und 70, 169 m.w.N.).

Gravierende Konsequenzen aus dem Glaubenswechsel, die über Christen allgemein treffende Benachteiligungen hinausgehen, können generell nicht ausgeschlossen werden (vgl. Auswärtiges Amt vom 14.9.2001 an VG Ansbach und Lagebericht v. 21.9.2006) und sind insbesondere zu befürchten, wenn die neue religiöse Überzeugung im Iran auch offensiv vertreten wird, etwa

- bei Verstößen gegen das Missionierungsverbot (vgl. Auswärtiges Amt vom 25.1.1999 an VG Aachen, 26.4.2000 an VG Münster, Lagebericht vom 31.3.2006 II.1.c; amnesty international vom 13.6.2000 an VG München, Deutsches Orient-Institut vom 26.2.1999 an VG Aachen, 28.6.2001 an VG Mainz, 4.11.2002 an OVG Hamburg, 27.2.2003 an VG Münster, 11.12.2003 an VG Wiesbaden und 6.12.2004 an OVG Bautzen; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Themenpapier vom 18.10.2005 Nr. 4), das sich auch gegen eine Religionsausübung im häuslich-privaten und nachbarschaftlich-kommunikativen Bereich richtet und nicht auf die Durchsetzung des öffentlichen Friedens unter verschiedenen Glaubensrichtungen beschränkt, sondern die Grenze der politischen Verfolgung überschreitet (vgl. BVerfG, Beschl. v. 1.7.1987, BVerfGE 76, 143);

- bei Angehörigen der protestantisch-armenischen Kirche oder sonst freikirchlich-protestantischer Gemeinden wie der "Church of the Assemblies of God", welche (auch) als politische, den Herrschaftsanspruch der regierenden Geistlichkeit in Frage stellende Gruppen angesehen werden und sich nicht an das Missionsverbot halten, weshalb sie auch verstärkter Beobachtung ausgesetzt sind (Deutsches Orient-Institut vom 30.7.1996 an VG Bayreuth, 26.2.1999, 11.12.2003, 22.11.2004 an BayVGH und 6.12.2004; amnesty international vom 2.2.1999 an VG Aachen und 19.6.2000 an VG Gelsenkirchen; Auswärtiges Amt vom 25.1.1999; Schweizerische Flüchtlingshilfe Nr. 3.2); beachtlich ist die Gefahr jedenfalls für diejenigen, deren Missionsarbeit auch bekannt wird (vgl. Lagebericht a.a.O.; Deutsches Orient-Institut vom 26.2.1999).

Selbst wenn dem Urteil vom 26.10.2001 zufolge die aufgedeckte Taufe der Klägerin und ihrer Kinder keine hinreichende Verfolgungsgefahr ausgelöst haben sollte, gab es bei Berücksichtigung des umfassenden Schutzes religiöser Betätigungen gute Gründe, vor der Unterdrückung des zu verheimlichenden Glaubens zu fliehen. Dass sie dies mit Rücksicht auf die Familie lange Zeit unterlassen hatte und auch weiterhin unterlassen hätte, ändert nichts an der Ausweglosigkeit ihrer Lage, die offenbar mit einer chronischen depressiven Verstimmung verbunden war. Die verdeckte Religionsausübung war für sie unzumutbar und ist es nunmehr erst recht, wie sie im Laufe der Jahre offener und intensivierter Religionsausübung in Deutschland erkannt hat. Hinzu kommt die zunehmende Unberechenbarkeit der Reaktionen staatlicher und nichtstaatlicher Akteure im Iran, der aus dem "Welt-Verfolgungs-Index" des christlichen Hilfswerks Open Doors bezüglich Repressionen gegen Christen vom fünften Rang (vgl. Lagebericht vom 31.3.2006 S. 19) auf den dritten Rang im Jahr 2006 vorgerückt sei (Internet-Bericht 01.2007).

III. Außer den Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG liegen auch die des Art. 16a Abs. 1 GG vor. Zum asylrechtlich relevanten "religiösen Existenzminimum" gehört als unverzichtbarer Kern über das sog. forum internum häuslicher Andacht hinaus jedenfalls die Möglichkeit des gemeinsamen Gebets und des Gottesdienstes in Gemeinschaft mit anderen Gläubigen nach dem überlieferten Brauchtum (BVerwG, Urt. v. 18.02.1986, BVerwGE 74, 31; vgl. ferner BVerfG, Kammerbeschl. v. 19.12.1994, a.a.O.). Auch dieses Ausmaß an offener Religionsausübung wäre der Klägerin verwehrt, schon weil sie zu Recht darauf hinweist, dass sie bereits mit ihrer und der Kinder Taufe aufgefallen ist. Deshalb könnte sie - ungeachtet der Nachricht ihrer Mutter aus dem Iran, sie habe "keine Chance" - vor asylerheblichen Repressalien allenfalls dann hinreichend sicher sein, wenn sie ihrem Glauben abschwört oder nur unter größter Zurückhaltung folgt, was ihr eben nicht zuzumuten ist.

Der daraus folgenden Verpflichtung der Beklagten zur Anerkennung der Klägerin als Asylberechtigte steht die Rechtskraft der Urteile 26.10.2001 und 30.6.2003 nicht entgegen. Die Rechtskraft eines Urteils, das die Beteiligten bindet, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist (§ 121 Nr. 1 VwGO), beschränkt sich in Asylsachen auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung bzw. der Entscheidung (§ 77 Abs. 1 AsylVfG). Sie wird hier jedenfalls durch folgende Änderung der Sach- und Rechtslage überwunden, die sich durch Neubewertung der Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung ergibt, ohne dass es auf die weitere Vorladung der Klägerin ankommt:

Die damalige Verneinung einer Verfolgungsgefahr wurde damit begründet, dass auch die Aufdeckung der Taufe keine staatlichen Maßnahmen befürchten lasse, weil die Klägerin nach außen das Leben einer moslemischen Frau geführt habe, was ihr auch künftig zuzumuten sei, und ihre religiöse Betätigung in Deutschland die iranischen Behörden nicht hinreichend provoziert habe. Daran hat sich geändert, dass die Klägerin sich nunmehr auch deshalb außerstande sieht, in gleicher Weise im Iran weiterzuleben, weil sich ihre "religiös-personale Identität" (BVerfGE 76, 143) weiterentwickelt hat, was zudem die psychischen Belastungen der heimlichen Religionsausübung verstärken würde. Spätestens dadurch hat sich die latente Gefährdungslage zur beachtlichen Wahrscheinlichkeit einer drohenden Verfolgung im Falle der Rückkehr verdichtet, was für Art. 16a Abs. 1 GG wie für den Schutz nach der Genfer Flüchtlingskonvention gleichermaßen gilt (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.10.1993, InfAuslR 1994, 119 = NVwZ 1994, 500).