VG Würzburg

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Zitieren als:
VG Würzburg, Beschluss vom 29.03.2007 - W 5 S 07.30065 - asyl.net: M10644
https://www.asyl.net/rsdb/M10644
Leitsatz:
Schlagwörter: Türkei, offensichtlich unbegründet, PKK, Kurden, Terrorismusvorbehalt, nichtpolitisches Verbrechen, Wiederholungsgefahr, politische Entwicklung, Reformen, Menschenrechtslage
Normen: AsylVfG § 36 Abs. 1; AsylVfG § 60 Abs. 3; AufenthG § 60 Abs. 1; AufenthG § 60 Abs. 8;
Auszüge:

1. Der Antrag, der sich gegen die Abschiebungsandrohung im angefochtenen Bescheid richtet (§ 36 Abs. 3 AsylVfG), ist zulässig, aber nicht begründet.

Vorliegend bestehen im Ergebnis keine ernsten Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Ablehnung des Asylbegehrens.

Die zwingende Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet ergibt sich vorliegend bereits aus § 30 Abs. 4 AsylVfG i.V.m. § 60 Abs. 8 AufenthG.

Solche schwerwiegenden Gründe liegen hier aber aus den im angefochtenen Bescheid (Seite 4 unten bis 5 Mitte) dargelegten Gründen vor; gegen die Würdigung des Bundesamtes bestehen keine ernstlichen Bedenken. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Antragsteller als führendes Mitglied der PKK, als Funktionär und leitende Person (wie er sich selbst in der Anhörung bezeichnete) "nur" Schulungsaktivitäten hatte, oder ob er sich auch militärisch als Kämpfer oder Befehlshaber von Kämpfern betätigte und dabei unmittelbar und höchstpersönlich terroristische Aktionen ausführte. Darüber hinaus liegt ein Urteil des Staatsicherheitsgerichts Malatya vom 21. Dezember 1995 vor, wonach der Antragsteller zusammen mit zwei anderen einen bewaffneten Überfall auf eine Polizeidienststelle verübte, bei dem zwei Sicherheitskräfte getötet und drei weitere verletzt wurden. Der Antragsteller war im türkischen Strafverfahren anwesend und durch einen Rechtsanwalt vertreten, das Urteil wurde in einem Berufungsverfahren und später zudem in der Überprüfungsinstanz bestätigt. Mit dem in deutscher Übersetzung vorliegenden Urteil und auch mit den detaillierten Einwänden des Antragstellers gegen das Urteil hat sich das OLG Bamberg in seinem Auslieferungshaft-Beschluss vom 11. Juli 2006 ausführlich befasst und kam zum Ergebnis, dass keine konkreten Tatsachen vorlägen für die Annahme, das türkische Gericht habe den Strafvorwurf im Urteil manipuliert oder in dem Strafverfahren selbst seien elementare rechtsstaatliche Verfahrensgrundsätze missachtet worden. Aus diesem Grund hat das OLG Bamberg auch eine eigene Schuldverdachtsprüfung nicht vorgenommen. Die Einwände der Bevollmächtigten im Antrag vom 6. März 2007 (Abschnitt VI) reichen angesichts dieser Umstände nicht aus, um dem türkischen Strafurteil untere Berücksichtigung des eigenen Vortrag des Antragstellers das Gewicht eines "schwerwiegenden Grundes" i.S.d. § 60 Abs. 8 Satz 2 AufenthG zu nehmen, der die Annahme rechtfertigt, der Antragsteller habe ein schweres nichtpolitisches Verbrechen außerhalb Deutschlands verübt.

Der erkennende Einzelrichter teilt auch die Ansicht des Bundesamtes, dass § 60 Abs. 8 Satz 2 AufenthG im Gegensatz zu Satz 1 der Vorschrift keine Wiederholungsgefahr verlangt. Dafür spricht schon der Wortlaut des § 60 Abs. 8 AufenthG, der eben (nur) in Satz 1 auf eine - zwangsläufig zukunftsbezogene - Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik abstellt, während Satz 2 ausschließlich Vorgänge in der Vergangenheit in den Blick nimmt (a.A. VG Würzburg, U.v. 22. 11.2005, W 4 K 05.30390; relativierend allerdings im neueren Urteil vom 14.06.2006, W 4 K 05.30543). Es kommt deshalb nicht darauf an, dass sich der Antragsteller nach eigenem Bekunden von der PKK losgesagt hat. Das Gleiche gilt auch für die Voraussetzungen des § 60 Abs. 8 Satz 2 3. Alternative (Handlungen, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwider laufen), die im angefochtenen Bescheid zutreffend dargelegt sind.

Die Entscheidung des Bundesamtes über Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG hat - wie oben dargelegt - keinen Einfluss auf die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung und ist deshalb nicht Gegenstand der gerichtlichen Prüfung nach § 36 Abs. 4 AsylVfG. Allerdings ist anzumerken, dass auch insoweit gegen die Beurteilung des Bundesamtes keine durchgreifenden Rechtmäßigkeitsbedenken vorgebracht wurden. Die vom Antragsteller - behauptete - Folter liegt mittlerweile etwa 13 Jahre zurück und ereignete sich in einer Militärbasis vor seiner Verurteilung. Seither haben sich die Verhältnisse in der Türkei bezüglich der Menschenrechtslage deutlich verbessert, auch wenn sie immer noch unbefriedigend sind.