VGH Bayern

Merkliste
Zitieren als:
VGH Bayern, Beschluss vom 28.03.2007 - 13a B 07.30002 - asyl.net: M10652
https://www.asyl.net/rsdb/M10652
Leitsatz:
Schlagwörter: Irak, Widerruf, Flüchtlingsanerkennung, Änderung der Sachlage, Machtwechsel, Baath, Antragstellung als Asylgrund, Sicherheitslage, Kriminalität, Geheimdienst, Abschiebungshindernis, zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse, allgemeine Gefahr, Abschiebungsstopp, Erlasslage, Anerkennungsrichtlinie, ernsthafter Schaden, bewaffneter Konflikt, interner Schutz
Normen: AsylVfG § 73 Abs. 1; AufenthG § 60 Abs. 1; AufenthG § 60 Abs. 7; RL 2004/83/EG Art. 15 Bst. c; RL 2004/83/EG Art. 8
Auszüge:

Der Widerruf der Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG hinsichtlich des Iraks findet seine Rechtsgrundlage in § 73 Abs. 1 AsylVfG.

Zunächst ist festzuhalten, dass für die Klägerin im Gegensatz zum Zeitpunkt der Einreise in das Bundesgebiet und der Asylantragstellung im Jahre 1999 nicht mehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr besteht, im Irak wegen der Asylantragstellung im westlichen Ausland und/oder illegaler Ausreise mit hinreichender Wahrscheinlichkeit politischen Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt zu sein.

Wie den allgemein zugänglichen Medien und den zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Erkenntnisquellen zu entnehmen ist, hat das frühere Regime Saddam Husseins durch die am 20. März 2003 begonnene Militäraktion unter Führung der USA seine politische und militärische Herrschaft über den Irak endgültig verloren.

Der Klägerin droht auch keine abschiebungsschutzrelevante Rückkehrgefährdung durch die vorgetragenen Schwierigkeiten der Familie mit dem Nachrichtendienst. Der Nachrichtendienst ist ebenso wie der Sicherheitsdienst unter dem Regime Saddam Husseins nicht mehr existent.

Ein Anspruch auf die Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist nicht gegeben. Die Klägerin wäre im Fall ihrer Rückkehr in den Irak keiner individuellen erheblichen konkreten Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit ausgesetzt. Ihr Vorbringen lässt nicht auf Bestehen einer solchen Gefahrenlage schließen. Insoweit kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden.

Soweit sich die Klägerin auf die allgemeine Situation im Irak beruft, zu der auch die Gefahr zu rechnen ist, als Rückkehrerin aus dem Ausland das Opfer von kriminellen Übergriffen zu werden, vermag dies die Zuerkennung von Abschiebungsschutz ebenfalls nicht zu rechtfertigen. Das Bayerische Staatsministerium des Innern hat im Erlasswege mit Rundschreiben vom 18. Dezember 2003 (Az. IA22084.2013) die Abschiebung irakischer Staatsangehöriger ausgesetzt und verfügt, dass auslaufende Duldungen bis auf weiteres um sechs Monate verlängert werden.

Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf die Gewährung internationalen subsidiären Schutzes nach Art. 15 Buchst. c der Richtlinie. Danach ist von der Abschiebung eines Ausländers in einen Staat abzusehen, wenn er dort als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts ausgesetzt ist. Die hierfür zumindest erforderliche Konfliktsituation von gewisser Dauer und Intensität, die wohl einer Bürgerkriegssituation vergleichbar sein müsste (siehe hierzu Hinweise des Bundesministeriums des Innern zur Anwendung der Richtlinie 2004/83/EG vom 13.10.2006, S. 16; Hollmann, Asylmagazin 2006/11), liegt nach Auffassung des Gerichts jedenfalls nicht vor. Aus den in das Verfahren eingeführten Erkenntnismaterialen ist nicht ableitbar, dass im Irak landesweit eine Bürgerkriegssituation gegeben wäre (vgl. zuletzt Lagebericht vom 11.1.2007, S. 15 f.). Selbst wenn davon ausgegangen würde, dass in Bagdad und anderen Städten, vor allem im zentralirakischen sog. "sunnitischen Dreieck", zumindest bürgerkriegsähnliche Zustände herrschen, könnte dies nicht zu einem durch die unmittelbare Anwendung von Art. 18 i. V. m. Art. 15 Buchst. c der Richtlinie vermittelten Schutzanspruch führen, da ein innerirakisches Ausweichen in andere Landesteile möglich erscheint und damit interner Schutz im Sinn von Art. 8 der Richtlinie gewährleistet ist (siehe hierzu Lagebericht vom 11.1.2007 a.a.O.). Hiervon abgesehen steht wohl auch die bei allgemeinen mit einem bewaffneten Konflikt in Zusammenhang stehenden Gefahren vergleichbaren Schutz bietende oben dargestellte Erlasslage der Gewährung richtliniengemäßen subsidiären Flüchtlingsschutzes entgegen (siehe hierzu Erwägungsgrund 26 der Richtlinie).