VGH Bayern

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Zitieren als:
VGH Bayern, Beschluss vom 15.03.2007 - 19 ZB 06.3197 - asyl.net: M10714
https://www.asyl.net/rsdb/M10714
Leitsatz:

Eine besondere Härte gem. § 31 Abs. 2 S. 2 AufenthG liegt regelmäßig nicht vor, wenn nicht der nachgezogene Ehegatte, sondern der Stammberechtigte die eheliche Lebensgemeinschaft beendet hat.

 

Schlagwörter: D (A), Ehegattennachzug, eigenständiges Aufenthaltsrecht, besondere Härte
Normen: AufenthG § 31 Abs. 2 S. 2
Auszüge:

Eine besondere Härte gem. § 31 Abs. 2 S. 2 AufenthG liegt regelmäßig nicht vor, wenn nicht der nachgezogene Ehegatte, sondern der Stammberechtigte die eheliche Lebensgemeinschaft beendet hat.

(Leitsatz der Redaktion)

 

1.1 Die von den Klägern (Kl.) als grundsätzlich bedeutsam aufgeworfene Rechtsfrage, ob eine besondere Härte im Sinne des § 31 Abs. 2 Satz 2, 2. Alt. AufenthG erst bzw. nur dann vorliegt, wenn der sich auf das eigenständige Aufenthaltsrecht berufende nachgezogene Ausländer und nicht der andere Ehegatte die Lebensgemeinschaft beendet hat, bedarf keiner (weiteren) Klärung in einem Berufungsverfahren, vielmehr beantwortet sie sich unmittelbar aus dem Normzweck und ist in der Rechtsprechung - auch des Verwaltungsgerichtshofs - grundsätzlich geklärt.

§ 31 Abs. 2 Satz 2, 2. Alt. AufenthG soll erkennbar demjenigen nachgezogenen Ehegatten, der kein eigenständiges Aufenthaltsrecht aufgrund mindestens 2-jähriger Dauer der ehelichen Lebensgemeinschaft in der Bundesrepublik erlangt hat, dann gleichwohl ein solches Aufenthaltsrecht ermöglichen, wenn ihm eine Fortführung der ehelichen Lebensgemeinschaft wegen Beeinträchtigung schutzwürdiger Belange nicht mehr zumutbar ist. Damit soll der ausländische Ehegatte nicht wegen der Gefahr der Beendigung seines akzessorischen Aufenthaltsrechts auf Gedeih und Verderb zur Fortsetzung einer nicht tragbaren Lebensgemeinschaft gezwungen werden (so zur gleichlautenden Vorgängerbestimmung des § 19 Abs. 1 Satz 2 AuslG: BT-Drs. 14/1902, S. 5). Mithin liegen grundsätzlich die Voraussetzungen des § 31 Abs. 2 Satz 2, 2. Alt. AufenthG nur vor, wenn der nachgezogene Ehegatte, der sich zur Begründung eines eigenständigen Aufenthaltsrechts auf eine besondere Härte beruft, wegen der Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Belange die eheliche Lebensgemeinschaft auch tatsächlich beendet hat. Ist dagegen - wie hier vom Verwaltungsgericht aufgrund umfangreicher Beweisaufnahme festgestellt und von den Kl. im Antragsverfahren nicht substantiiert in Frage gestellt - die eheliche Lebensgemeinschaft durch den Ehepartner des nachgezogenen Ausländers aufgelöst worden, besteht kein Grund, davon auszugehen, dass dem nachgezogenen Ausländer das weitere Festhalten an der ehelichen Lebensgemeinschaft unzumutbar war. Vielmehr zeigt er durch sein gegenteiliges Verhalten - hier das Festhalten an der ehelichen Lebensgemeinschaft, die zwischen der Kl. zu 1 und ihrem Ehemann bereits von 1973 bis 1991 und erneut von 2000 bis 2004 bestand und aus der acht Kinder hervorgingen -, dass er die Fortführung der ehelichen Lebensgemeinschaft selbst nicht als unzumutbar empfunden hat. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es sich bei den Beziehungen in einer Ehe um einen Bereich handelt, der nicht nach rechtlichen Regeln beurteilt werden kann. Das weitere Festhalten an einer Ehe trotz ehewidrigen Verhaltens des Ehegatten ist eine persönliche Entscheidung des beteiligten Ehegatten, die sich einer objektiven Würdigung entzieht. Eine retrospektive Betrachtung mit dem Ergebnis, dass eigentlich die Fortführung der ehelichen Lebensgemeinschaft für den Betroffenen objektiv unzumutbar gewesen sei, obwohl er sie weitergeführt hat, ist für die Bejahung des Tatbestandes des § 31 Abs. 2 Satz 2, 2. Alt. AufenthG deshalb nicht ausreichend.

Diese Rechtsauffassung teilt der - vom Verwaltungsgericht zitierte - Hessische Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 10. Oktober 2005 Az. 9 TG 2403/05 und auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat im Beschluss vom 14. Juni 2005 Az. 24 ZB 05.224 (zur gleichlautenden Vorgängerbestimmung des § 19 Abs. 1 Satz 2 AuslG) bereits in diesem Sinne entschieden, wie auch der entscheidende Senat in seinem Beschlüssen vom 10. Januar 2007 - 19 CS 06.2819 und vom 26. Februar 2007 - 19 CS 07.13 jeweils zum geltenden § 31 Abs. 2 Satz 2, 2. Alt. AufenthG.

Die von den Kl. zitierte Rechtsprechung führt zu keinem anderen Ergebnis.

Die vom Verwaltungsgericht Neustadt a. d. Weinstraße im Beschluss vom 5. Juli 2001 - Az. 8 L 906/01.MB propagierte objektivierte Betrachtungsweise widerspricht bereits dem oben dargelegten Normzweck.

Die beiden obergerichtlichen Entscheidungen betrafen jeweils atypische Einzelfälle und sind auf den vorliegenden Sachverhalt nicht anwendbar: Im Entscheid des OVG NRW vom 30. März 2005 - Az. 18 B 633/05 wird ausdrücklich auf die besonderen Umstände im Zusammenhang mit der Beendigung der ehelichen Lebensgemeinschaft abgestellt.

Im Beschluss des VGH BaWü vom 28. Februar 2003 - Az. 13 S 2798/02 (zur gleichlautenden vorangegangenen Regelung des § 19 Abs. 1 Satz 2 AuslG) ist grundsätzlicher Ausgangspunkt, dass die Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft vom nachgezogenen Ehegatten auszugehen hat; allerdings sei in dem dortigen speziellen Fall die Antragstellerin aufgrund eines vorausgehenden Psychoterrors seitens ihres Ehemannes nicht mehr zu einer freien Willensbildung fähig gewesen, so dass sie zu einer Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft selbst nicht mehr in der Lage war. Auch eine derartige Fallgestaltung macht die Kl. zu 1 nicht geltend, vielmehr zeigt ihr Vortrag im Klageverfahren, dass sie zu einer vielgestaltigen selbstständigen Willensbetätigung durchaus fähig war.