VG Karlsruhe

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Zitieren als:
VG Karlsruhe, Urteil vom 14.03.2007 - 10 K 1973/05 - asyl.net: M10723
https://www.asyl.net/rsdb/M10723
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), BAföG, Auslandsstudium, weitere Ausbildung, Russland, Russen, Diplomjuristen
Normen: BAföG § 7 Abs. 2 S. 2; BAföG § 7 Abs. 1 S. 2
Auszüge:

Die Klage ist zulässig und begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Bewilligung von Ausbildungsförderung in gesetzlicher Höhe; die ablehnenden Bescheide des Beklagten waren daher aufzuheben (§ 113 Abs. 5 S. 1 VwGO).

Die Klägerin erfüllt unstrittig die persönlichen Voraussetzungen für die Leistung von Ausbildungsförderung, weil sie ihren ständigen Wohnsitz im Inland hat und Ehegattin eines Deutschen im Sinne des Grundgesetzes ist (§ 8 Nr. 7 BAföG). Ihr rechtswissenschaftliches Studium an der Universität Heidelberg ist auch eine förderfähige Ausbildung nach § 7 Abs. 2 S. 2 BAföG.

Das juristische Studium der Klägerin an der Universität Heidelberg ist die erste "weitere Ausbildung" im Sinne des § 7 Abs. 2 BAföG, weil § 7 Abs. 1 S. 2 BAföG auf die Klägerin nicht anwendbar ist. Die Klägerin hatte mit dem juristischen Studium in der Russischen Förderation ungeachtet seiner sechsjährigen Dauer ihren Grundanspruch auf Ausbildungsförderung nach § 7 Abs. 1 S. 1 BAföG noch nicht ausgeschöpft, weil das in Russland erworbene Diplom kein berufsqualifizierender Abschluss für das angestrebte Ausbildungsziel ist. Allerdings ist nach § 7 Abs. 1 S. 2 BaföG ein Ausbildungsabschluss auch dann berufsqualifizierend, wenn er im Ausland erworben wurde und dort zur Berufsausübung befähigt. Nach dem Wortlaut der Vorschrift wäre das in Russland zu einem juristischen Beruf berechtigende Diplom der Universität ... daher einem berufsqualifizierenden Abschluss für Deutschland gleichzustellen gewesen, so dass die Klägerin eine erste Förderung nach § 7 Abs. 1 S. 1 BAföG nicht mehr hätte beanspruchen können. Die Vorschrift ist jedoch nach Sinn und Zweck und Entstehungsgeschichte so auszulegen, dass sie nur berufsqualifizierende Ausbildungsabschlüsse im Ausland erfasst, für die der Studierende sich aufgrund einer freien Wahl zwischen der Ausbildung in Deutschland und der im Ausland entscheiden konnte. Der Gesetzgeber hat die Vorschrift als Reaktion auf die bis dahin geltende Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eingefügt, wonach eine im Ausland durchlaufende Ausbildung nur dann als erste Ausbildung im Sinne des § 7 Abs. 1 BAföG beachtlich war, wenn der erworbene Abschluss auch zur Aufnahme einer entsprechenden Berufstätigkeit im Bundesgebiet befähigte. Hierbei hatte man allerdings in erster Linie deutsche Staatsangehörige im Blick, die - wenn sie sich freiwillig für eine Ausbildung im Ausland entschieden hatten - nicht in den Genuss von Ausbildungsförderung für eine weitere Ausbildung im Inland kommen sollten. § 7 Abs. 1 S. 2 BAföG gilt jedoch auch für Ausländer (vgl. OVG Münster, FamRZ 2001, 1331; Rothe/Blanke, BAföG, 5. Aufl., § 7 Rdnr. 13). Mit Blick auf diese Gesetzesänderung hat das Bundesverwaltungsgericht im Falle eines Vertriebenen die Regelung des § 7 Abs. 1 S. 2 BAföG einschränkend dahingehend ausgelegt, dass sie nur diejenigen Auszubildenden betrifft, die sich bei offener Möglichkeit einer Ausbildung im Inland für eine Ausbildung im Ausland entschieden haben (BVerwG, Urt. v. 31.10.1996 - 5 C 21/95 -, BVerwGE 102, 200 = FamRZ 1997, 847, juris). Sinn und Zweck der Gesetzesänderung war es, Auszubildende, die sich bei freierWahlmöglichkeit für eine berufsbildende Ausbildung im Ausland entschieden haben, nicht günstiger zu stellen als im Fall einer Ausbildung im Inland. Dagegen beabsichtigte der Gesetzgeber nicht, Auszubildende von der Ausbildungsförderung auszuschließen, die eine solche freiwillige Entscheidung für eine Ausbildung im Ausland nicht treffen konnten. An einer offenen Möglichkeit in diesem Sinne fehlt es aber außer bei den Vertriebenen, die den Anlass für die Entwicklung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gegeben haben, und den in Tz. 7.2.22 BAföGVwV genannten weiteren Personengruppen wie etwa Heimatlose, Spätaussiedler, Vertriebene oder Asylberechtigte regelmäßig auch bei ausländischen Ehegatten Deutscher, die noch vor ihrer Eheschließung ihre Ausbildung im Ausland abgeschlossen haben. Sie haben mit den oben genannten Personengruppen gemeinsam, dass ihnen der Verbleib in ihrem bisherigen Heimatland nicht zugemutet wird und sie deshalb ihren berufsqualifizierenden Abschluss dort nicht nutzen können (ebenso VG Hamburg, Urt. v. 15.12.2006 - 8 K 3047/05 -; VG Braunschweig, Urt. v. 18.12.2003 - 5 A 209/03 -; jeweils juris; Ramsauer/Stallbaum/Sternal, BAföG, 4. Aufl., § 7 Rdnr. 15; ähnlich Rothe/Blanke, Bundesausbildungsförderungsgesetz, 5. Aufl., § 7 Rdnr. 13 für eingebürgerte Deutsche; OVG Hamburg, InfAuslR 1994, 67 für Asylberechtigte).

Vorliegend kommt es daher darauf an, ob die Klägerin die Möglichkeit gehabt hätte, in der Zeit von 1995 bis 2001 statt in Russland in Deutschland zu studieren; in diesem Fall fiele die von ihr in Russland berufsqualifizierend abgeschlossene Ausbildung unter § 7 Abs. 1 S. 2 BAföG. Es ist aber nicht ersichtlich und wird vom Beklagten auch nicht vorgetragen, dass der Klägerin tatsächlich die Möglichkeit offen stand, als russische Staatsangehörige in diesem Zeitraum nach Deutschland einzureisen und hier zu studieren.

Allerdings ist ihr Abschluss "LLM Magister legum" entgegen ihrer Auffassung ein berufsqualifizierender Abschluss im Sinne des Ausbildungsförderungsgesetzes, auch wenn er nicht zur Ausübung der gesetzlich geregelten juristischen Berufe befähigt. Zwar ist nach Tz. 7.1.7 BAföGVwV eine Ausbildung berufsqualifizierend nur dann abgeschlossen, wenn eine Prüfung bestanden ist, die durch Rechtsvorschriften des Staates als Zugangsvoraussetzungen für einen Beruf vorgesehen ist. Ist eine derartige Prüfung nicht Zugangsvoraussetzung zu einem Beruf oder überhaupt nicht vorgesehen, so gilt die Ausbildung mit der tatsächlichen planmäßigen Beendigung als berufsqualifizierend abgeschlossen. So liegt es hier. Die Magisterprüfung stellt die planmäßige Beendigung des Aufbaustudiums dar und befähigt in Deutschland - wie der Beklagte zutreffend ausgeführt hat - zur Ausübung einer Vielzahl von gesetzlich nicht reglementierten Berufen, die Rechtskenntnisse voraussetzen.

Handelt es sich bei dem jetzigen Studium der Klägerin somit um die erste "weitere Ausbildung", besteht ein Anspruch auf Ausbildungsförderung nach § 7 Abs. 2 BAföG unter den dort genannten Voraussetzungen. Da das juristische Studium der Klägerin weder eine ergänzende Ausbildung im Sinne des § 7 Abs. 2 Satz 1Nr. 2 BAföG noch eine weiterführende Ausbildung im Sinne des § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BAföG ist und § 7 Abs. 2 Satz 1 Ziffern 4 und 5 nicht einschlägig sind, kommt nur ein Förderungsanspruch nach § 7 Abs. 2 Satz 2 BAföG in Betracht. Danach wird Ausbildungsförderung für eine einzige weitere Ausbildung nur geleistet, wenn die besonderen Umstände des Einzelfalles, insbesondere das angestrebte Ausbildungsziel, dies erfordern. Besondere Umstände des Einzelfalles liegen regelmäßig vor, wenn sich ein Auszubildender eine im Ausland bereits berufsqualifizierend abgeschlossene Ausbildung nicht mehr zu Nutze machen kann (Ramsauer/Stallbaum/Sternal, a. a.O. § 7 Rdnr. 43; BVerwGE 55, 325, 336). So liegt es hier. Das von der Klägerin abgelegte Diplom kann für den angestrebten juristischen Beruf nicht genutzt werden.