OLG Naumburg

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Zitieren als:
OLG Naumburg, Beschluss vom 18.10.2006 - 2 Ss 294/06 - asyl.net: M10792
https://www.asyl.net/rsdb/M10792
Leitsatz:

Keine mittelbare Falschbeurkundung wegen Falschangaben in Duldung oder Bescheinigung der Aufenthaltsgestattung, wenn sie den Zusatz enthalten, dass die Eintragungen auf den Angaben des Ausländers beruhen

Schlagwörter: D (A), Strafrecht, mittelbare Falschbeurkundung, Duldung, Aufenthaltsgestattung, Falschangaben, Asylverfahren, Strafzumessung
Normen: StGB § 271 Abs. 1
Auszüge:

Keine mittelbare Falschbeurkundung wegen Falschangaben in Duldung oder Bescheinigung der Aufenthaltsgestattung, wenn sie den Zusatz enthalten, dass die Eintragungen auf den Angaben des Ausländers beruhen

(Leitsatz der Redaktion)

Die Strafrichterin des Amtsgerichts Wittenberg hat den Angeklagten am 12. September 2005 wegen mittelbarer Falschbeurkundung zu einer Geldstrafe von einhundert Tagessätzen zu je 5 EUR verurteilt.

Die Revision ist zulässig (§§ 333, 341 Abs. 1, 344 f. StPO) und bereits mit der Sachrüge begründet (§§ 337 Abs. 1 und 2, 353 Abs. 1 und 2, 354 Abs. 2 StPO).

Die Strafzumessungserwägungen des Landgerichts begegnen durchgreifenden Bedenken. Straferschwerend hat es vor allem gewertet, dass der Angeklagte "mit Hilfe der Angabe falscher Personalien seine Identität gegenüber der Ausländerbehörde über einen nicht unerheblichen Zeitraum von fast zwei Jahren verschleiert" habe, "um hierdurch seinen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland weiter zu ermöglichen." Falsche Angaben mit dem Ziel, auf das Asylverfahren einzuwirken, sind indes nicht strafbar und lassen nicht ohne weiteres auf eine rechtsfeindliche Gesinnung, auf erhebliche kriminelle Energie oder ein gesteigertes Maß an Pflichtwidrigkeit schließen.

Zum weiteren Verfahren merkt der Senat an:

Die Wirksamkeit der Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch begegnet Bedenken. Die Beschränkung einer Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch ist zwar grundsätzlich möglich, setzt aber voraus, dass die Schuldfeststellungen des Amtsgerichts eine ausreichende Grundlage für die Strafzumessung bilden. Hieran fehlt es. Zur Erfüllung des objektiven Tatbestandes des § 271 Abs. 1 StGB muß der Täter bewirken, dass Erklärungen, Verhandlungen oder Tatsachen, welche für Rechte oder Rechtsverhältnisse von Erheblichkeit sind, in öffentlichen Urkunden, Büchern, Dateien oder Registern als abgegeben oder geschehen beurkundet oder gespeichert werden, während sie überhaupt nicht oder in anderer Weise oder von einer Person in einer ihr nicht zustehenden Eigenschaft oder von einer anderen Person abgegeben oder geschehen sind. Soweit eine öffentliche Urkunde errichtet wurde, sind allerdings nicht in jedem Falle sämtliche dort erwähnten Erklärungen oder Tatsachen vom Schutzbereich des § 271 Abs. 1 StGB umfasst. Entscheidend ist, ob gerade auch die inhaltlich falsch aufgezeichneten Umstände nach der Verkehrsanschauung unter Berücksichtigung des der Beurkundung zugrunde liegenden Gesetzes von der erhöhten Beweiswirkung erfaßt sind (BGHSt 22, 201; 26, 9). Dies setzt voraus, dass die fragliche Tatsache mit der Urkunde gegenüber jedermann bewiesen werden kann (BayObLG NJW 1990, 655).

Im Dezember 2002 galt für die Ausstellung der Bescheinigung über die Aufenthaltsgestattung § 63 AsylVfG in der Fassung des Gesetzes vom 9. Januar 2002 (BGBl. 1 S. 361), der in Absatz 5 über § 56 a AuslG auf § 39 Abs. 1 AuslG, jeweils in der seit dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung verweist. § 39 Abs. 1 Nr. 10 AuslG sieht einen Hinweis darauf vor, dass die Personalangaben nur auf den eigenen Angaben des Ausländers beruhen. Das - allerdings erst im BGBl. 12004 S. 3023 vom 2. Dezember 2004 veröffentlichte - Vordruckmuster einer "Aufenthaltsgestattung zur Durchführung des Asylverfahrens" enthält diesen Hinweis mit folgendem Text: "Die Angaben zur Person beruhen auf den eigenen Angaben der Inhaberin/des Inhabers. Ein Identifikationsnachweis durch Originaldokumente wurde nicht erbracht." Geht aber durch einen solchen Hinweis aus der Urkunde selbst hervor, dass dort aufgenommene Daten allein auf nicht nachgewiesenen Angaben des antragstellenden Inhabers beruhen, genießen sie keinen öffentlichen Glauben. Für sie wird die erhöhte Beweiswirkung, die einer öffentlichen Urkunde zukommt, gerade nicht beansprucht. Dem steht nicht entgegen, dass die Bescheinigung über die Aufenthaltsgestattung nach § 63 AsylVfG in der seit dem 1. Juli 1993 geltenden und von der am 1. Januar 2002 in Kraft getretenen Regelung abgelösten Fassung als öffentliche Urkunde auch über die darin vermerkten Personalien des Asylbewerbers angesehen wurde (BGHSt 42, 131 ff). Ein dem § 39 Abs. 1 Nr. 10 AuslG entsprechender Hinweis in der Bescheinigung war seinerzeit nicht vorgesehen. Im Falle Anbringung eines solchen Hinweises erbringt die Urkunde jedoch nur Beweis dafür, dass der auf dem anzuheftenden Lichtbild dargestellten, unter dem genannten Namen, Alter und Herkunftsort auftretenden Person der Aufenthalt zur Durchführung des Asylverfahrens gestattet ist. Mit ihr kann der Inhaber hingegen nicht beweisen, dass die der Einschränkung unterliegenden Personalien tatsächlich zutreffen, weil die ausstellende Behörde mit dem Hinweis ausdrücklich hervorhebt, dass sie gerade keine Gewähr für die Richtigkeit dieser Angaben übernimmt.