VG Halle

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Zitieren als:
VG Halle, Urteil vom 28.06.2007 - 1 A 176/05 HAL - asyl.net: M10801
https://www.asyl.net/rsdb/M10801
Leitsatz:

Zur Berechnung der Kosten der Abschiebungshaft.

 

Schlagwörter: D (A), Kosten, Kostenrecht, Abschiebungskosten, Abschiebungshaft, Höhe, Haftkostenbeitrag, Flugkosten, Stornierungskosten, amtliche Begleitung
Normen: AufenthG § 66 Abs. 1; AufenthG § 67 Abs. 1 Nr. 1; AufenthG § 67 Abs. 1 Nr. 2; AufenthG § 67 Abs. 1 Nr. 3; StVollzG § 50
Auszüge:

Zur Berechnung der Kosten der Abschiebungshaft.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Die zulässige Klage ist nur zum Teil begründet.

Rechtlicher Anknüpfungspunkt ist § 66 Abs. 1 AufenthG, das hier zugrunde zu legen ist, da die Widerspruchsbehörde nach dem Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes am 1. Januar 2005 entschieden hat. Hiernach hat der Ausländer die Kosten, die durch die Abschiebung entstehen, zu tragen. Der Umfang der Kostentragungspflicht ergibt sich aus § 67 AufenthG.

Rechtlich nicht zu beanstanden sind gem. § 67 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG auch die von der Behörde in Ansatz gebrachten Flugkosten in Höhe von 310,69 EUR. Der Kläger ist aber auch zur Erstattung der vor der erfolgreichen Abschiebung entstandenen Kosten im Hinblick auf den gescheiterten Abschiebungsversuch verpflichtet. Diesem Abschiebeversuch ist tatsächlich eine Abschiebung nachgefolgt und die abgerechnete Maßnahme hat auch einer Abschiebung - wenn auch nicht der später konkret erfolgten - gedient. Daher können auch die Stornierungskosten für den für den 3. Juni 2003 vorgesehenen Flug verlangt werden, weil der Kläger diese zu vertreten hat. Auch solche Kosten werden von dem Kostenerstattungsanspruch nach dem Aufenthaltsgesetz mitumfasst (vgl. hierzu VG Karlsruhe, Urteil vom 27. Januar 2004 - 10 K 4422102 -, Juris; s. auch OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 27. Juli 2006 - 7 A 11671/05 -, Juris). Anders ist die rechtliche Beurteilung im Hinblick auf die Reisekosten für die amtliche Begleitung während des Fluges. Deren Erstattungsfähigkeit bestimmt sich nach § 67 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG, wonach sämtliche durch eine erforderliche amtliche Begleitung des Ausländers entstehenden Kosten einschließlich der Personalkosten mit erfasst werden. Diese Kosten hat der Kläger aber nur dann zu ersetzen, wenn die Begleitung erforderlich war. Eine amtliche Begleitung kann erforderlich sein zur Gefahrenabwehr, wobei sowohl eine Fremdgefährdung als auch eine Selbstgefährdung in Betracht zu ziehen sind. Bei der Fremdgefährdung kommen Gefahren sowohl für andere Passagiere, die Besatzung des Flugzeugs, die Begleitpersonen wie auch für das Flugzeug selbst und damit die Sicherheit des Flugverkehrs in Betracht. Für die Frage, ob bei der Abschiebung eines Ausländers eine amtliche Begleitung erforderlich ist, kommt es in allererster Linie auf die Einstellung des Abzuschiebenden zu seiner Verbringung in sein Heimatland an. Das Maß der Gefahr steigt in dem Umfang, in dem mit Widerstand des Abzuschiebenden zu rechnen sein wird. Anhaltspunkte dafür lassen sich der Einstellung entnehmen, die der Ausländer während des Verwaltungsverfahrens um seine Ausweisung und Abschiebungsandrohung gezeigt hat. Soweit mit Widerstand gerechnet werden muss, ist einzustellen, in welcher Weise und mit welcher Intensität der Ausländer bisher Gewaltbereitschaft gezeigt hat. In diesem Zusammenhang sind auch die von ihm begangenen Straftaten und die Tatausführung von besonderer Bedeutung (vgl. zum Ganzen VG Darmstadt, Urteil vom 18. Januar 2006 - 8 E 1402/05 -, Juris). Hiernach liegen für die Notwendigkeit einer amtlichen Begleitung keinerlei Anhaltspunkte vor.

Der Kläger hat sich hier in keiner Weise gegen seine Abschiebung gewehrt. Auch aus dem gegen ihn laufenden Ermittlungsverfahren ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass er sich (mit Gewalt) gegen eine Ausreise zur Wehr setzen würde.

Der Kläger hat zwar grundsätzlich die Kosten der der Abschiebung vorausgegangenen Abschiebehaft zu tragen (§ 67 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG). Die Heranziehung zu den Kosten der Abschiebehaft setzt zwar die Rechtmäßigkeit von deren Anordnung und Fortdauer voraus (§ 14 Abs. 2 Satz 1 VwKostG). Hieran bestehen aber keine Bedenken und sind vom Kläger auch nicht geltend gemacht. Die Dauer der Haft ergibt sich aus dem Vermerk der JVA Leipzig vom 29. August 2003, aus dem sich gleichfalls die Höhe der für jeden Hafttag angesetzten Kosten ergibt. Insoweit als der Kläger sich hiergegen mit der Begründung wendet, diese seien überzogen, weil die tatsächlich berechneten Haftkosten von 79,89 EUR pro Tag zu hoch angesetzt seien, weil der Haftkostenansatz für die Fälle der Abschiebehaft nicht sachgerecht ermittelt worden sei, ist dem zu folgen. Der Beklagte kann nur u. a. die tatsächlichen Kosten der Abschiebehaft beanspruchen und nicht die (höheren) tatsächlichen Kosten für Strafgefangene im Justizvollzug. Im Strafvollzug fallen auch Kosten an, welche die Abschiebehäftlinge nicht betreffen, z. B. Maßnahmen zur Resozialisierung; sozialtherapeutische Betreuung von Sexualstraftätern etc. Derartige Maßnahmen sind für den Vollzug der Abschiebehaft nicht erforderlich, die durch sie verursachten Kosten auszuscheiden (BVerwG, Urteil vom 14. Juni 2005 -1 C 15/04 -, Juris). Der Beklagte hat seinen angefochtenen Leistungsbescheiden eine entsprechend gesonderte Berechnung der Haftkosten für Abschiebehäftlinge aber nicht zugrunde gelegt. Ausweislich der dem Gericht vorgelegten Verwaltungsvorgänge basiert der Bescheid zwar auf der korrigierten Berechnung der JVA Leipzig vom 25. Juni 2007, der die Mitteilung des Sächsischen Staatsministeriums der Justiz vom 14. April 2004 zugrunde liegt. Aber auch diese hat die nach der Rechtssprechung des Bundesverwaltungsgerichts erforderliche Differenzierung nicht vorgenommen und auch nicht mitgeteilt, woraus sich der Tageshaftkostenansatz ergeben soll, so dass davon auszugehen ist, dass offensichtlich lediglich der pauschal ermittelten allgemeine Haftkostenbetrag berechnet worden ist. Insoweit ist in keiner Weise erkennbar, dass hierbei die allgemeinen Kosten für Strafgefangene bereits herausgerechnet worden sind. Damit sind die geltend gemachten Haftkosten tatsächlich in der berechneten Höhe nicht belegt. Der Bescheid kann insoweit auch nicht zum Teil in Höhe des Umfanges der Kosten aufrechterhalten werden, da die Kammer keinerlei Anhaltspunkte hat, welche Kosten anzurechnen wären (vgl. allgemein zur Zulässigkeit der pauschalen Begrenzung OVG Lüneburg, Urteil vom 22. Februar 2007 - 11 B 307/05 -, Juris). Der Kammer ist es auch verwehrt, den Bescheid im Hinblick auf die Kosten der Abschiebehaft zumindest in Höhe des Haftkostenbeitrages für die tatsächlich in der Abschiebehaft verbrachten 18 Tage aufrechtzuerhalten. Die Anwendung von § 50 StVollzG ist bereits deswegen ausgeschlossen, weil Abschiebungshäftlinge die von dieser Vorschrift verlangten Voraussetzungen für die Geltendmachung typischerweise nicht erfüllen, so dass es ausgeschlossen ist, den Haftkostenbeitrag zu erheben (BVerwG, Urteil vom 14. Juni 2005 - 1 C 15/04 -, Juris Rn. 32). Der Beklagte ist insoweit vielmehr darauf zu verweisen, die tatsächlichen Kosten nunmehr ordnungsgemäß zu ermitteln und ggf. durch einen neuen Bescheid geltend zu machen.