1. Die Qualifikationsrichtlinie 2004/83/EG ist seit dem 11. Oktober 2006 unmittelbar geltendes Recht.
2. Diese Richtlinie hat die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Flüchtling konkretisiert und qualitativ verändert.
3. Verfolgungscharakter können nach Art. 9 Abs. 1 b der Richtlinie auch je für sich weniger gravierende Maßnahmen haben, die jedoch in ihrer Kumulierung ähnlich menschenrechtsverletzend sind wie schwerwiegende Einzelmaßnahmen.
1. Die Qualifikationsrichtlinie 2004/83/EG ist seit dem 11. Oktober 2006 unmittelbar geltendes Recht.
2. Diese Richtlinie hat die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Flüchtling konkretisiert und qualitativ verändert.
3. Verfolgungscharakter können nach Art. 9 Abs. 1 b der Richtlinie auch je für sich weniger gravierende Maßnahmen haben, die jedoch in ihrer Kumulierung ähnlich menschenrechtsverletzend sind wie schwerwiegende Einzelmaßnahmen.
(Amtliche Leitsätze)
Der zulässige Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat im vorliegenden Fall vor allem im Hinblick auf Art. 33 des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge v. 28.7.1951 (BGBl. 1953 II S. 560) - GFK - Erfolg (§ 60 Abs. 1 S. 1 AufenthG, Art. 13 der Richtlinie 2004/83/EG v. 29.4.2004 / Amtsblatt der EG v. 30.9.2004, L 304/12).
1. Der Antrag, Eilrechtsschutz gem. § 123 VwGO zu gewähren, weil erst noch ein Asylfolgeverfahren (1 A 163/06) durchzuführen sei, ist bei der vorliegenden Fallgestaltung der zutreffende Antrag, da eine Ausreiseaufforderung mit Abschiebungsandrohung nicht mehr - wie noch nach der alten Rechslage - ergangen ist.
2. Die rechtliche Prüfung im Folge- und Wiederaufnahmeverfahren nach §§ 71 Abs. 1 AsylVfG, 51 VwVfG hat in Anlehnung an die Vorwirkungen der Richtlinie 2005/85/ EG d.
Rates v. 1. Dezember 2005 grundsätzlich in Stufen zu erfolgen (h.M. der Verwaltungsrechtsprechung; vgl. auch Funke-Kaiser, GK-AsylVfG, Loseblattsammlung, Band 2, § 71 Rdn. 85 m.w.N.; BVerfG, InfAuslR 1993, 3o4; BVerwGE 39, 234; 44, 338; 77, 325; VG Lüneburg, NVwZ-RR 2004, 217). Ein entsprechender Wiederaufnahmevortrag kann jedoch nur dann als unbeachtlich verworfen werden, wenn er nach jeder Betrachtungsweise völlig ungeeignet ist, zur Asylberechtigung bzw. zu einem Abschiebungsverbot zu verhelfen (BVerfG, DVBl. 1994, 38; BVerfG, InfAuslR 1993, 229/233). Ein derartiger Ausnahmefall liegt hier nicht mehr vor, wie die eingereichten Vorladungen v. 3. und 10.4.07 zeigen.
3. Der Antragsteller hat neue, sich nach dem Urteil der Kammer vom 8. Februar 2006 ereignete Rechtsänderungen (u.a. Art. 10 Abs. 1 e der Richtlinie 2004/83/EG) und Sachänderungen - die eingereichten Vorladungen - einschließlich eines schärferen Umgangs des vietnamesischen Staates mit Minderheiten/"Abweichlern" vorgetragen. Das ist im Verbund mit den polizeilichen Vorladungen Anlass genug, die Sach- und Rechtslage erneut zu prüfen.
4. Die Erfolgsaussichten des Antrages in der Sache sind hier deshalb anzunehmen, weil bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG (Art. 1 des Zuwanderungsgesetzes v. 30.7.2004 / BGBl. I S. 1950) iVm der jetzt uneingeschränkt geltenden Richtlinie 2004/83/EG (Qualifikationsrichtlinie) nicht von der Hand zu weisen ist (vgl. dazu die Rechtsprechung der Kammer, z.B. Urteile v. 16.8.2006 - 1 A 406/03 - und v. 22.9. 2005 - 1 A 32/02 - sowie v. 28.9.2005 - 1 A 252/02). Diese Richtlinie hat die Anforderungen an eine Substantiierung asyl- und flüchtlingsrelevanten Vorbringens, aber auch die Voraussetzungen für die Anerkennung als Flüchtling (vgl. Kapitel II und III der Richtlinie) qualitativ grundlegend verändert, was zu Gunsten des Antragstellers zu berücksichtigen ist. Das gilt aber auch angesichts des § 60 Abs. 1 AufenthG, der mit seinem Wechsel der Perspektive von einer täter- zu einer opferbezogenen Flüchtlingsbetrachtung den damit befassten Verwaltungsstellen wie auch den Gerichten eine völlig neue Wertung abverlangt (vgl. dazu Urteil des VG Stuttgart v. 17.1.2005 - A 10 K 10587/04 -, InfAuslR 2005, S. 345; Urteil der Kammer v. 16.8.2006 - 1 A 406/03 -). Es geht jetzt auf dem Hintergrund der GFK darum, ob eine "wohlbegründete Furcht" vor einer Bedrohung im Heimatland plausibel erscheint (so VG Franklfurt, Asylmagazin 9/2006, S. 23/24). Damit ist eine stärker subjektive, die Sicht des Flüchtlings betonende Wertung prognostischer Art geboten.
Unter diesen Umständen sind die eingereichten Vorladungen ein hinreichender Anlass für eine Verfolgungsfurcht des Antragstellers. Denn diese Vorladungen beziehen sich laut ihrer Übersetzung auf "Gerichtsverfahren in der Kaffeestube" vom Juli 2001. Sie können bei der z.Z. nur gebotenen summarischen Prüfung nicht von vornherein außer Betracht gelassen werden. Mit Blick auf Art. 9 Abs. 2 b und c der Qualifikationsrichtlinie kann nicht von der Hand gewiesen werden, dass bei einer Rückkehr des Antragstellers anlässlich des gen. Gerichtsverfahrens Verfolgungsmaßnahmen gegen den Antragsteller ergriffen werden, die in ihrer Kumulation einen hinreichenden Schweregrad iSv Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie erreichen. Denn es ist so, dass nach der unmittelbar geltenden Qualifikationsrichtlinie (Art. 9 Abs. 1 b) auch die Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen in einer vorzunehmenden Gesamtschau Verfolgungscharakter haben kann. Dieser Aspekt erlangt in Vietnam ganz besondere Bedeutung, da dort eine dem Strafrecht vorgelagerte Repression (vgl. dazu die Lagebericht des AA mit Beispielen) besonders ausgeprägt ist: Dissidenten und "Abweichler" sind Maßnahmen seitens der Regierung ausgesetzt wie z.B. Telefon- und Mailüberwachung, Hausarrest, Aufnahme in eine schwarze Liste mit Namen derer, denen ein Reisepass versagt wird usw. usw. Aktive Gegner des Sozialismus bzw. auch solche, die dafür nur gehalten werden (Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie: "zugeschrieben"), können nach den weit gefassten und (willkürlich) weit verstandenen Vorschriften jederzeit nach (willkürlichem) Belieben der vietnamesischen Polizeibehörden inhaftiert oder in sog. "Umerziehungslager" verbracht werden (vgl. Art. 7 EMRK).