OVG Saarland

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Zitieren als:
OVG Saarland, Urteil vom 26.06.2007 - 1 A 222/07 - asyl.net: M10819
https://www.asyl.net/rsdb/M10819
Leitsatz:

Art. 10 Abs. 1 Bst. b der Qualifikationsrichtlinie vermittelt Schutz auch vor Verfolgung wegen öffentlicher Religionsausübung; ein Glaubenswechsel löst den Schutz des Art. 10 Abs. 1 Bst. b der Qualifikationsrichtlinie aus, wenn er aus religiöser Überzeugung erfolgt ist und den Schutzsuchenden in seiner religösen Identität prägt oder wenn der Glaubenswechsel für sich genommen den Verfolgungsakteur zu Verfolgungsmaßnahmen veranlasst; im Iran besteht keine Verfolgungsgefahr allein wegen des formalen Übertritts zum Christentum, sondern nur wenn die Konversion von der persönlichen Glaubensüberzeugung getragen ist.

 

Schlagwörter: Iran, Christen (evangelische), Verfolgungsbegriff, religiös motivierte Verfolgung, Religion, Religionsfreiheit, Anerkennungsrichtlinie, religiöses Existenzminimum, Verfolgungshandlung, Kumulierung, Apostasie, Konversion, Diskriminierung, Politmalus, Strafverfolgung, Strafverfahren, Haftbedingungen, Missionierung, Todesstrafe, herabgestufter Wahrscheinlichkeitsmaßstab, Glaubwürdigkeit, Nachfluchtgründe, exilpolitische Betätigung, Antragstellung als Asylgrund
Normen: AufenthG § 60 Abs. 1; RL 2004/83/EG Art. 9 Abs. 1 Bst. b; RL 2004/83/EG Art. 9 Abs. 2 Bst. b; RL 2004/83/EG Art. 10 Abs. 1 Bst. b; IPbpR Art. 18; EMRK Art. 9; RL 2004/83/EG Art. 4 Abs. 4
Auszüge:

Art. 10 Abs. 1 Bst. b der Qualifikationsrichtlinie vermittelt Schutz auch vor Verfolgung wegen öffentlicher Religionsausübung; ein Glaubenswechsel löst den Schutz des Art. 10 Abs. 1 Bst. b der Qualifikationsrichtlinie aus, wenn er aus religiöser Überzeugung erfolgt ist und den Schutzsuchenden in seiner religösen Identität prägt oder wenn der Glaubenswechsel für sich genommen den Verfolgungsakteur zu Verfolgungsmaßnahmen veranlasst; im Iran besteht keine Verfolgungsgefahr allein wegen des formalen Übertritts zum Christentum, sondern nur wenn die Konversion von der persönlichen Glaubensüberzeugung getragen ist.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet.

Hinsichtlich des in § 60 Abs. 1 AufenthG verwendeten Begriffs der Verfolgung sind spätestens seit dem 11.10.2006 die Vorgaben der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. L 304 vom 30.9.2004, S. 12, berichtigt im ABl. L 204 vom 5.8.2005, S. 24 - so genannte Qualifikationsrichtlinie) - nachfolgend: RL - zu beachten.

Zentrale Bedeutung kommt im Rahmen der asylrechtlichen Prüfung seit dem Verbindlichwerden der Richtlinie 2004/83/EG dem in Art. 9 Abs. 1 und 2 RL umschriebenen Begriff der Verfolgungshandlungen sowie den in Art. 10 RL aufgelisteten Verfolgungsgründen und schließlich dem Erfordernis des Art. 9 Abs. 3 i.V.m. Art. 2 c RL zu, wonach eine Verknüpfung zwischen den in Art. 10 RL genannten Gründen und den in Art. 9 Abs. 1 RL als Verfolgung eingestuften Handlungen bestehen muss.

Angesichts des durch Art. 9 und Art. 10 RL vorgegebenen Prüfungsrasters ist nicht auszuschließen, dass verschiedene durch die deutsche höchstrichterliche Asylrechtsprechung entwickelte Grundsätze der Hinterfragung auf ihre Vereinbarkeit mit den europarechtlichen Vorgaben bedürfen, sofern die jeweiligen Grundsätze fallbezogen entscheidungsrelevant sind. So spricht die in Art. 9 und Art. 10 RL zum Ausdruck kommende Systematik dafür, dass das Vorliegen beziehungsweise Nichtvorliegen einer Verfolgungshandlung anhand der Kriterien des Art. 9 Abs. 1 und Abs. 2 RL zu prüfen ist, ohne dass in diesem Zusammenhang der eventuelle Verfolgungsgrund eine Rolle spielt. Ob ein Verfolgungsgrund zu bejahen ist, ist in einem eigenen Prüfungsschritt zu ermitteln und beurteilt sich nach den Vorgaben des Art. 10 RL. Sodann ist gemäß Art. 9 Abs. 3 RL erforderlichenfalls festzustellen, ob die Verfolgungshandlung dem Schutzsuchenden wegen des bejahten Verfolgungsgrundes droht. Diese Systematik wirft die Frage auf, ob die bisherige höchstrichterliche Rechtsprechung, die differenziert zwischen politisch motivierten Eingriffen in die Schutzgüter Leib, Leben oder persönliche Freiheit, die stets als Verfolgung anerkannt wurden, und Beeinträchtigungen sonstiger Rechtsgüter wie der freien Religionsausübung oder der ungehinderten beruflichen und wirtschaftlichen Betätigung, die den Flüchtlingsstatus bisher nur begründen konnten, wenn sie nach ihrer Intensität und Schwere die Menschenwürde verletzen und über das hinausgehen, was die Bewohner des Heimatstaates aufgrund des dort herrschenden Systems allgemein hinzunehmen haben, richtlinienkonform ist (BVerwG, Urteil vom 24.3.1987 - 9 C 321.85 -, NVwZ 1987, 701 f. und Beschluss vom 3.4.1995 - 9 B 758/94 -, NVwZ-RR 1995, 607). Angesichts der Regelung des Art. 9 Abs. 1 b RL, der unter bestimmten Voraussetzungen eine Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen als Verfolgungshandlung definiert, ohne zu fordern, dass jeweils dasselbe Schutzgut durch die verschiedenen Maßnahmen betroffen wird, stellt sich die weitere Frage, ob die bisherige deutsche Rechtsprechung, nach der mehrere Eingriffe, von denen jeder seiner Intensität nach allein nicht als Verfolgung zu qualifizieren ist, auch nicht als ein "insgesamt" die erforderliche Intensität erreichendes Verfolgungsgeschehen angesehen werden können, wenn die Eingriffe sich gegen unterschiedliche Schutzgüter richten (BVerwG, Beschluss vom 3.4.1995, a.a.O.), mit den europarechtlichen Vorgaben der genannten Vorschrift zu vereinbaren ist.

Diese Fragen bedürfen allerdings in vorliegend relevantem Zusammenhang keiner rechtsgrundsätzlichen Klärung, da das Begehren des Klägers gemessen an den Vorgaben des Art. 10 Abs. 1 b RL daran scheitert, dass sein durch die im Bundesgebiet erfolgte Taufe zum evangelischen Christ vollzogener Glaubenswechsel ihm unter den konkreten Gegebenheiten mangels religiös-motivierter Entscheidung für das Christentum nicht die Möglichkeit eröffnet, sich auf den Verfolgungsgrund der Religion zu berufen.

Art. 10 RL definiert die Verfolgungsgründe, indem er die in Art. 2 c RL abschließend aufgeführten Verfolgungsgründe aufgreift, und hinsichtlich jedes einzelnen Verfolgungsgrundes vorgibt, was die Mitgliedstaaten bei der jeweiligen Prüfung in materiell-rechtlicher Hinsicht zu berücksichtigen haben.

Im vorliegenden Zusammenhang ist Art. 10 Abs. 1 b RL maßgeblich. Nach dieser Vorschrift umfasst der Begriff der Religion insbesondere theistische, nichttheistische und atheistische Glaubensüberzeugungen, die Teilnahme beziehungsweise Nichtteilnahme an religiösen Riten im privaten oder öffentlichen Bereich, allein oder in Gemeinschaft mit anderen, sonstige religiöse Betätigungen oder Meinungsäußerungen und Verhaltensweisen Einzelner oder der Gemeinschaft, die sich auf eine religiöse Überzeugung stützen oder nach dieser vorgeschrieben sind. Dabei sind unter religiösen Riten die in einer Religionsgemeinschaft üblichen oder geregelten Praktiken oder Rituale zu verstehen, die der religiösen Lebensführung dienen, insbesondere Gottesdienste, kulturelle Handlungen und religiöse Feste (VG Düsseldorf, Urteil vom 8.2.2007 - 9 K 2278/06.A -, juris).

Unter Einbeziehung dieser Definition ist die in Art. 2 c RL als Merkmal eines Flüchtlings aufgeführte begründete Furcht vor Verfolgung wegen seiner Religion tatbestandlich gegeben, wenn der Schutzsuchende wegen seiner theistischen, nichttheistischen oder atheistischen Glaubensüberzeugung oder wegen der alleinigen oder gemeinschaftlichen Teilnahme beziehungsweise Nichtteilnahme an religiösen Riten im privaten oder öffentlichen Bereich oder wegen sonstiger religiöser Betätigungen beziehungsweise Meinungsäußerungen oder wegen eigener oder gemeinschaftlicher Verhaltensweisen, die sich auf eine religiöse Überzeugung stützen oder nach dieser vorgeschrieben sind, befürchten muss, in seiner Heimat von Verfolgungshandlungen betroffen zu werden.

Das Verständnis des durch Art. 10 Abs. 1 b RL gewährleisteten Schutzes muss sich am Normalfall eines Schutzsuchenden orientieren, der die Religion der Religionsgemeinschaft, in die er hineingeboren ist, in der Heimat ausüben will, weswegen zunächst festzustellen ist, welche religiösen Betätigungen grundsätzlich vom Schutzbereich umfasst werden und welchen Schranken die Religionsausübung gegebenenfalls unterliegt. In einem zweiten Schritt ist der Sonderfall des Konvertiten in den Blick zu nehmen und zu klären, ob insoweit Besonderheiten gelten. Vermengt man diese beiden Fragen, so läuft man Gefahr, den Schutzbereich religiöser Betätigung aus dem Bestreben, der Gefahr nur formal erfolgender Glaubensübertritte entgegen zu wirken, im allgemeinen zu eng zu umgrenzen.

Art. 10 Abs. 1 b RL bietet dem Einzelnen sehr weitgehenden Schutz, indem er sowohl die Entscheidung, aus innerer Überzeugung religiös zu leben, wie auch die Entscheidung, aufgrund religiösen Desinteresses jegliche religiöse Betätigung zu unterlassen, schützt und dem Einzelnen zubilligt, dass er sich zu seiner religiösen Grundentscheidung auch nach außen bekennen darf. Unter das geschützte Verhalten fällt auch der Glaubenswechsel, wobei dahinstehen kann, ob man diesen als sonstige religiöse Betätigung oder Verhaltensweise eines Einzelnen, die sich auf eine religiöse Überzeugung stützt, begreift oder ob man - wie dies der Kläger und die Beklagte in der mündlichen Verhandlung befürwortet haben - den Glaubenswechsel als geschützt ansieht, weil Art. 10 Abs. 1 b RL sowohl theistische wie auch nichttheistische und atheistische Glaubensüberzeugungen erfasst. Auch unter letzterer Prämisse muss der Glaubenswechsel seinen Grund in einer wie auch immer gearteten Glaubensüberzeugung finden (vgl. hierzu S. 24 des Urteils).

Nach Art. 10 Abs. 1 b RL umfasst der Begriff der Religion auch die Teilnahme an religiösen Riten im öffentlichen Bereich, allein oder in Gemeinschaft mit anderen. Die Vorschrift geht damit ihrem Wortlaut nach über den Schutz hinaus, der nach der bisherigen Rechtsprechung unter dem Stichwort des religiösen Existenzminimums zuerkannt wurde (BVerfG, Beschluss vom 1.7.1987 - 2 BvR 478, 962/86 -, BVerfGE 76, 143, 158 ff.; BVerwG, Urteil vom 20.1.2004 - 1 C 9/03 -, BVerwGE 120, 16 ff. = NVwZ 2004, 1000 ff. = InfAuslR 2004, 319 ff.). Dafür, dass der europäische Richtliniengeber die religiöse Betätigung im öffentlichen Bereich auch inhaltlich als geschützt verstanden wissen will, spricht die Betrachtung der historischen Wurzeln der Vorschrift.

Bereits im Minderheitenschutzabkommen des Völkerbundes findet sich ein Vorläufer, der die rechtliche Verpflichtung enthielt, die freie Religionsausübung im öffentlichen und privaten Bereich zu gewährleisten (Marx, Handbuch zur Flüchtlingsanerkennung, Erläuterungen zur Richtlinie 2004/83/EG, 13. Aktualisierungslieferung November 2006, § 17 Rdnr. 7). Ebenso schützt Art. 18 des Internationalen Paktes vom 19.12.1966 über bürgerliche und politische Rechte - IpbpR -, der durch Bundesgesetz vom 15.11.1973 (BGBl. II, S. 1533) in innerstaatliches Recht transformiert wurde, die private und die öffentliche Glaubenspraxis. Nach Art. 18 Abs. 1 IPbpR umfasst das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit die Freiheit, eine Religion oder eine Weltanschauung eigener Wahl zu haben oder anzunehmen, und die Freiheit, seine Religion oder eine Weltanschauung allein oder in Gemeinschaft mit anderen, öffentlich oder privat durch Gottesdienst, Beachtung religiöser Bräuche, Ausübung und Unterricht zu bekunden. Aus völkerrechtlicher Sicht ist daher festzustellen, dass das Recht auf private und öffentliche Religionsausübung als fundamentales Menschenrecht allgemein anerkannt ist (vgl. auch Art. 1 der Erklärung Nr. 36/55 der Generalversammlung der Vereinten Nationen über die Beseitigung aller Formen von Intoleranz und Diskriminierung aufgrund der Religion und der Überzeugung vom 25.11.1981).

Europarechtlich wird die Ausübung der Religionsfreiheit auch in der Öffentlichkeit bereits durch Art. 9 EMRK gewährleistet. Geschützt ist hiernach die Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung zu wechseln, und die Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung einzeln oder gemeinsam mit anderen öffentlich oder privat durch Gottesdienst, Unterricht oder Praktizieren von Bräuchen und Riten zu bekennen.

Art. 10 Abs. 1 b RL ist die konsequente Fortschreibung dieser Garantien bezogen auf den (Mindest-)Schutz, der Flüchtlingen seitens der Mitgliedstaaten zu gewähren ist. Angesichts des weiten Schutzbereichs der Vorschrift, die selbst keine Schranken vorgibt, liegt es nahe, die Schranken des Art. 18 IPbpR beziehungsweise des Art. 9 EMRK als immanente Schranken zu begreifen. Sowohl Art. 18 IPbpR wie auch Art. 9 EMRK differenzieren zwischen der Uneinschränkbarkeit der Freiheit, eine Religion eigener Wahl zu haben oder anzunehmen, und der an bestimmte Voraussetzungen gebundenen Einschränkbarkeit der freien Religionsausübung und bieten auch im Flüchtlingsrecht eine angemessene Handhabe zur Abschichtung zulässiger Einschränkungen der in Art. 10 Abs. 1 b RL definierten Religionsfreiheit. Dies bedeutet, dass die Freiheit eines Asylbewerbers, eine Religion eigener Wahl zu haben oder anzunehmen, nicht beschränkbar ist, während die Freiheit, seine Religion im privaten wie im öffentlichen Bereich zu bekennen beziehungsweise zu bekunden, den immanenten Schranken unterliegt, die in Art. 18 Abs. 3 IPbpR beziehungsweise Art. 9 Abs. 2 EMRK Ausdruck gefunden haben. Dementsprechend darf die religiöse Betätigung Einzelner oder der Gemeinschaft nur zum Schutz der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung, der Gesundheit, der Sittlichkeit (Moral) und der Rechte und Freiheiten anderer verboten oder reglementiert werden. Dabei ist - wie auch in Art. 18 Abs. 3 IPbpR und Art. 9 Abs. 2 EMRK vorgeschrieben - zu fordern, dass das Gesetz, das verbietet oder reglementiert beziehungsweise aufgrund dessen verboten oder reglementiert wird, allgemeiner Natur ist, d.h. es muss für alle Staatsbürger - egal welcher religiösen Ausrichtung sie angehören - gleichmäßig Geltung entfalten, darf daher nicht auf bestimmte religiöse Gruppen zielen und ausschließlich für diese Einschränkungen vorsehen. Gemessen hieran sind beispielsweise Meldepflichten oder Sicherheitsauflagen für die Veranstaltung einer Prozession ebenso unbedenklich wie Vorschriften über Impfpflichten oder das Verbot religiöser Bräuche oder Riten, die die Sittlichkeit verletzen oder die Gesundheit der Teilnehmer gefährden (Marx, a.a.O., § 17 Rdnr. 25).

Festzuhalten bleibt damit zunächst, dass das Recht des Einzelnen, seinen Glauben aus innerer Überzeugung zu wechseln, keinen Einschränkungen unterliegt, d.h. die Mitgliedstaaten haben die Entscheidung des Einzelnen, aus religiöser Überzeugung einen anderen Glauben anzunehmen, zu respektieren und ihm - wenn dies die Verhältnisse im Heimatstaat erforderlich machen - nach Maßgabe der Richtlinie Schutz zu gewähren. Hinsichtlich des Rechts eines Gläubigen auf Teilnahme an religiösen Riten im öffentlichen Bereich gilt auch im Flüchtlingsrecht, dass Beschränkungen nur nach Maßgabe der aufgezeigten der Religionsfreiheit immanenten Schranken durch allgemeine Gesetze zulässig sind.

Gesetze oder religiöse Vorschriften beziehungsweise die behördlichen Praktiken des Heimatstaates zu ihrer Umsetzung, die die aufgezeigten Grenzen nicht respektieren, sind an Art. 9 Abs. 1 und Abs. 2 RL zu messen. Als Verfolgungshandlung im Sinne des Art. 9 Abs. 1 a oder b RL sind sie zu qualifizieren, wenn sie allein oder in Kumulierung mit anderen Maßnahmen eine schwerwiegende Verletzung der Menschenrechte bewirken. Hat der Asylbewerber eine schwer menschenrechtswidrige Behandlung in seiner Heimat bereits erfahren oder droht ihm eine solche für den Fall seiner Rückkehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit, so bedarf es gemäß Art. 9 Abs. 3, Art. 2 c RL der Feststellung, ob diese Behandlung wegen der in Art. 10 Abs. 1 b RL definierten Religion des Asylbewerbers erfolgt ist oder droht. Bejahendenfalls ist ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen. Fehlt es hingegen an einer Verknüpfung mit einem in Art. 10 Abs. 1 RL aufgeführten Verfolgungsgrund, so sind die Voraussetzungen eines Anspruchs auf subsidiären Schutz nach Maßgabe des Art. 18 in Verbindung mit Art. 15 RL zu prüfen (Marx, a.a.O., Teil 2, Subsidiärer Schutz, 1.4).

Die den Schutzbereich des Art. 10 Abs. 1 b RL enger fassende Auslegung des Beteiligten überzeugt nicht. Er meint, der die Vorschrift des Art. 10 Abs. 1 b RL abschließende Relativsatz "die sich auf eine religiöse Überzeugung stützen oder nach dieser vorgeschrieben sind" beziehe sich auf alle aufgeführten Fallgruppen und schränke den Verfolgungsgrund der "Religion" dahingehend ein, dass nicht jedwede Form der - zum Beispiel öffentlichen - Glaubensbetätigung, sondern nur die aus religiöser Sicht glaubensprägenden beziehungsweise unverzichtbar gebotenen Verhaltensweisen geschützt werden. Dem kann nicht gefolgt werden. Art. 10 Abs. 1 b RL schützt ausdrücklich etwa auch die Nichtteilnahme an religiösen Riten, also die Entscheidung des Einzelnen, sich religiöser Betätigungen zu enthalten, indem er Dinge, die die Religion als Verhaltensweise zu bestimmten Anlässen vorgibt, gerade nicht tut. Dies zeigt, dass die seitens des Beteiligten vorgeschlagene einschränkende Auslegung, die Vorschrift schütze nur die aus religiöser Sicht glaubensprägenden beziehungsweise unverzichtbar gebotenen Verhaltensweisen, nicht richtlinienkonform sein kann. Dass der Beteiligte zur Stützung seiner Auffassung auf den derzeitigen Stand des laufenden Gesetzgebungsverfahrens zur Umsetzung der Richtlinie verweist, ändert nichts daran, dass der Gesetzgeber durch die Vorgaben der Richtlinie gebunden ist und diesen nur gerecht werden wird, wenn er sie vollständig umsetzt.

Soweit erkennbar ist das Sächsische Oberverwaltungsgericht bisher das einzige Obergericht, das nach Verbindlichwerden der Richtlinie 2004/83/EG über die Verfolgungsgefährdung konvertierter Christen im Iran entschieden hat (Sächsisches OVG, Urteile vom 27.3.2007 - A 2 B 38/06 - und vom 24.4.2007 - A 2 B 832/05 -, beide nicht veröffentlicht). Es nimmt ebenfalls an, dass der Wortlaut des Art. 10 Abs. 1 b RL auf einen weit gefassten Schutzbereich schließen lasse, und meint, im Ergebnis gingen Art. 9 und Art. 10 Abs. 1 b RL über die bisherige, nur das religiöse Existenzminimum sicherstellende Rechtsprechung hinaus, da unter der Geltung der Richtlinie grundsätzlich auch der Schutz des "forum externum" in Betracht komme. Die weitere Argumentation, wonach wegen der in Art. 9 Abs. 3 RL vorgesehenen Verknüpfung zu fordern sei, dass sich der Eingriff in die Religionsausübung als mit der Wahrung der Menschenwürde unvereinbar darstelle, überzeugt hingegen nicht uneingeschränkt, da der Verfolgungsgrund der Religion in die Prüfung des Vorliegens einer Verfolgungshandlung einbezogen wird. Die erste sich hieran anschließende Feststellung des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts, dass ein - flüchtlingsrechtsrelevanter - Eingriff in die Religionsausübung vorliege, wenn die Religionsausübung mit Sanktionen verbunden ist, die bereits selbst den Charakter einer Verfolgungshandlung aufweisen, spiegelt den Verordnungstext wider und ist daher zweifelsohne zutreffend. Allerdings folgt dieser Feststellung keine Prüfung, ob einem Konvertiten im Iran Sanktionen drohen, die im Sinne des Art. 9 Abs. 1 und Abs. 2 RL als Verfolgungshandlung zu bewerten sind. Dies, obwohl sich nach der Auskunftslage beispielsweise die Frage aufdrängt, ob die Verfahrensweise, einen etwa wegen Gottesdienstbesuchen auffällig gewordenen Konvertiten mit Hilfe konstruierter Vorwürfe vor Gericht zu stellen, um ihn so einer Bestrafung für den Abfall vom islamischen Glauben zuzuführen, den Charakter einer Verfolgungshandlung aufweist. Einen Menschen zur Ahndung erfundener Straftaten der Justiz auszuliefern, um ihn aus religiösen Gründen zu bestrafen beziehungsweise ihn zumindest gefügig zu machen, beinhaltet eine bereits als solche diskriminierende polizeiliche Maßnahme im Sinne des Art. 9 Abs. 2 b RL, die es nahe legt, eine schwerwiegende Verletzung der Menschenrechte anzunehmen, zumal die Vernehmungsmethoden und Bedingungen einer etwaigen Haft im Iran dem internationalen Standard bei weitem nicht genügen, weil körperliche und/oder psychische Übergriffe nie auszuschließen sind (Auswärtiges Amt, Lagebericht, S. 5, 6, 15, 23, 35). Noch problematischer erscheint die weitere Feststellung des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts, die bloße Unterbindung bestimmter Formen der religiösen Betätigung könne eine Verfolgungshandlung (nur) darstellen, wenn unabdingbare Elemente des religiösen Selbstverständnisses des Betroffenen in Rede stünden. Dass diese Einschränkung des nach der Richtlinie zu gewährenden Schutzes durch Art. 9 Abs. 3 RL vorgegeben wird, ist aus der Sicht des Senats zu verneinen, wobei die Frage aber im vorliegenden Zusammenhang mangels Entscheidungsrelevanz keiner Vertiefung bedarf.

Das seitens des Beteiligten in Bezug genommene Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 20.1.2004 (Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 20.1.2004 - 1 C 9/03 -, a.a.O.) spricht ebenfalls nicht gegen die hier vertretene Auslegung des Art. 10 Abs. 1 b RL. Das die langjährige bundesdeutsche Rechtsprechung fortführende Urteil des Bundesverwaltungsgerichts erging vor Erlass der Richtlinie 2004/83/EG vom 29.4.2004 und konnte deren Vorgaben daher naturgemäß nicht berücksichtigen. Das Bundesverwaltungsgericht hielt damals Feststellungen für erforderlich, ob die Teilnahme an Gottesdiensten gemeinsam mit anderen Christen, insbesondere anderen Apostaten, abseits der Öffentlichkeit nach dem Selbstverständnis der evangelischen Kirche, der der Kläger jenes Verfahrens angehörte, unter den besonderen Bedingungen der Diaspora in einem Land wie dem Iran zum schlechthin unverzichtbaren Bestandteil des religiösen Lebens gehöre. Des Weiteren seien Feststellungen zu treffen, ob jener Kläger durch die Beschränkung von derartigen Gottesdienstbesuchen selbst in seiner religiös-personalen Identität betroffen ist, da das religiöse Existenzminimum für jeden Gläubigen je nach dem Grad seiner praktizierten religiösen Betätigung unterschiedlich zu bestimmen und daher zu prüfen sei, ob der Besuch von Gottesdiensten abseits der Öffentlichkeit gerade für jenen Kläger selbst unverzichtbar sei.

Diese Rechtsprechung ist nach Verbindlichwerden der Richtlinie 2004/83/EG in deren Licht zu sehen. Dabei ist auch nach Auffassung des Senats davon auszugehen, dass Art. 10 Abs. 1 b RL nur religiöse Verhaltensweisen im öffentlichen Bereich schützt, die der Religion des Schutzsuchenden entsprechen. Zutreffend hat der 3. Senat des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes kürzlich hinsichtlich eines irakischen Schutzsuchenden yezidischer Religionszugehörigkeit darauf abgestellt, dass nach der yezidischen Religion keine religiösen Riten vor den Augen Ungläubiger praktiziert werden dürfen. Da die yezidische Religion die Vornahme religiöser Riten vor den Augen der moslemischen Öffentlichkeit verbiete, sei hinsichtlich dieser Religion ein genereller Konflikt zwischen einem Öffentlichkeitsanspruch der Religion und einer dieser feindlichen islamischen Öffentlichkeit ausgeschlossen (OVG des Saarlandes, Beschluss vom 26.3.2007 - 3 A 30/07 -, juris). Demgegenüber steht hinsichtlich evangelischer Christen außer Frage, dass der Besuch öffentlicher Gottesdienste nach dem Selbstverständnis der evangelischen Kirche unverzichtbarer Bestandteil des religiösen Lebens ist. Nach Verbindlichwerden der Richtlinie 2004/83/EG ist die weitere vom Bundesverwaltungsgericht formulierte Frage, ob dies auch in einem Land wie dem Iran gelte, nicht mehr erheblich. Der Schutzbereich des Art. 10 Abs. 1 b RL richtet sich gerade gegen staatliche Einschränkungen der Religionsfreiheit, was es verbietet, ihn nach dem zu bestimmen, was einzelne Staaten nach ihrer bisherigen Praxis an religiösen Freiheiten und damit an religiösem Selbstverständnis religiöser Minderheiten zugelassen haben. Die anschließend vom Bundesverwaltungsgericht angesprochene Frage, ob etwa die Teilnahme an Gottesdiensten für den Schutzsuchenden von unverzichtbarer Bedeutung sei, stellt sich demgegenüber nach wie vor. Nur wenn ein Schutzsuchender seinen Glauben aufgrund seiner religiösen Überzeugung in der Heimat auch praktizieren will, kann er in flüchtlingsrechtsrelevante Schwierigkeiten mit staatlichen Behörden, die ihm dies verbieten wollen, geraten. Allerdings wird man einem Schutzsuchenden, der sozusagen von Geburt an einer bestimmten Religionsgemeinschaft angehört, nicht ohne konkrete Anhaltspunkte im Einzelfall unterstellen können, dass er seinen Glauben in der Heimat nicht praktizieren will, weswegen die angesprochene, vom Bundesverwaltungsgericht aufgeworfene Frage sich insbesondere stellt, wenn der Schutz des Art. 10 Abs. 1 b RL von einem Konvertiten beansprucht wird.

Wie bereits ausgeführt erkennt Art. 10 Abs. 1 b RL dem Einzelnen auch das Recht zu, sich aus religiöser Überzeugung/aus Glaubensüberzeugung für eine andere als die bisherige Religion zu entscheiden und sich zu der angenommenen Religion zu bekennen. Die Garantien des Art. 10 Abs. 1 b RL - etwa das Recht auf Teilnahme an religiösen Riten im öffentlichen Bereich - gelten für Konvertiten, die ihren Glauben aus religiöser Überzeugung gewechselt haben, in gleichem Umfang wie für Gläubige, die ihre praktisch durch Geburt erworbene Religion beibehalten. Voraussetzung des Schutzes der Ausübung der "neuen" Religion ist nach der Konzeption des Art. 10 Abs. 1 b RL allein, dass der Glaubenswechsel aufgrund religiöser Überzeugung/aus Glaubensüberzeugung erfolgt ist.

Damit bedarf es im Falle einer Konversion einer eingehenden Prüfung, ob der Konvertit seinen Glauben nicht nur - etwa aus auf ein Bleiberecht bezogenen taktischen Gründen - durch einen bloß formalen Akt, sondern aus religiöser Überzeugung gewechselt hat und durch den neuen Glauben in seiner religiösen Identität geprägt wird. Ist letzteres der Fall, kommt ihm der Schutz des Art. 10 Abs. 1 b RL in vollem Umfang zugute. Drohen ihm in der Heimat Verfolgungshandlungen im Sinne des Art. 9 Abs. 1 und Abs. 2 RL, wenn er dort durch Art. 10 Abs. 1 b RL geschützte Verhaltensweisen praktiziert, so ist ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.

Der Islam kennt keine legale Möglichkeit, vom Islam zum Christentum überzutreten. Ein Konvertit bleibt daher aus islamischer Sicht weiterhin Muslim, der sich allerdings religionsschädlich verhält, indem er eine andere - aus islamischer Sicht nicht religiöse - Gruppe unterstützt und sich dadurch dem Verdacht aussetzt, das auf muslimischer Grundlage etablierte Mullah-Regime schwächen zu wollen. Die Konversion zum Christentum begründet in der muslimisch-iranischen Öffentlichkeit den Verdacht einer regimekritischen Haltung. Der Abfall vom Islam (Apostasie) ist nach islamisch-religiösem Recht mit der Todesstrafe bedroht. Obwohl das kodifizierte iranische Strafrecht die Todesstrafe im Fall der Apostasie nicht vorsieht, erging wegen dieses Vorwurfs zuletzt im November 2002 ein - später in eine Haftstrafe umgewandeltes - Todesurteil. Fälle einer Vollstreckung der Todesstrafe wegen Apostasie wurden in den letzten Jahren nicht mehr aktenkundig. Bei Bekanntwerden der Konversion tritt neben die Gefahr staatlicher Repressionen die Möglichkeit einer Verfolgung durch fanatische Muslime, da Konvertiten gemäß islamischem Recht von allen Muslimen getötet werden dürfen. Die christlichen Kirchen werden staatlicherseits dazu angehalten, muslimischen Interessenten Zugang zu ihren religiösen Veranstaltungen zu verweigern und Versuche muslimischer Personen, mit ihren Gemeinden in Kontakt zu treten, zurückzuweisen. Da die Konversion zum Christentum im Iran seit jeher ein Tabu und auch aus christlicher Sicht sehr ungewöhnlich ist, stößt ein Konvertit bei den traditionellen christlichen Kirchen Irans auf starke Vorbehalte und setzt sich dem Verdacht aus, ein Spitzel zu sein. Ein Konvertit kann vor diesem Hintergrund nicht erwarten, als neues Gemeindemitglied anerkannt und aufgenommen zu werden (Deutsches Orient-Institut, Stellungnahmen vom 6.9.2004 - 531 i/br - und vom 6.12.2004 - 585 i/br -; SFH, Christen und Christinnen im Iran, Themenpapier vom 18.10.2005, S. 4 f., 7-11; SFH, Iran-Reformen und Repression, Update der Entwicklungen seit Juni 2001, vom 20.1.2004, S. 11 f.; Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 21.9.2006 - 508-516.80/3 IRN -, S. 6, 15, 20 f., 23, 33 f.). Anders als die traditionellen christlichen Kirchen Irans betreiben einige, zu neueren christlichen Strömungen zu zählende protestantisch-evangelische Glaubensgemeinschaften mit westlicher Unterstützung insbesondere der protestantischen Kirche beziehungsweise (frei-)kirchlich-evangelischer Gruppierungen im Iran auch Missionsarbeit und zeigen sich bereit, muslimische Konvertiten in ihre Kirchengemeinde aufzunehmen. Folge sind häufige Schwierigkeiten mit den iranischen Behörden, von denen sie überwacht werden, wobei sie mit harten Sanktionen rechnen müssen. Nach Erkenntnissen der Schweizerischen Flüchtlingshilfe werden Konvertiten, deren Übertritt den iranischen Behörden bekannt wird, zunächst zum Informationsministerium zitiert, wo sie scharf verwarnt werden. Sollten sie weiter in der Öffentlichkeit auffallen, etwa durch Besuche von Gottesdiensten oder Missionsaktivitäten, müssen sie damit rechnen, mit Hilfe konstruierter Vorwürfe wie Spionage oder Aktivitäten in einer illegalen Gruppe vor Gericht gestellt zu werden. Unbehelligt blieben Konvertiten im Iran, solange es ihnen gelinge, ihren Glauben - etwa in einer der ca. 100 christlichen Hausgemeinschaften - unbemerkt von den iranischen Behörden beziehungsweise von Familienangehörigen, Nachbarn und Bekannten auszuüben. Gerade fanatische muslimische Familienangehörige seien ein Risikofaktor, da sie den Übertritt als Hochverrat, Staatsverrat beziehungsweise Abfall von der eigenen Sippe und dem eigenen Stamm sähen und es daher häufig zu Anzeigen an die iranischen Sicherheitsbehörden komme, die schwere körperliche Misshandlungen und unter Umständen längere Verhaftungen zur Folge haben könnten (SFH, Christen und Christinnen im Iran, a.a.O., S. 11-18).

Die vor dem Hintergrund dieser tatsächlichen Gegebenheiten zu klärende Frage, ob der Kläger glaubhaft gemacht hat, seine Heimat im Sinne des Art. 4 Abs. 4 RL wegen unmittelbar drohender Verfolgung verlassen zu haben oder - verneinendenfalls - ob er infolge der zwischenzeitlichen Konversion zum Christentum im Falle seiner Rückkehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung zu befürchten hat, ist zu verneinen.

Der Kläger hat seine Heimat unverfolgt verlassen.

Er hat nicht glaubhaft gemacht, auf der Flucht vor eingetretener oder unmittelbar drohender Verfolgung aus dem Iran ausgereist zu sein.

Demnach ist davon auszugehen, dass der Kläger den Iran unverfolgt verlassen hat, weswegen ihm hinsichtlich der Frage, ob er im Falle seiner Rückkehr wegen der zwischenzeitlichen Entwicklung trotzdem gefährdet wäre, die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 RL nicht zugute kommt.

Ein Anspruch aus § 60 Abs. 1 AufenthG setzt daher voraus, dass bei zusammenfassender Bewertung des zur Prüfung gestellten Sachverhalts die im Falle der Rückkehr für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und daher gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen, der Kläger also mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung zu befürchten hat. Dies ist nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung nicht der Fall.

Die im Bundesgebiet erfolgte Konversion des Klägers zum Christentum begründet unter den konkreten Gegebenheiten nicht die Annahme, dass ihm im Falle seiner Rückkehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr droht, wegen der Annahme des christlichen Glaubens Verfolgung seitens des iranischen Staates oder seitens nichtstaatlicher Akteure befürchten zu müssen.

Der Umfang des durch Art. 10 Abs. 1 b RL im Falle der Annahme eines anderen Glaubens garantierten Schutzes hängt nach der Konzeption der Vorschrift nicht davon ab, ob der Glaubenswechsel im Heimatstaat oder im Ausland vollzogen wurde. In beiden Konstellationen kann er eine Verfolgungsgefahr nur auslösen, wenn er dem Heimatstaat beziehungsweise nichtstaatlichen Akteuren in der Heimat bekannt wird und aus deren Sicht Anlass gibt, auf den Konvertiten einzuwirken. Lediglich im Rahmen der Prüfung, ob der Glaubenswechsel unter Berücksichtigung der landesspezifischen Gegebenheiten ein derartiges Verfolgungsinteresse zu begründen vermag, kann es eine Rolle spielen, wo der Wechsel vollzogen wurde, wobei diese Frage sich erst stellt, wenn feststeht, dass der seitens des Schutzsuchenden behauptete Glaubenswechsel durch Art. 10 Abs. 1 b RL geschützt wird.

Wie bereits ausgeführt löst ein Glaubenswechsel den Schutz des Art. 10 Abs. 1 b RL aus, wenn er aus religiöser Überzeugung erfolgt ist und den Schutzsuchenden in seiner religiösen Identität prägt.

Ob dieser Wechsel zum Christentum für den Kläger auch eine Glaubenssache war, ist aufgrund einer Gesamtwürdigung der Persönlichkeit des Klägers unter Einbeziehung des Eindruckes, den er in der mündlichen Verhandlung vermittelt hat, zu überprüfen und vorliegend im Ergebnis zu verneinen.

Fehlt es - wie vorliegend - an einer seine religiöse Identität prägenden christlichen Glaubensüberzeugung des Schutzsuchenden, so vermittelt der rein formal durch die Taufe vollzogene Akt des Glaubenswechsels nicht den Schutz des Art. 10 Abs. 1 b RL. Der Kläger kann nicht unter Hinweis auf diese Vorschrift und die tatsächlichen Gegebenheiten in seinem Heimatstaat Iran verlangen, dass ihm die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wird. Diesem Begehren steht entgegen, dass er im Iran wegen des nur formal angenommenen christlichen Glaubens keine Verfolgungshandlungen zu befürchten hat.

So steht schon nicht zu erwarten, dass die Tatsache der evangelischen Taufe den iranischen Behörden überhaupt bekannt geworden ist beziehungsweise noch bekannt werden könnte.

Selbst wenn die Tatsache der christlichen Taufe im Iran bekannt geworden wäre beziehungsweise im Falle der Rückkehr bekannt würde, ist nach der Auskunftslage und der auf dieser basierenden obergerichtlichen Rechtsprechung (Sächsisches OVG, Urteil vom 28.3.2007, amtl. Abdr. S 10 f.; Niedersächsisches OVG, Urteil vom 27.4.2006 - 5 LB 106/02 -, juris, m.w.N.; Hamburgisches OVG, Urteil vom 24.3.2006 - 1 Bf 15/98.A -, juris; OVG des Saarlandes, Urteil vom 23.10.2002 - 9 R 3/00 -, juris, amtl. Abdr. S. 38 f.) nicht anzunehmen, dass der im Ausland im Verlauf eines Asylverfahrens vollzogene Glaubenswechsel für sich genommen die iranischen Behörden veranlassen könnte, asylrelevante Maßnahmen gegenüber dem Rückkehrer zu ergreifen. Durch eine Konversion im Ausland fühlt der iranische Staat sich in der Regel nicht bedroht, wenn es sich um eine einfache Mitgliedschaft handelt, die weder mit - ernstzunehmender - missionarischer Tätigkeit noch mit Leitungsaufgaben oder anderen hervorgehobenen Funktionen verbunden ist.