OVG Nordrhein-Westfalen

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Zitieren als:
OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 20.07.2007 - 18 B 2514/06 - asyl.net: M10856
https://www.asyl.net/rsdb/M10856
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Zuständigkeit, örtliche Zuständigkeit, Beurteilungszeitpunkt, Ausländerbehörde, Ehegattennachzug, Aufenthaltserlaubnis, nachträgliche Befristung, eigenständiges Aufenthaltsrecht, Ehebestandszeit, Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft
Normen: OBG § 4 Abs. 1; VwVfG § 9; VwVfG § 3 Abs. 3; AufenthG § 7 Abs. 2 S. 2; AufenthG § 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 1; VwGO § 80 Abs. 5
Auszüge:

Die Beschwerde des Antragstellers hat Erfolg.

Der Aussetzungsantrag ist begründet. Das Interesse des Antragstellers, von der Vollziehung der angefochtenen Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 12. Juli 2006 vorerst verschont zu bleiben, überwiegt das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung. Die offensichtliche Rechtmäßigkeit der nachträglichen Befristung der dem Antragsteller erteilten Aufenthaltserlaubnis, die zugleich Grundlage für die Abschiebungsandrohung ist, lässt sich nach Lage der vom Antragsgegner seiner Entscheidung zugrunde gelegten und dem Gericht übersandten Verwaltungsvorgänge nicht feststellen.

Allerdings bestehen entgegen der Ansicht des Antragstellers keine Bedenken gegen die örtliche Zuständigkeit des Antragsgegners. Für den Erlass der angefochtenen Ordnungsverfügung war dieser örtlich zuständig, weil sich der Antragsteller zu jenem Zeitpunkt in seinem Bereich aufhielt. Im Ausländerrecht bestimmt sich die örtliche Zuständigkeit mangels spezieller Vorschriften im Ausländergesetz nach § 4 Abs. 1 OBG NRW, der darauf abstellt, in welchem Bezirk die zu schützenden Interessen verletzt oder gefährdet werden. Dazu gehört – was hier in Betracht kommt – der Aufenthaltsort des Ausländers, von dem Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgehen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 10. Juli 1997 - 18 B 1853/96 m.w.N., vom 6. März 2004 - 18 B 190/03 -, vom 29. Juli 2004 - 18 B 1394/03 und vom 10. Februar 2005 - 18 B 42/05 -).

Die örtliche Zuständigkeit des Antragsgegners ist nicht – wie der Antragsteller meint – durch seinen im Anschluss an den Erlass der Ordnungsverfügung erfolgten Umzug in den Bereich einer anderen Ausländerbehörde entfallen. Denn eine einmal begründete Zuständigkeit bleibt in einem solchen Fall bis zum Abschluss des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens erhalten. Es liegt nicht etwa ein Fall des § 3 Abs. 3 VwVfG NRW vor. Denn die die Zuständigkeit begründeten Umstände haben sich nicht im Laufe des Verwaltungsverfahrens, sondern erst nach dessen Abschluss (vgl. § 9 VwVfG NRW) geändert (vgl. hierzu Senatsbeschlüsse vom 31. März 1992 - 18 B 299/92 -, NWVBl. NW 1992, 371 = EZAR 033 Nr. 1, vom 3. September 2001 - 18 B 1064/00 und vom 13. August 2004 - 18 B 2571/03 -).

Dagegen bestehen nach dem Beschwerdevorbringen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Ordnungsverfügung vom 12. Juli 2006.

Der Antragsgegner und ihm folgend das Verwaltungsgericht sind zwar zutreffend davon ausgegangen, dass für die dem Antragsteller zum Ehegattennachzug erteilte Aufenthaltserlaubnis eine wesentliche Voraussetzung im Sinne von § 7 Abs. 2 Satz 2 AufenthG, nämlich das Bestehen einer ehelichen Lebensgemeinschaft zwischen ihm und seiner inzwischen von ihm geschiedenen Frau C. I., entfallen ist. Dies wird mit der Beschwerde nicht in Frage gestellt.

Es lässt sich aber gegenwärtig nicht abschließend beurteilen, ob die Befristung ausgeschlossen war, weil dem Antragsteller aus anderen Gründen ein Anspruch auf Erteilung oder Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis zustand. Insofern ist abweichend davon, dass bei rechtsgestaltenden Verwaltungsakten – wie hier – grundsätzlich auf die Sachund Rechtslage im Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung abzustellen ist, vorliegend der vom Antragsgegner in seiner Ordnungsverfügung bestimmte Zeitpunkt ihrer Zustellung (26. Juli 2006) maßgeblich. Denn gemäß § 84 Abs. 2 Satz 1 AufenthG lassen Widerspruch und Klage unbeschadet ihrer aufschiebenden Wirkung die Wirksamkeit eines sonstigen Verwaltungsaktes, der – wie die vorliegende Befristungsverfügung – die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts beendet, unberührt. Demzufolge ist für diesen Zeitpunkt neben dem Wegfall einer wesentlichen Voraussetzung im Sinne des § 7 Abs. 2 Satz 2 AufenthG als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal zu prüfen, ob dem Ausländer einen Anspruch auf Erteilung oder Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis aus anderen Gründen zusteht (vgl. Senatsbeschlüsse vom 20. Juli 2004 - 18 B 2303/03 -, NWVBl 2005, 109 = AuAS 2004, 242, zu der dem § 7 Abs. 2 Satz 2 AufenthG entsprechenden Regelung in § 12 Abs. 2 Satz 2 AuslG, und vom 12. Juli 2006 - 18 B 119/06 -).

In Betracht kommt ein Anspruch des Antragstellers auf Erteilung eines (eigenständigen) Aufenthaltserlaubnis nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG.

Eine endgültige Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft führt danach zum Erlöschen der von dem ausländischen Ehegatten bis dahin erworbenen Anwartschaft auf ein eigenständiges Aufenthaltsrecht nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG, und zwar auch dann, wenn die eheliche Lebensgemeinschaft später wieder begründet wird. In der späteren Wiederaufnahme der ehelichen Lebensgemeinschaft liegt vielmehr deren Neubegründung, von der an die nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG erforderliche Mindestbestandszeit der ehelichen Lebensgemeinschaft erneut zu laufen beginnt (vgl. hierzu Senatsbeschlüsse vom 29. November 2000 - 18 B 1627/00 mit weiteren Nachweisen, AuAS 2001, 67, und vom 2. September 2005 - 18 B 494/05 -).

Dabei ist eine eheliche Lebensgemeinschaft nach der Senatsrechtsprechung aufgehoben, wenn die Ehepartner nach außen erkennbar den gemeinsamen Lebensmittelpunkt dauerhaft aufgegeben haben. Dies ist regelmäßig bei einer Trennung im Sinne des § 1566 Abs. 1 BGB der Fall, nach dem unwiderleglich das Scheitern der Ehe vermutet wird, wenn die Eheleute seit einem Jahr getrennt leben und beide Ehegatten die Scheidung beantragen oder der Antragsgegner der Scheidung zustimmt. Indessen ist eine eheliche Lebensgemeinschaft ausländerrechtlich nicht erst zu verneinen, wenn die bürgerlichrechtlichen Voraussetzungen für eine Ehescheidung erfüllt sind. Auf diese für das Scheidungsrecht geltenden Voraussetzungen kommt es ausländerrechtlich nicht notwendigerweise an, wenn es auch nicht ausreicht, dass die Ehe nicht harmonisch verläuft. Dementsprechend gilt grundsätzlich eine Trennung bereits vor Ablauf der Jahresfrist des § 1566 Abs. 1 BGB als vollzogen, wenn die Ehepartner die gemeinsameWohnung ohne unabweislichen Grund aufgegeben haben und in getrennten Wohnungen leben (vgl. Senatsbeschlüsse vom 28. Februar 2000 - 18 B 814/99 -, AuAS 2000, 111 = InfAuslR 2000, 290 = FamRZ 2000, 882 = NVwZBeil I 2000, 115 = ELKT NW 2000, 544 (Ls), und vom 27. Juli 2006 - 18 A 1151/06 jeweils mit weiteren Nachweisen).

Eine dauerhafte Trennung der Ehegatten kann allerdings – wie § 1567 Abs. 1 Satz 2 BGB verdeutlicht und vom Verwaltungsgericht im vorliegenden Fall vorausgesetzt – auch dann vorliegen, wenn das Paar zwar noch zusammen wohnt, aber die für die Aufrechterhaltung der ehelichen Gemeinschaft notwendigen persönlichen Beziehungen erkennbar endgültig und ohne Aussicht auf Versöhnung beendet hat. Davon kann jedoch nur ausgegangen werden, wenn sich der Trennungswille zumindest eines der Ehegatten nach außen auch für den anderen Ehegatten erkennbar manifestiert. Denn die Ehe ist prinzipiell auf Dauer angelegt. Die ihr zugrunde liegende eheliche Lebensgemeinschaft (vgl. § 1353 Abs. 1 Satz 2 BGB) kann deshalb nur durch einen entsprechenden entgegengesetzten Willen aufgehoben werden. Auf das bloße Fehlen ehelicher Gesinnung kommt es für die Feststellung des Getrenntlebens nicht an. Von dem Ehegatten, der sich auf die Trennung beruft, muss gefordert werden, dass er die Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft in dem nach den gegebenen Umständen weitestmöglichen Umfang herbeiführt.