FG Köln

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Zitieren als:
FG Köln, Urteil vom 14.06.2007 - 15 K 4522/05 - asyl.net: M10890
https://www.asyl.net/rsdb/M10890
Leitsatz:

Der Ausschluss von Ausländern mit Duldung vom Kindergeld gemäß § 62 Abs. 2 EStG ist nicht verfassungswidrig.

 

Schlagwörter: D (A), Kindergeld, Aufenthaltsbefugnis, Duldung, Aufenthaltserlaubnis, Erwerbstätigkeit, Verfassungsmäßigkeit, Gleichheitsgrundsatz, Altfälle, Rückwirkung, Mazedonier, deutsch-mazedonisches Sozialabkommen
Normen: EStG § 62 Abs. 2 Nr. 2; EStG § 52 Abs. 61a S. 2; AufenthG § 25 Abs. 5; AufenthG § 60a Abs. 2; GG Art. 3 Abs. 1
Auszüge:

Der Ausschluss von Ausländern mit Duldung vom Kindergeld gemäß § 62 Abs. 2 EStG ist nicht verfassungswidrig.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Die Klage ist nicht begründet. Ausländer, die sich Rahmen einer ausländerrechtlichen Duldung im Inland aufhalten, haben keinen Anspruch auf Kindergeld. Der erkennende Senat folgt insoweit der im BFH-Urteil vom 15. März 2007 (III R 93/03, DB 2007, 1122) dargelegten Auffassung.

1. Die neue Regelung ist mit Wirkung vom 1. Januar 2006 in Kraft getreten und erfasst alle Sachverhalte, bei denen – wie im Streitfall – das Kindergeld noch nicht bestandskräftig festgesetzt worden ist (§ 52 Abs. 61a Satz 2 EStG). Damit gilt die zwischenzeitliche Änderung des § 62 Abs. 2 EStG, die im Zusammenhang mit der Ablösung des AuslG 1990 mit Wirkung vom 1. Januar 2005 durch das Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (AufenthG) vom 30. Juli 2004 (BGBl. I 2004, 1950, 2007), durch welches sich die Systematik der Aufenthaltstitel geändert hat, nicht mehr. Denn diese Regelung beanspruchte nur Gültigkeit in Fällen bestandskräftiger oder rechtskräftiger Entscheidungen. Der hier vorliegende Sachverhalt ist daher nach § 62 Abs. 2 EStG in der ab dem 1.1.2006 gültigen Fassung zu beurteilen.

2. Nach § 62 Abs. 2 Nr. 1 EStG erhält ein nicht freizügigkeitsberechtigter Ausländer Kindergeld, wenn er über eine Niederlassungserlaubnis verfügt. Auch aus einer Aufenthaltserlaubnis, die zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigt oder berechtigt hat, kann sich unter den Voraussetzungen des § 62 Abs. 2 Nr. 2 EStG ein Anspruch auf Kindergeld ergeben. Eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 AufenthG wegen eines Krieges im Heimatland oder nach den §§ 23a, 24, 25 Abs. 3 bis 5 AufenthG kann einen Kindergeldanspruch begründen, wenn sich der Ausländer seit mindestens drei Jahren rechtmäßig, gestattet oder geduldet im Bundesgebiet aufhält und im Bundesgebiet berechtigt erwerbstätig ist, laufende Geldleistungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch bezieht oder Elternzeit in Anspruch nimmt (§ 62 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. Nr. 2 Buchst. c EStG). Ein Aufenthalt aufgrund einer Duldung berechtigt auch nach neuem Recht nicht zum Bezug von Kindergeld.

Duldungen bleiben nach § 102 AufenthG für den Zeitraum ihrer Geltungsdauer weiter wirksam. Nach Ablauf der Geltungsdauer ist zu entscheiden, ob eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 bis 5 AufenthG oder eine Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 4 AufenthG erteilt werden kann oder die Duldung nach § 60a AufenthG zu verlängern ist (Renner, Ausländerrecht, 8. Aufl. 2005, § 102).

3. Der Kläger hatte im maßgeblichen Zeitraum keinen Aufenthaltstitel. Die Abschiebung war lediglich ausgesetzt. Er war somit lediglich geduldet i.S.d. im Streitjahr geltenden § 60a AufenthG (s. Blatt 66f. der FG-Akte).

4. Die neue gesetzliche Regelung begegnet nach Auffassung des Senats keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.

a. Das BVerfG hat nicht das Ziel der gesetzlichen Neufassung von § 1 Abs. 3 BKGG verworfen, Kindergeld nur solchen Ausländern zu gewähren, von denen zu erwarten sei, dass sie auf Dauer in Deutschland bleiben, sondern die getroffene Regelung als ungeeignet angesehen, dieses Ziel zu erreichen.

Die Neuregelung in § 62 Abs. 2 EStG ist nach Auffassung des Senats geeignet, das o.g. Ziel zu erreichen. Zum einen ist zu berücksichtigen, dass die Frage, ob die Voraussetzungen für einen Kindergeldanspruch vorliegen, nicht mehr – wie in der verfassungswidrig erklärten Regelung – allein danach beurteilt wird, nach welcher Vorschrift des AufenthG eine Aufenthaltserlaubnis erteilt worden ist. Eine entscheidende Rolle spielt, ob der Titel zur Erwerbstätigkeit berechtigt oder berechtigt hat. Denn gerade die Erwerbstätigkeit kann für die wirtschaftliche Integration sprechen.

Zum anderen knüpft der neu gefasste § 62 Abs. 2 EStG an die Neuregelung des ab dem 1.1.2005 geltenden AufenthG an. Hiernach können auch diejenigen ausländischen Mitbürger kindergeldanspruchsberechtigt werden, wenn sie einen Aufenthaltstitel nach § 25 Abs. 5 AufenthG (§ 62 Abs. 2 Nr. 2c EStG) erhalten und die weiteren Voraussetzungen des § 62 Abs. 2 Nr. 3 EStG erfüllen. Vor diesem Hintergrund ist die Regelung, ausschließlich geduldeten ausländischen Mitbürgern keinen Anspruch auf Kindergeld zu gewähren, sofern sie nicht die in § 62 Abs. 2 Nr. 3 EStG erfüllen, hinreichend sachlich gerechtfertigt. Die Regelungen in § 62 Abs. 2 Nr. 3 EStG halten sich deshalb in dem dem Gesetzgeber im Bereich der gewährenden Staatstätigkeit zustehenden Gestaltungsspielraum (so auch FG Düsseldorf, Urteil vom 23. Januar 2007 - 10 K 5107/05 Kg, EFG 2007, 600). Die getroffene Regelung, geduldeten Ausländern keinen Anspruch auf Kindergeld zu gewähren, ist im Hinblick auf die Eigenart des zu regelnden Sachverhalts vertretbar und nicht sachfremd und stellt daher keinen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG dar.

Im Übrigen schließt sich der Senat den Ausführungen des BFH in seinem Urteil vom 15. März 2007 - III R 93/03 (unter II.4).

b. Aus den unter Abschnitt a. dargelegten Erwägungen folgt der Senat auch nicht der Ansicht des 10. Senats des FG Köln (Vorlagebeschluss an das BVerfG vom 9. Mai 2007, 10 K 1690/07 nv juris).

Soweit der 10. Senat die Ansicht vertritt, dass der Gesetzgeber sich durch die Neuregelung im Ergebnis nicht dem Phänomen stelle, dass es eine große Anzahl von Ausländern gebe, die bereits seit vielen Jahren gestattet oder geduldet im Bundesgebiet leben, teilt der erkennende Senat diese Ansicht nicht. Wie oben dargestellt hat der Gesetzgeber das Problem der sog. Kettenduldung gesehen und mit der Einführung des § 25 Abs. 5 AufenthG die Möglichkeit geschaffen, die Praxis der bisherigen Kettenduldungen zu beenden. Mit der Möglichkeit einen Titel nach § 25 Abs. 5 AufenthG zu erhalten, kann auch eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung vermieden werden. Denn mit der neuen Bestimmung hielt der Gesetzgeber einen insoweit positiven Ermessensgebrauch jedenfalls für Minderjährige und für seit längerem in Deutschland aufenthältliche Ausländer für geboten (BT-Drucks. 15/420, 80).

Warum der Kläger im vorliegenden Fall im Jahr 2005 keinen Aufenthaltstitel nach § 25 Abs. 5 AufenthG sondern lediglich eine Duldung nach § 60a AufenthG erhalten hat, braucht im Streitfall nicht geprüft zu werden. Denn im Kindergeldverfahren ist das Ausländerrecht nicht eigenständig anzuwenden. Soweit die Ausländerbehörde eine bindende Statusfeststellung mit Wirkung gegen Dritte getroffen haben, kommt dieser Tatbestandswirkung zu (BFH-Urteil vom 20. Februar 1998 VI B 205/97, BFH/NV 1998, 963; vgl. BSG-Urteil vom 13. August 1996 - 10 RKg 11/95, Kompaß 1997, 177).

5. Der Kläger hat auch keinen Anspruch nach Artikel 28 des deutsch-jugoslawischen Abkommens über soziale Sicherheit vom 12. Oktober 1968 (BGBl. II 1969, 1438) i.d.F. des Änderungsabkommens vom 30. September 1974 (BGBl. II 1975, 389), da dieses Abkommen seit dem 1.1.2005 für mazedonische Staatsangehörige durch das deutsch-mazedonische Abkommen über Soziale Sicherheit vom 8. Juli 2003 (BGBl. II 2004, 1066 und BGBl. II 2005, 95) ersetzt worden ist (Art. 42). Das Kindergeld für Arbeitnehmer wird in dem neuen Abkommen nicht mehr geregelt (Art. 2 Abs. 1). In Deutschland lebende mazedonische Staatsangehörige haben somit nur dann einen Kindergeldanspruch, wenn die Voraussetzungen des § 62 Abs. 2 EStG erfüllt sind. Es kommt daher für den Streitfall nicht darauf an, ob ein in einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme Beschäftigter Arbeitnehmer i. S. d. des deutsch-jugoslawischen Abkommens ist.