VGH Bayern

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Zitieren als:
VGH Bayern, Urteil vom 13.06.2007 - 14 B 05.30387 - asyl.net: M10892
https://www.asyl.net/rsdb/M10892
Leitsatz:
Schlagwörter: Iran, Folgeantrag, Nachfluchtgründe, Altfälle, Zuwanderungsgesetz, Rückwirkung, subjektive Nachfluchtgründe, atypischer Ausnahmefall, exilpolitische Betätigung, Regimegegner, Abschiebungshindernis, zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse, menschenrechtswidrige Behandlung
Normen: AufenthG § 60 Abs. 1; AsylVfG § 28 Abs. 2; AufenthG § 60 Abs. 5
Auszüge:

I. Der Kläger hat zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat keinen Anspruch auf die Feststellung des Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 1 AufenthG, das mit Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes – ZuwandG – vom 30. Juli 2004 (BGBl. I S. 1950) am 1. Januar 2005 an die Stelle des Abschiebungsverbotes nach § 51 Abs. 1 AuslG getreten ist. Denn dem Kläger ist gemäß § 28 Abs. 2 AsylVfG die Berufung auf die im Folgeverfahren geltend gemachten Nachfluchttatbestände verwehrt.

Nach § 28 Abs. 2 AsylVfG kann die Feststellung, dass die in § 60 Abs. 1 AufenthG bezeichneten Gefahren vorliegen, in einem Folgeverfahren in der Regel nicht getroffen werden, wenn der Ausländer nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung eines früheren Asylantrags erneut einen Asylantrag stellt und diesen auf Umstände im Sinne des § 28 Abs. 1 AsylVfG stützt, die nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung des früheren Asylantrags entstanden sind. Diese gemäß Art. 15 Abs. 3 ZuwandG am 1. Januar 2005 in Kraft getretene Regelung ist in dem vorliegenden vom Kläger schon vor dem 1. Januar 2005 eingeleiteten Folgeverfahren anwendbar. Der Senat teilt die in der obergerichtlichen Rechtsprechung vertretene Auffassung, dass darin keine echte Rückwirkung, sondern eine tatbestandliche Rückanknüpfung (unechte Rückwirkung) zu sehen ist und dass die Regelung des § 28 Abs. 2 AsylVfG die verfassungsrechtlichen Schranken einer solchen unechten Rückwirkung wahrt (so: OVG NRW vom 12.7.2005 InfAuslR 2005, 489; OVG RhPf vom 5.1.2006 AuAS 2006, 102 f.; OVG Bremen vom 20.7.2006, Az. 2 A 215/05.A Juris RdNrn. 11 ff.; NdsOVG vom 16.6.2006 InfAuslR 2006, 421 f.).

Nach § 28 Abs. 2 AsylVfG soll dann, wenn nach Abschluss des ersten Asylverfahrens vom Asylbewerber aus eigenem Entschluss geschaffene Verfolgungsgründe mangels Kausalität zwischen Verfolgung und Flucht in der Regel nicht zur Asylgewährung führen können, auch die Gewährung von Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 1 AufenthG in der Regel ausgeschlossen sein. Eine Ausnahme gilt wenn der Entschluss einer festen, bereits im Herkunftsland erkennbar betätigten Überzeugung entspricht. Notwendig ist somit ein konkreter Zusammenhang zwischen der im Herkunftsland erkennbar betätigten Überzeugung und der exilpolitischen Tätigkeit (vgl.: OVG NRW vom 12.7.2005 a.a.O. S. 490; OVG RhPf vom 5.1.2006 a.a.O. S. 104 f.; OVG Bremen vom 20.7.2006 a.a.O.; NdsOVG vom 16.6.2006 InfAuslR 2006, 421/422; NdsOVG vom 18.7.2006 Az. 11 LB 75/06 Juris RdNr. 65).

Eine solche Ausnahmefallgestaltung, die dem Eintritt der Rechtsfolge des § 28 Abs. 2 AsylVfG entgegenstehen könnte, liegt hier nicht vor. Denn der Kläger hat sein Heimatland nach den bestandskräftigen Feststellungen im Bescheid des Bundesamts vom 26. Mai 2000 (S. 5 der Gründe) unverfolgt verlassen. Anhaltspunkte dafür, dass er sich im Iran vor seiner Ausreise politisch auffällig verhalten oder eine feste regimekritische Überzeugung geäußert hätte, vermag der Senat auch nach Durchführung der mündlichen Verhandlung und nach informatorischer Befragung des Klägers nicht zu erkennen.

II. Dagegen ist der im erstinstanzlichen Verfahren hilfsweise geltend gemachte Anspruch auf Feststellung des Vorliegens von Abschiebungshindernissen i.S.v. § 53 AuslG, über den der Senat in der Berufungsinstanz zu entscheiden hat (BVerwG, Urteil vom 15.4.1997 BVerwGE 104, 260/262 ff.), und der sich nunmehr auf die Feststellung von sonstigen Abschiebungsverboten im Sinne von § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG richtet, insoweit begründet, als das Vorliegen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG hinsichtlich des Iran festzustellen ist. Denn aufgrund der Qualität und Quantität der exilpolitischen Betätigung des Klägers, vor allem aber auf Grund des Umstands, dass sich die von ihm dabei vorgebrachte Kritik – wie auch das Verwaltungsgericht im einzelnen dargelegt hat – gegen die islamische Ausrichtung der iranischen Regierung und gegen die Grundprinzipien des Gottesstaates Iran richtet (S. 8 der Entscheidungsgründe), ist in Bezug auf den Kläger von einer erhöhten Gefährdung im Falle einer Rückkehr in den Iran auszugehen, wobei Verfolgungsmaßnahmen mit Gefahr für Leib und Leben nicht auszuschließen sind.