VG Schleswig-Holstein

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Zitieren als:
VG Schleswig-Holstein, Urteil vom 04.06.2007 - 15 A 252/06 - asyl.net: M10916
https://www.asyl.net/rsdb/M10916
Leitsatz:

Der Bezug von Wohngeld steht nur dann der Sicherung des Lebensunterhalts nach § 2 Abs. 3 AufenthG entgegen, wenn ohne ihn das Einkommen nicht ausreichen würde, den unmittelbaren Lebensbedarf zu decken.

 

Schlagwörter: D (A), Niederlassungserlaubnis, Lebensunterhalt, Wohngeld, Ausweisungsgrund, Sozialhilfebezug
Normen: AufenthG § 26 Abs. 4; AufenthG § 9 Abs. 2 Nr. 2; AufenthG § 2 Abs. 3; AufenthG § 55 Abs. 2 Nr. 6
Auszüge:

Der Bezug von Wohngeld steht nur dann der Sicherung des Lebensunterhalts nach § 2 Abs. 3 AufenthG entgegen, wenn ohne ihn das Einkommen nicht ausreichen würde, den unmittelbaren Lebensbedarf zu decken.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Die zulässige Klage der Klägerin zu 2) ist insoweit begründet, als die Klägerin eine Neubescheidung über ihren Antrag beanspruchen kann; im Übrigen ist ihre Klage unbegründet.

Gemäß § 26 Abs. 4 AufenthG kann einem Ausländer, der seit sieben Jahren eine Aufenthaltserlaubnis nach dem 5. Abschnitt des Aufenthaltsgesetzes besitzt, eine Niederlassungserlaubnis erteilt werden, wenn die in § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 bis 9 bezeichneten Voraussetzungen vorliegen (dabei ist hier die Übergangsregelung des § 104 Abs. 2 AufenthG zu beachten). Die Aufenthaltszeit des der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis vorangegangen Asylverfahrens wird auf die Frist angerechnet.

Bezüglich der hier streitigen Voraussetzungen des § 9 Abs. 2 Ziffer 2 AufenthG (gesicherter Lebensunterhalt) gilt folgendes:

Der Lebensunterhalt eines Ausländers ist gemäß § 2 Abs. 3 AufenthG dann gesichert, wenn er ihn einschließlich ausreichenden Krankenversicherungsschutzes ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel bestreiten kann. Die Fähigkeit zur Bestreitung des Lebensunterhalts ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel darf nicht nur vorübergehend sein. Dementsprechend ist eine Prognoseentscheidung zu treffen, ob die öffentliche Haushalte durch die Pflicht, den Lebensunterhalt des Ausländers zu sichern, nur vorübergehend belastet werden (vgl. Ziffer 2.3.2 der vorläufigen Anwendungshinweise). Der Bedarf für den Lebensunterhalt ist dabei nach den besonderen Umständen des Einzelfalles unter dem Gesichtspunkt eines menschenwürdigen Daseins und der persönlichen Lebenssituation wie Alter, Beruf und Familienstand sowie Gesundheitszustand zu ermitteln. Dabei sind u. a. die Unterbringungskosten zu ermitteln. Als Anhaltspunkt für die Bedarfsentwicklung kann der Regelsatz der Sozialhilfe zuzüglich eines Aufschlages für Sonderbedarf herangezogen werden (Ziffer 2.3.3.0 der vorläufigen Anwendungshinweise). Nur der notwendige Unterhalt des Ausländers selbst muss gedeckt sein, der Bedarf von Unterhaltsberechtigten oder anderen Familienangehörigen ist in dem vorliegenden Zusammenhang nicht zusätzlich anzusetzen (Renner, AuslR, 8. Aufl. 2005, § 2, Rd. 13; Ziffer 2.3.3.1 der vorläufigen Anwendungshinweise).

Der Standpunkt des Beklagten, der Lebensunterhalt der Klägerin zu 2) sei nicht gesichert, weil sie in der Zukunft einen Wohngeldanspruch haben könnte, ist unzutreffend. Die fehlerhafte Einschätzung des Beklagten ist darauf zurückzuführen, dass er es unterlassen hat, für die Klägerin zu 2) den Bedarf für ihren Lebensunterhalt zu definieren und anhand der Einkünfte der Klägerin zu 2) zu überprüfen, ob dieser Bedarf bedeckt ist. Diese Vorgehensweise, die insbesondere auch die vorläufigen Anwendungshinweise vorsehen, hat der Beklagte nicht beachtet. Dies trug dazu bei, dass die Bedeutung eines eventuellen Wohngeldanspruches überschätzt wurde, so dass der Antrag mit fehlerhaften Erwägungen abgelehnt wurde.

Soweit der Beklagte geltend macht, dass die Klägerin bei Gesamtbetrachtung der Familie möglicherweise künftig Wohngeld beziehen könnte, ist sein Vorbringen unerheblich. Der Wohngeldbezug ist nicht für sich genommen ein Versagungsgrund. Es kommt hier gemäß § 2 Abs. 3 AufenthG vielmehr nur darauf an, ob der Lebensunterhalt eines Ausländers ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel bestritten werden kann. In den Fällen, in denen das Wohngeld erforderlich ist, um den unmittelbaren Lebensbedarf bestreiten, ist der Wohngeldbezug in der Tat schädlich. Solche Fälle sind dadurch geprägt, dass sich Personen mit geringem Einkommen gegen den Bezug sog. Transferleistungen entscheiden, und dafür lieber Wohngeld beziehen. So liegt der vorliegende Fall nicht, denn die Klägerin ist weit davon entfernt, einen Anspruch auf Transferleistungen zu haben. Selbst wenn die Klägerin Wohngeld beziehen würde, was zum Zeitpunkt des Widerspruchsbescheides nicht der Fall war, stünde dies einer Niederlassungserlaubnis daher nicht entgegen.

Ohne Erfolg verweist der Beklagte auch auf § 55 Abs. 2 Nr. 6 AufenthG. Nach dieser Vorschrift stellt es einen Ausweisungsgrund dar, wenn der Ausländer für sich, oder seinen Familienangehörigen Sozialhilfe in Anspruch nimmt. Diese Vorschrift ist nicht einschlägig. Weder die Klägerin noch ihre Angehörigen beziehen Sozialhilfe. Wohngeld und Sozialhilfe sind nicht gleichzusetzen.