VG Ansbach

Merkliste
Zitieren als:
VG Ansbach, Urteil vom 18.04.2007 - AN 11 K 07.30218 - asyl.net: M11010
https://www.asyl.net/rsdb/M11010
Leitsatz:
Schlagwörter: Afghanistan, Widerruf, Asylanerkennung, Flüchtlingsanerkennung, Machtwechsel, Kommunisten, Gebietsgewalt, Karzai, Warlords, Sicherheitslage, Kabul, Verfolgung durch Dritte, mittelbare Verfolgung, nichtstaatliche Verfolgung
Normen: AsylVfG § 73 Abs. 1; GG Art. 16a Abs. 1; AufenthG § 60 Abs. 1
Auszüge:

Die zulässige Anfechtungsklage ist unbegründet.

1. Rechtsgrundlage für den Widerruf der Anerkennung als Asylberechtigter ist § 73 AsylVfG in der Fassung von Art. 3 Nr. 46 des Zuwanderungsgesetzes (ZuwanderungsG) vom 30. Juli 2004, BGBl I S. 1950 (BVerwG vom 1.11.2005 InfAuslR 2006, 244).

a) Als derartig grundlegende Veränderungen der Sachlage gegenüber der früheren Asylanerkennung sind nämlich zunächst die politischen Verhältnisse nach dem Sturz des kommunistischen Regimes in Afghanistan anzusehen, die zum Wegfall dieser früheren afghanischen Regierung als Verfolgersubjekt geführt haben.

b) Soweit eine politische Verfolgung durch die aktuelle Interimsregierung in Afghanistan befürchtet würde, was im Übrigen schon nicht substantiiert wurde, hält das Gericht nach den in das Verfahren eingeführten Erkenntnismitteln bereits das Tatbestandsmerkmal der Staatlichkeit bzw. Quasistaatlichkeit im Sinne der maßgeblichen Rechtsprechung des Bundesverfassungs- und Bundesverwaltungsgerichts für nicht gegeben, weil auch derzeit eine effektive Staatsgewalt als Subjekt der Verfolgung in Afghanistan (noch) nicht vorliegt.

Zwar kommen auch Verfolgungsmaßnahmen Dritter als politische Verfolgung im Sinne des Asylgrundrechts in Betracht. Dies setzt allerdings voraus, dass sie dem jeweiligen Staat zuzurechnen sind.

Nach diesen Grundsätzen ist nach Auswertung und Würdigung vorstehender Auskunftslage auch keine mittelbare staatliche Verfolgung darin zu erblicken, dass sie insbesondere Warlords oder früheren Mudjaheddin freie Hand ließe. Denn nach vorstehenden Ausführungen fehlt es schon an Staatlichkeit in Afghanistan, die als Anknüpfungspunkt auch für eine mittelbare Verfolgung vorliegen muss, und im Übrigen entspricht dies erkennbar auch nicht dem Eigenverständnis von Präsident Karzai. Ursache für ein möglicherweise nicht erfolgendes Einschreiten der Regierung gegen diese ist weiter ausschließlich eine insoweit fehlende Machtposition.

Nach § 60 Abs. 1 Satz 4 c) AufenthG kann eine (politische) Verfolgung (auch) ausgehen von nichtstaatlichen Akteuren, sofern die unter den vorstehenden Buchstaben a und b genannten Akteure, insbesondere der Staat selbst, einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor der Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht, es sei denn, es besteht eine innerstaatliche Fluchtalternative.

Soweit befürchtet wird, dass Rückkehrer nach Afghanistan deshalb drangsaliert würden, weil bei ihnen Geld vermutet würde, das weggenommen werden könnte, erscheint dies schon als nicht beachtlich wahrscheinlich (Lageberichterstattung des Auswärtigen Amts, zuletzt vom 17.3.2007) und weiter in diesem Zusammenhang auch rechtlich irrelevant.