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Zitieren als:
BVerwG, Urteil vom 14.03.2006 - 1 C 5.05 - asyl.net: M11070
https://www.asyl.net/rsdb/M11070
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Abschiebungskosten, Kostenrecht, Kosten, Zuständigkeit, sachliche Zuständigkeit, notwendige Beiladung, Bundesgrenzschutz, Personalkosten, Zentrale Abschiebestelle, Flugbegleitung, ausländische Flugbegleiter, Verwaltungskosten, Erforderlichkeit
Normen: VwGO § 65 Abs. 2; AuslG § 63 Abs. 1; AuslG § 83 Abs. 4; AuslG § 83 Abs. 1 Nr. 2; AufenthG § 67 Abs. 1; AuslG § 83 Abs. 1 Nr. 3; VwKostG § 1 Abs. 1; VwKostG § 10 Abs. 1 Nr. 7; VwKostG § 14 Abs. 2 S. 1
Auszüge:

2. Soweit die Revision als Verfahrensmangel geltend macht, das Berufungsgericht habe § 65 Abs. 2 VwGO verletzt, weil es die notwendige Beiladung der Bundesrepublik Deutschland und des Landes Sachsen-Anhalt unterlassen habe, greift diese Rüge nicht durch.

Betreibt eine Ausländerbehörde – wie hier – die Abschiebung eines Ausländers, so ist sie nach § 63 Abs. 1 AuslG die für diese Maßnahme insgesamt zuständige Behörde, auch wenn sie zur Durchführung der Abschiebung andere Behörden heranzieht. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist allein die Ausländerbehörde in diesen Fällen als zuständige Behörde im Sinne des § 83 Abs. 4 Satz 1 AuslG zur Erhebung der gesamten Abschiebungskosten einschließlich der Kosten der hinzugezogenen Behörden gegenüber dem Ausländer befugt (Urteil vom 14. Juni 2005 - BVerwG 1 C 11.04 - Buchholz 402.240 § 83 AuslG Nr. 6, zur Veröffentlichung in der Entscheidungssammlung BVerwGE vorgesehen). Die Ausländerbehörde macht dabei die Kosten der Abschiebung auch insoweit im eigenen Namen geltend, als es um Kosten anderer Behörden geht. Dieses im Gesetz angelegte Zuständigkeitssystem führt dazu, dass im Außenverhältnis ausschließlich die Ausländerbehörde dem Kostenschuldner gegenübertritt. Sie tritt im gesamten Kostenerhebungsverfahren in einer Art "Verfahrensstandschaft" für alle an der Abschiebung beteiligten Behörden auf.Weder die Bundesrepublik Deutschland – für den Bundesgrenzschutz – noch das Land Sachsen-Anhalt – für die Zentrale Abschiebestelle – sind an diesem Rechtsverhältnis daher als Dritte mit eigenen Rechten beteiligt, die im Wege der notwendigen Beiladung prozessual zur Geltung gebracht werden müssten.

3. In der Sache rügt die Revision allerdings zu Recht, dass das Berufungsgericht den angefochtenen Bescheid, soweit er Gegenstand des Revisionsverfahrens ist, nicht schon wegen Fehlens der sachlichen Zuständigkeit des Beklagten hätte aufheben dürfen.

Wie oben zu 1. bereits ausgeführt, ist das Berufungsgericht – im Anschluss an das Oberverwaltungsgericht Koblenz – davon ausgegangen, dass die Ausländerbehörde keine Zuständigkeit dafür habe, Abschiebungskosten für andere Behörden zu erheben. Der Senat hat inzwischen geklärt, dass die Ausländerbehörde – hier der Beklagte – gemäß § 83 Abs. 4 Satz 1 i. V. m. § 63 Abs. 1 AuslG berechtigt ist, die Kosten der Abschiebung auch insoweit geltend zu machen, als diese bei dem zur Durchführung der Abschiebung herangezogenen Bundesgrenzschutz sowie anderen an der Abschiebung beteiligten Behörden entstanden sind (Urteil vom 14. Juni 2005 - BVerwG 1 C 11.04 a.a.O.).

4. Im Ergebnis hat das Berufungsgericht allerdings den Bescheid hinsichtlich der Kosten der Zentralen Abschiebestelle zu Recht aufgehoben. Die in Sachsen-Anhalt eingerichtete und an eine allgemeine Ausländerbehörde angegliederte Zentrale Abschiebestelle hat für die Vorbereitung der Abschiebung des Klägers drei Stunden Arbeitszeit à 50 DM für einen Beamten des mittleren Dienstes oder einen vergleichbaren Angestellten in Rechnung gestellt. Es handelt sich daher um allgemeine Personalkosten. Die Erstattung derartiger Kosten ist gesetzlich nicht vorgesehen. Weder das Ausländergesetz noch die auf der Grundlage des Ausländergesetzes erlassene Ausländergebührenverordnung noch das ergänzend heranzuziehende Verwaltungskostengesetz enthalten Regelungen, die den Kostenanspruch des Beklagten rechtfertigen (zur AuslGebV und zum VwKostG vgl. § 81 Abs. 1 bis 3 AuslG). Sieht man von der speziellen Kostenvorschrift des § 83 AuslG ab, können Personalkosten, die einer Ausländerbehörde bzw. einer durch das Ausländergesetz ermächtigten Behörde bei der Durchführung einer Abschiebung entstehen, nur erhoben werden, sofern sie in einem entsprechenden Gebührentatbestand enthalten sind (vgl. § 81 Abs. 1 und 2 AuslG und § 1 Abs. 1 und § 3 VwKostG). Weder die Ausländergebührenverordnung noch das Verwaltungskostengesetz sehen jedoch eine Gebühr für die Vorbereitung einer Abschiebung vor.

Dem Beklagten stehen die Kosten auch nicht nach § 83 Abs. 1 Nr. 2 AuslG (jetzt § 67 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG) zu. Nach dieser Vorschrift umfassen die Kosten der Abschiebung die bei der Vorbereitung und Durchführung der Maßnahme entstehenden Verwaltungskosten einschließlich der Kosten für die Abschiebungshaft und der Übersetzungskosten und die Ausgaben für die Unterbringung, Verpflegung und sonstige Versorgung des Ausländers. Verwaltungskosten in diesem Sinne schließen Personalkosten nicht ohne weiteres, sondern nur insoweit ein, als dies im Gesetz besonders geregelt ist, wie etwa bei Personalkosten, die bei einer erforderlichen amtlichen Begleitung des Ausländers entstehen (§ 83 Abs. 1 Nr. 3 AuslG). Zu den Kosten der Abschiebung gehören ferner Personalkosten, die im Zusammenhang mit den in § 83 Abs. 1 Nr. 2 AuslG im Einzelnen aufgeführten, die Abschiebung vorbereitenden und begleitenden Maßnahmen stehen (z. B. Kosten der Abschiebungshaft; vgl. dazu Urteil des Senats vom 14. Juni 2005 - BVerwG 1 C 15.04 - Buchholz 402.240 § 82 AuslG Nr. 2, zur Veröffentlichung in der Entscheidungssammlung BVerwGE vorgesehen).

Dagegen können die sonstigen, allgemeinen oder laufenden Personalkosten der Ausländerbehörde oder anderer an der Abschiebung beteiligter Behörden nicht als Teil der Verwaltungskosten im Sinne des § 83 Abs. 1 Nr. 2 AuslG angesehen werden (ebenso Hailbronner, Ausländerrecht, Januar 2005, § 67 AufenthG Rn. 4; Funke-Kaiser,

GK-AufenthG, April 2005, § 67 Rn. 12; Kloesel/Christ/Häußer, Deutsches Aufenthalts- und Ausländerrecht, August 2004, § 83 AuslG Rn. 20; vgl. ferner BT-Drucks 11/6321 S. 84; Urteil des Senats vom 29. Juni 2000 - BVerwG 1 C 25.99 BVerwGE 111, 284 <287> = Buchholz 402.240 § 83 AuslG Nr. 1; Urteil des Senats vom 18. März 2003 - BVerwG 1 C 9.02 - Buchholz a.a.O. Nr. 4).

5. Hinsichtlich der Kosten des Bundesgrenzschutzes für die ausländischen Flugbegleiter kann der Senat in der Sache nicht abschließend entscheiden. Ob der Beklagte, der auch insoweit zur alleinigen Geltendmachung der dem Bundesgrenzschutz entstandenen Kosten befugt ist, die Erstattung dieser Kosten von dem Kläger verlangen kann, lässt sich aufgrund der bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht beurteilen.

a) Eine Erstattung nach § 83 Abs. 1 Nr. 3 AuslG (jetzt § 67 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG) scheidet allerdings entgegen der vom Berufungsgericht vertretenen Auffassung aus. Nach dieser Regelung umfassen die Kosten der Abschiebung sämtliche durch eine erforderliche amtliche Begleitung des Ausländers entstehenden Kosten einschließlich der Personalkosten. Eine Begleitung durch ausländisches Personal stellt keine „amtliche“ Begleitung in diesem Sinne dar.

In diesem Zusammenhang kann hier offen bleiben, ob § 83 Abs. 1 Nr. 3 AuslG eng auszulegen und die Kostenerstattung auf die Begleitung durch deutsche Hoheitsträger zu beschränken oder – wie die Vertreterin des Bundesinteresses meint – in einem weiteren Sinne zu verstehen ist und auch eine amtlich angeordnete Begleitung durch deutsches Personal erfasst (vgl. Nr. 83.1.1. der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Ausländergesetz vom 28. Juni 2000, BAnz – Beilage – Nr. 188a vom 6. Oktober 2000) und ebenso Nr. 67.1.1 der Vorläufigen Anwendungshinweise zum Aufenthaltsgesetz vom 22. Dezember 2004).

b) Der Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, dass das Rückführungsabkommen zwischen Deutschland und Jugoslawien vom 10. Oktober 1996 die darin vereinbarte Flugbegleitung durch jugoslawisches Personal in Art. 7 als "amtliche Begleitung" bezeichnet. Das Abkommen ist zwar als Verwaltungsabkommen völkerrechtlich wirksam. Daraus ergibt sich aber unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt etwas für die Auslegung und Anwendung von § 83 Abs. 1 Nr. 3 AuslG.

c) Eine Kostenerstattung durch den Kläger kommt jedoch nach § 83 Abs. 1 Nr. 2 AuslG i.V.m. den Regelungen des Verwaltungskostengesetzes zur Erstattung von Auslagen in Betracht. Die Anwendung dieser Bestimmungen ist nicht durch § 83 Abs. 1 Nr. 3 AuslG, der eine Erweiterung und nicht eine Beschränkung der Erstattungspflicht zum Ziel hat, ausgeschlossen. Gemäß § 83 Abs. 1 Nr. 2 AuslG hat der Ausländer die bei der Vorbereitung und Durchführung einer Abschiebung entstehenden "Verwaltungskosten" zu tragen. Nach dem ergänzend heranzuziehenden Verwaltungskostengesetz (§ 81 Abs. 2 Satz 2 AuslG) sind Verwaltungskosten die bei behördlicher Verwaltungstätigkeit anfallenden Gebühren und Auslagen (§ 1 Abs. 1 VwKostG). Nach § 10 Abs. 1 Nr. 7 VwKostG gehören zu den erstattungsfähigen Auslagen, die im Zusammenhang mit einer (deutschen) Amtshandlung entstehen, auch Beträge, die anderen in- und ausländischen Behörden, öffentlichen Einrichtungen oder Beamten zustehen.

Der jugoslawischen Seite stehen die hier streitigen Flugkosten und Tagegelder zu, wenn bei der Begleitung des Klägers durch jugoslawische Sicherheitskräfte nach den Bestimmungen des Abkommens und des am 10. Dezember 1996 zwischen den Vertragsparteien vereinbarten Protokolls zur Durchführung des Abkommens verfahren worden ist und die bereits verauslagten Beträge auch der Höhe nach nicht zu beanstanden sind. Dies muss vom Berufungsgericht in dem erneuten Berufungsverfahren geprüft werden. Bisher fehlen hierzu tragfähige Feststellungen.

Eine Verpflichtung des Klägers, die Kosten für die jugoslawischen Flugbegleiter den deutschen Behörden im Wege des Auslagenersatzes zu erstatten, setzt allerdings nach dem auch im Verwaltungskostenrecht geltenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im weiteren Sinne voraus, dass es erforderlich war, ihn bei seiner Abschiebung auf dem Rückflug nach Jugoslawien zu begleiten (vgl. § 14 Abs. 2 Satz 1 VwKostG).