VG Frankfurt a.M.

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Zitieren als:
VG Frankfurt a.M., Beschluss vom 23.10.2006 - 7 G 3999/06(1) - asyl.net: M11074
https://www.asyl.net/rsdb/M11074
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Duldung, Erwerbstätigkeit, Abschiebungshindernis, Vertretenmüssen, Mitwirkungspflichten, Passbeschaffung, Serbien, Beweislast, vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren), einstweilige Anordnung, Eilbedürftigkeit, Vorwegnahme der Hauptsache
Normen: BeschVerfV § 10 S. 1; AufenthG § 4 Abs. 3; BeschVerfV § 11; VwGO § 123 Abs. 1
Auszüge:

Der Eilantrag ist zulässig, insbesondere nach § 123 Abs. 1 VwGO statthaft und im tenorierten Umfang gemäß § 10 Satz 1 Beschäftigungsverfahrensverordnung – BeschVerfV – begründet.

Der Eilantrag ist zunächst nach § 123 Abs. 1 VwGO statthaft. Gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 AufenthG dürfen Ausländer eine Beschäftigung nur ausüben, wenn der Aufenthaltstitel es erlaubt. Die Antragstellerin verfügt nicht über einen Aufenthaltstitel sondern nur über eine befristete Duldung. Gemäß § 42 Abs. 2 Nr. 5 AufenthG i. V. m. § 10 Satz 1 BeschVerfV kann geduldeten Ausländern ausnahmsweise die Ausübung einer Beschäftigung erlaubt werden. In der Hauptsache müsste die Antragstellerin Klage auf Erteilung einer solchen Erlaubnis als Zusatz zur erhaltenen Duldung, also Verpflichtungsklage erheben. Im Eilverfahren kann eine vorläufige Regelung mithin nur über § 123 Abs. 1 VwGO erreicht werden (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 12.10.2005 - 11 S 1011/05 -, OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 18.01.2006 - 18 B 1772/05 -, Bartelheim, InfAuslR 2005, 458).

Das Vorliegen eines sogenannten Anordnungsgrundes, die Dringlichkeit für die begehrte vorläufige gerichtliche Entscheidung, ist von der Antragstellerin auch unter Berücksichtigung des Gesichtspunktes der Vorwegnahme der Hauptsache hinreichend dargetan. Es drohen wesentliche Nachteile. Ein gerichtliches Hauptsacheverfahren würde nicht hinreichend Rechtsschutz bieten. Denn offenbar ist derzeit eine Stelle für die Antragstellerin bei der Firma D. Pflegedienst, ... vorhanden. Zweifelhaft ist, ob die Stelle langfristig freigehalten werden kann, weil der D. Ambulante Pflegedienst im Schreiben vom 28.08.2006 ebenfalls bestätigt hat, dass die Stelle als Pflegehelferin und Hauswirtschafterin nur vorübergehend frei ist. Es droht daher die Gefahr, dass das konkrete Beschäftigungsverhältnis bald nicht mehr zur Verfügung steht. Der Wegfall eines derzeit vorhandenen Arbeitsplatzes ist als wesentlicher Nachteil, der durch Gewährung gerichtlichen Eilrechtsschutzes verhindert werden kann, zu bezeichnen.

Nach Auffassung des Gerichts ist zum gegenwärtigen Entscheidungszeitpunkt aufgrund einer allein möglichen und erforderlichen summarischen Überprüfung vom Vorliegen eines sogenannten Anordnungsanspruches im tenorierten Umfang, also i.S. eines Bescheidungsanspruches auszugehen. Im Übrigen war der Antrag abzulehnen, weil § 10 Satz 1 BeschVerfV der zuständigen Ausländerbehörde einen Ermessensspielraum einräumt und die Ausländerbehörde von ihrem Ermessen noch keinen Gebrauch gemacht hat, da sie zu Unrecht von einem Versagungsgrund für die Ausübung einer Beschäftigung nach § 11 BeschVerfV ausging.

Ein Versagungsgrund für die Ausübung einer Beschäftigung nach § 11 BeschVerfV, für den die Antragsgegnerin darlegungs- und beweispflichtig ist, liegt entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin nicht vor. Nach der genannten Vorschrift darf geduldeten Ausländern die Ausübung einer Beschäftigung nicht erlaubt werden, wenn bei diesen Ausländern aus von ihnen zu vertretenden Gründen aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht vollzogen werden können.

Die Möglichkeit einer freiwilligen Ausreise ist dabei irrelevant für eine Beschäftigungserlaubnis nach der BeschVerfV. Denn der Wortlaut der Vorschrift des § 11 BeschVerfV stellt die vom Ausländer zu vertretenden Gründe kausal in einen Zusammenhang mit aufenthaltsbeendenden Maßnahmen, also behördlicherseits veranlassten Maßnahmen. Entscheidend ist also nach der gesetzlichen Rechtsgrundlage nur, dass behördliche aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht vollzogen werden können. Die Beschäftigung kann also auch denjenigen Ausländern erlaubt werden, nach entsprechender Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit, die zwar freiwillig ausreisen könnten, aber nicht abgeschoben werden können.

Weiterhin ist für das Eilverfahren davon auszugehen, dass die Voraussetzungen des § 11 BeschVerfV nur durch ein gegenwärtig an den Tag gelegtes schuldhaftes Mitwirkungspflichtversäumnis erfüllt werden, das kausal zu einem Abschiebungshindernis führt (so Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 08.11.2005 - 12 ME 397/05 -).

Vor dem Hintergrund dieser gesetzlichen Wertung vermag das Gericht nicht zu erkennen, welche zur Ausstellung eines Heimreisedokumentes geeigneten und erforderlichen Mitwirkungshandlungen die Antragstellerin gegenwärtig unterlässt, damit das Abschiebungshindernis herbeiführt und dieses mithin zu vertreten hat. Derartige konkrete Mitwirkungshandlungen hat auch die für den Versagungsgrund des § 11 BeschVerfV darlegungs- und beweispflichtige Antragsgegnerin bislang nicht aufgezeigt. Den Ausländer trifft nämlich nicht nur eine Mitwirkungs- sowie eine Initiativpflicht, sondern auf der anderen Seite besteht für die Ausländerbehörde eine Hinweispflicht sowie eine konkrete Anstoßpflicht, deren Erfüllung sie nachzuweisen hat (vgl. Bay.VGH, Beschluss vom 28.12.2005 Az: 24 C 05.2694).