VG Düsseldorf

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Zitieren als:
VG Düsseldorf, Beschluss vom 24.05.2007 - 1 L 777/07.A - asyl.net: M11081
https://www.asyl.net/rsdb/M11081
Leitsatz:

Bei Verzicht auf die Durchführung des Asylverfahrens nach § 14 a Abs. 3 AsylVfG beträgt die Ausreisefrist gem. § 38 Abs. 1 AsylVfG einen Monat; eine Klage gegen die Abschiebungsandrohung hat gem. § 75 AsylVfG aufschiebende Wirkung.

 

Schlagwörter: Verfahrensrecht, Asylantrag, Antragsfiktion, Verzicht, Asylverfahren, Ausreisefrist, vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren), Suspensiveffekt
Normen: VwGO § 80 Abs. 5; VwGO § 80 Abs. 1; AsylVfG § 75; AsylVfG § 38 Abs. 1; AsylbLG § 14a Abs. 2; AsylVfG § 14a Abs. 3; AsylVfG § 38 Abs. 2
Auszüge:

Bei Verzicht auf die Durchführung des Asylverfahrens nach § 14 a Abs. 3 AsylVfG beträgt die Ausreisefrist gem. § 38 Abs. 1 AsylVfG einen Monat; eine Klage gegen die Abschiebungsandrohung hat gem. § 75 AsylVfG aufschiebende Wirkung.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Das Gericht kann in entsprechender Anwendung des § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO feststellen, dass ein Rechtsmittel aufschiebende Wirkung hat, wenn der Antragsgegner die nach § 80 Abs. 1 VwGO eingetretene aufschiebende Wirkung bestreitet und die Vollziehung des belastenden Verwaltungsaktes droht.

Die am 16. Mai 2007 erhobene Klage des Antragstellers gegen den Bescheid des Bundesamtes vom 11. Mai 2007 entfaltet nach § 80 Abs. 1 VwGO, § 75 AsylVfG aufschiebende Wirkung.

Gemäß § 75 AsylVfG entfalten solche Klagen keine aufschiebende Wirkung, die sich gegen Entscheidungen richten, auf die weder § 38 Abs. 1 AsylVfG noch § 73 AsylVfG anzuwenden ist. Dieser Ausnahmetatbestand greift hier nicht ein; vielmehr findet auf die angegriffene Entscheidung § 38 Abs. 1 AsylVfG Anwendung (so auch: VG Düsseldorf, Beschluss vom 02.11.2005 - 13 L 1913/05.A -; Beschluss vom 22.12.2005 - 1 L 2219/05.A -, InfAuslR 06, 163).

Für den Antragsteller, der als Sohn zweier abgelehnter Asylbewerber am ... 2003 in geboren wurde, ist auf die Anzeige der zuständigen Ausländerbehörde nach § 14a Abs. 2 AsylVfG ein Asylverfahren eingeleitet worden. Unter dem 25. April 2007 hat der Antragsteller durch seine Bevollmächtigten nach § 14a Abs. 3 AsylVfG erklären lassen, dass er auf die Durchführung eines Asylverfahrens verzichte, da ihm keine politische Verfolgung drohe. Dementsprechend hat das Bundesamt mit dem angegriffenen Bescheid gemäß § 32 Satz 1 2. Alt. AsylVfG festgestellt, dass das Asylverfahren eingestellt ist und ob Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG vorliegen. Darüber hinaus hat es gemäß § 34 AsylVfG eine Abschiebungsandrohung erlassen, weil der Antragsteller nicht als Asylberechtigter anerkannt worden ist. Auf diese Verfahrenskonstellation ist für die darüber hinaus zu treffende Entscheidung, innerhalb welcher Frist der Antragsteller auszureisen hat, um eine Abschiebung abzuwenden, keine der den § 38 Abs. 1 AsylVfG verdrängende Sonderregelung anwendbar.

Eine unmittelbare Anwendung des § 38 Abs. 2 AsylVfG auf Fälle des Verzichts nach § 14a Abs. 3 AsylVfG scheitert am Wortlaut der Regelung, denn sie spricht nur von dem Fall der Rücknahme des Asylantrages und erwähnt den des Verzichts auf die Durchführung des Asylverfahrens nach § 14a Abs. 3 AsylVfG nicht.

§ 38 Abs. 2 AsylVfG kann auch nicht analog auf die Fälle des Verzichts nach § 14a Abs. 3 AsylVfG angewandt werden.

Gegen eine analoge Anwendung des § 38 Abs. 2 AsylVfG spricht schon der Ausnahmecharakter dieser Vorschrift.

Für eine analoge Anwendung des § 38 Abs. 2 AsylVfG auf die Fälle des Verzichts nach § 14a Abs. 3 AsylVfG fehlt es zudem an der erforderlichen unbeabsichtigten Regelungslücke. Gegen die Annahme einer solchen spricht schon die Existenz einer "Auffangvorschrift" in § 38 Abs. 1 AsylVfG ("In den sonstigen Fällen ..."). Außerdem spricht die Regelungssystematik gegen ein gesetzgeberisches Redaktionsversehen.

Schließlich lässt auch die hinter der Schaffung einer verfahrensrechtlichen Sonderregelung für Familienverbände erkennbare Zielrichtung des Gesetzgebers keinen Schluss darauf zu, das Eingreifen der Auffangregelung des § 38 Abs. 1 AsylVfG mit der Folge einer einmonatigen Ausreisefrist und der aufschiebenden Wirkung einer Klage gegen die Abschiebungsandrohung nach § 75 AsylVfG sei keinesfalls gewollt gewesen. Zwar gehört die allgemeine Verfahrensbeschleunigung auch zu den Zielen des Zuwanderungsgesetzes (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, BT-Drs. 15/420, S. 61, 65), jedoch nimmt die Gesetzesbegründung insoweit nicht Bezug auf die neugeschaffene Verfahrensregelung des § 14a AsylVfG. Vielmehr soll mit dieser Vorschrift die sukzessive Asylantragstellung der Familienmitglieder zum Zwecke der Verlängerung der Aufenthaltszeiten für sämtliche Mitglieder des Familienverbandes verhindert werden (vgl. BT-Drs. 15/420, S. 108, zu Nummer 10).

Dieses Ziel wird durch die Antragsfiktion in § 14a Abs. 1 und 2 AsylVfG und die Gleichsetzung eines Verfahrensverzichts nach § 14a Abs. 3 AsylVfG mit einem negativ abgeschlossenen Asylerstverfahrens in § 71 Abs. 1 AsylVfG erreicht.