VG Sigmaringen

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Zitieren als:
VG Sigmaringen, Beschluss vom 23.04.2007 - A 8 K 136/07 - asyl.net: M11099
https://www.asyl.net/rsdb/M11099
Leitsatz:
Schlagwörter: Verfahrensrecht, offensichtlich unbegründet, Kinder, Antragsfiktion, in Deutschland geborene Kinder, ernstliche Zweifel, vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren)
Normen: AsylVfG § 30 Abs. 3 Nr. 7; AsylVfG § 14a Abs. 2; AsylVfG § 36 Abs. 3; VwGO § 80 Abs. 5
Auszüge:

Bei Anwendung dieses Maßstabs ist vorliegend die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung anzuordnen. Denn die durch das Bundesamt vorgenommene Ablehnung des Antrags des Antragstellers als Asylberechtigter sowie als Flüchtling in Anwendung von § 30 Abs. 3 Nr. 7 AsylVfG als offensichtlich unbegründet hält einer rechtlichen Prüfung nicht stand.

Das Bundesamt ist im angegriffenen Bescheid zwar zutreffend von der Fiktion eines am 27.10.2006 für den Antragsteller gestellten Asylantrages gemäß § 14a Abs. 2 AsylVfG ausgegangen.

Allerdings hat das Bundesamt diesen Antrag des Antragstellers zu Unrecht in Anwendung von § 30 Abs. 3 Nr. 7 AsylVfG als offensichtlich unbegründet abgelehnt, da diese Bestimmung auf lediglich fiktive "Asylanträge" gemäß § 14a Abs. 2 Satz 3 AsylVfG nicht anwendbar ist. Nach § 30 Abs. 3 Nr. 7 AsylVfG ist ein unbegründeter Asylantrag als "offensichtlich" unbegründet abzulehnen, "wenn er für einen nach diesem Gesetz handlungsunfähigen Ausländer gestellt wird, nachdem zuvor Asylanträge der Eltern oder des allein personensorgeberechtigten Elternteils unanfechtbar abgelehnt worden sind". Bereits der Wortlaut des § 30 Abs. 3 Nr. 7 AsylVfG, der sich auf einen für den handlungsunfähigen Ausländer "gestellten Asylantrag" bezieht, lässt es kaum zu, diese Bestimmung mit ihren weitreichenden negativen Rechtsfolgen auch auf Asylentscheidungen zu erstrecken, die in einem Verfahren nach § 14a Abs. 2 AsylVfG ohne einen Asylantrag des Ausländers ergangen sind. Auch sonst ist nicht erkennbar, weshalb der Gesetzgeber diese Fallgruppe ausnahmslos dem Verdikt der Ablehnung als offensichtlich unbegründet hätten unterwerfen wollen. Insbesondere lässt sich eine missbräuchliche Einleitung eines Asylverfahrens, auf die § 30 Abs. 3 AsylVfG reagiert, nicht feststellen, so dass auch der Sinn und Zweck des § 30 Abs. 3 Nr. 7 AsylVfG einer Anwendung auf lediglich fiktive "Asylanträge" gemäß § 14a Abs. 2 Satz 3 AsylVfG entgegen steht (vgl. zum Ganzen: BVerwG, Urt. v. 21.11.2006 - 1 C 10.06 - unter II. 3). Das Offensichtlichkeitsurteil kann daher hierauf nicht gestützt werden.

Das Gericht ist sich durchaus bewusst, dass es dem Bundesamt davon unberührt unbenommen bleibt, die Ablehnung als offensichtlich unbegründet nach § 30 Abs. 1 AsylVfG oder wegen Vorliegens anderer Missbrauchstatbestände nach § 30 Abs. 3 AsylVfG auszusprechen (vgl. BVerwG, Urt. v. 21.11.2006, a.a.O.). Im Falle des Antragstellers hat sich das Bundesamt bei seiner Ablehnung des Antrags als offensichtlich unbegründet jedoch ausdrücklich und ausschließlich auf § 30 Abs. 3 Nr. 7 AsylVfG gestützt (S. 4 des Bescheides: "Die Offensichtlichkeit der Entscheidung ergibt sich hier aus § 30 Abs. 3 Nr. 7 ..."); eine andere - alternative - Begründung findet sich nicht. Erweist sich aber die Einschätzung des Antrags des Antragstellers als Asylberechtigter sowie als Flüchtling als offensichtlich unbegründet als rechtswidrig, bestehen auch ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der verfügten Abschiebungsandrohung.