Die Klage ist zulässig und begründet.
Die Beklagte hätte auf Grund des Asylfolgeantrages ein neues Asylverfahren durchführen müssen. Nach § 71 Abs. 1 AsylVfG ist ein weiteres Asylverfahren durchzuführen, wenn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG vorliegen.
Hinsichtlich der Berechnung der Drei-Monats-Frist (§51 Abs. 3 VwVfG) ist dabei zu beachten, dass die Frist mit dem Tag beginnt, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen erfahren hat.
Exilpolitische Tätigkeiten sind bei der Berechnung der Frist jeweils gesondert und unabhängig von den bereits zu diesem Zeitpunkt andauernden Aktivitäten zu sehen. Zieht sich der relevante Sachverhalt, auf den sich ein Kläger beruft, über einen längeren Zeitraum hin und werden eine Reihe von verschiedenen einzelnen Aktivitäten zur Begründung des Folgeantrages herangezogen, so ist für jede einzelne dieser Tätigkeiten eine eigene Frist zu berechnen. Bei jeder dieser Tätigkeiten handelt es sich um einen eigenen Wiederaufnahmegrund, da auch jede einzelne dieser Tätigkeiten zu der befürchteten Verfolgung führen kann (ThürOVG, Urt. v. 02.08.2001, Az.: 3 KO 279/99; ThürOVG, Urt. v. 06.03.2002, Az.: 3 KO 428/99; VG Meiningen, B. v. 05.03.1997, 5 E 20048/97.Me; vgl. auch BVerwG, B. v. 11.12.1989, NVwZ 1990, 359). Echte Dauersachverhalte, wie etwa die Mitgliedschaft in einer Organisation oder die Übernahme einer Funktion u.a., müssen innerhalb von drei Monaten nach deren Beginn, bei Mitgliedschaften nach dem Beitritt (ThürOVG, a.a.O.) geltend gemacht werden.
Der Kläger hat vorgetragen, sich exilpolitisch betätigt zu haben. Er hat insgesamt vier Artikel im Internet veröffentlicht, die sich kritisch mit der Politik der Regierung in Vietnam auseinandersetzen, außerdem bei einer Demonstration gegen die Regierung Vietnams eine Rede gehalten, die ebenfalls im Internet veröffentlicht worden ist. Alles erfolgte unter voller Namensnennung des Klägers.
Die geltend gemachten neuen Gründe sind auch grundsätzlich geeignet, die Sach- und Rechtslage anders zu beurteilen als im ersten Verfahren. Es ist nicht von vorneherein ausgeschlossen, dass die genannten exilpolitischen Tätigkeiten zu der begehrten Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG oder eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG führen könnte.
Die Möglichkeit einer günstigeren Entscheidung auf Grund der geltend gemachten Wiederaufnahmegründe genügt (ThürOVG, Urt. v. 02.08.2001, Az.: 3 KO 279/99; ThürOVG, Urt. v. 06.03.2002, Az.: 3 KO 428/99). Nicht erforderlich ist es, dass bei der Prüfung, ob ein weiteres Asylverfahren durchzuführen ist, bereits der materielle Anspruch selbst festgestellt wird (VGH Mannheim, Urt. v. 16.03.2000, AuAS 2000, 152). Das Gericht folgt nicht der Auffassung des Bundesamts, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Ziff. 1 VwVfG nur dann vorliegen, wenn feststeht, dass die Sach- und Rechtslage anders zu beurteilen ist als im ursprünglichen Verfahren. Diese Auffassung verkennt, dass im Falle des Vorliegens von Wiederaufgreifensgründen nach § 51 Abs. 1 VwVfG und bei Erfüllung der formellen Voraussetzungen von § 51 Abs. 2 und 3 VwVfG die Behörde darüber zu entscheiden hat, ob sie das Verfahren erneut aufgreift, und, wenn sie dies tut, in einem weiteren Schritt eine neue Entscheidung in der Sache zu treffen hat. Aus dieser Systematik kann nicht entnommen werden, dass ein Wiederaufgreifen des Verfahrens voraussetzt, dass tatsächlich eine andere Entscheidung als bisher zu treffen ist, dies muss lediglich möglich erscheinen.
Ein weiteres Asylverfahren ist lediglich in den Fällen nicht durchzuführen, wo bezogen auf den betreffenden Zeitraum entweder keine neue Sachlage vorgetragen wird oder aber der Sachvortrag zwar eine neue Sachlage darstellt, diese aber von vorneherein ganz offensichtlich nicht geeignet ist, die Rechtslage zu Gunsten des Asylbewerbers zu verändern.
Diese Entscheidung in der Sache fuhrt zum Erfolg hinsichtlich der allein begehrten Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG.
Der Kläger ist nicht vorverfolgt ausgereist, hierzu hat er im Folgeverfahren nichts neues vorgetragen.
Das illegale Verbleiben im Ausland stellt einen Verstoß gegen Art. 274 des vietnamesischen Strafgesetzbuches (VStGB) dar. Danach macht sich strafbar, wer illegal in die Sozialistische Republik Vietnam einreist, aus ihr ausreist oder im Ausland verbleibt. An Strafen werden eine Verwarnung, Umerziehung bis zu einem Jahr oder Haft von drei Monaten bis zu zwei Jahren angedroht.
Es ist aber nicht "beachtlich wahrscheinlich" im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (z.B. BVerwGE 91, 150), dass gegen aus Deutschland zurückkehrende Asylbewerber tatsächlich wegen des Verstoßes gegen Art. 274 VStGB vorgegangen wird (ständige Rechtsprechung des Gerichts unter Bezug auf die Rechtsprechung des ThürOVG [z.B. Urteil vom 14.02.1995, Az.: 3 KO 138/94; Urteil vom 22.10.1996, Az.: 3 KO 143/94] und die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts [Urteil vom 15.03.1994, DVBl. 1994, S. 927], jeweils zur gleichen Vorschrift des Art. 89 des früheren VStGB).
Grundsätzlich kann eine exilpolitische Tätigkeit von vietnamesischen Staatsangehörigen in Deutschland dazu führen, dass im Falle der Rückkehr nach Vietnam eine Bestrafung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit erfolgen wird.
Eine solche Bestrafung kommt in Betracht wegen eines Verstoßes gegen Art. 79 (Aktionen zum Sturz der Volksregierung), Art. 87 (Verbrechen, die Politik der Einheit zu unterminieren), Art. 88 (Propaganda gegen die Sozialistische Republik Vietnam) und/oder Art. 91 (Republikflucht oder Verbleiben im Ausland mit dem Ziel, gegen die Volksregierung zu opponieren) Vietn. Strafgesetzbuch (VStGB). Art. 79 VStGB sieht eine Strafe von 12 bis 20 Jahren Haft, lebenslange Haft oder Todesstrafe vor, die anderen genannten Straftatbestände langjährige Gefängnisstrafen (Gerhard Will, Gutachten vom 10.09.2002 ASYLIS/JURIS VIE00050115; amnesty international, Schreiben vom 15.10.1997 an das VG Meiningen in der Sache 5 K 20043/93.Me zu den entsprechenden Vorschriften des früheren VStGB).
Insgesamt kommt das Gericht zu der Auffassung, dass in Vietnam weiterhin politische Verfolgung stattfindet und die genannten Strafvorschriften grundsätzlich in asylerheblicher Weise Anwendung finden (ThürOVG, Urt. v. 22.10.1996, Az.: 3 KO 143/94; Urt. v. 02.08.2001, Az.: 3 KO 279/99; ThürOVG, Urt. v. 06.03.2002, NVwZ 2003, Beilage Nr. I 3, 19 = EzAR 212 Nr. 13). Mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit kommt eine solche Bestrafung allerdings nur dann in Betracht, wenn sich der vietnamesische Staatsangehörige während seinen Aufenthalts öffentlich und nachhaltig und in besonders exponierter Weise politisch-oppositionell gegen das in Vietnam herrschende Regime betätigt bzw. geäußert hat (ThürOVG, Urt. v. 22.10.1996, Az.: 3 KO 143/94) und sie damit besonders hervorgetreten sind (ThürOVG, Urt. v. 02.08.2001, Az.: 3 KO 279/99; ThürOVG, Urt. v. 06.03.2002, NVwZ 2003, Beilage Nr. 13, 19 = EzAR 212 Nr. 13). Denn nur dann ist damit zu rechnen, dass seine Betätigung vietnamesischen Behörden auf Grund deren Erkenntnismöglichkeiten überhaupt zur Kenntnis gelangt. Zu diesen Betätigungen können auch Veröffentlichungen in exilpolitischen Zeitschriften gehören (vgl. amnesty international, Schreiben vom 22.11.2003 an das VG Darmstadt).
Damit besteht dann die beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Bestrafung nicht, wenn nur eine einfache exilpolitische Betätigung in Form von Mitgliedschaft in Organisationen und Beteiligung an Demonstrationen festzustellen ist (ThürOVG, Urt v. 02.08.2001, Az.: 3 KO 279/99; ThürOVG, Urt. v. 06.03.2002, NVwZ 2003, Beilage Nr. I 3, 19 = EzAR 212 Nr. 13). Zu diesen einfachen Tätigkeiten gehört auch eine nur örtliche oder regionale nicht besonders hochrangige Funktion in exilpolitischen Organisationen sowie Tätigkeiten in "Organisationskomitees" für einzelne Diskussionsveranstaltungen, Demonstrationen, Infotische u.a. Auch die bloße Teilnahme an einer Vielzahl von Veranstaltungen führt nicht zu einem "Qualitätssprung": Sie führt nicht im Sinne einer Kumulation zu einer Exponiertheit (ThürOVG, a.a.O.).
Veröffentlichungen exilpolitischer Art im Internet werden von vietnamesischen Sicherheitsorganen routinemäßig überwacht, wobei es gleich ist, auf welchem Server die jeweilige Website liegt (Auswärtiges Amt, Schreiben vom 06.01.2005 an das VG Meiningen und vom 17.04.2000 an das VG Frankfurt/Main; ähnlich: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Situation in der Sozialistischen Republik Vietnam vom 31.03.2006, II. 1 b). An anderer Stelle spricht das Auswärtige Amt (Schreiben vom 09.02.2006 an das VG Meiningen) davon, dass Internetveröffentlichungen "stark kontrolliert" werden. Die Kontrolle wurde durch Erlass vom 14.07.2005 weiter verschärft (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Situation in der Sozialistischen Republik Vietnam vom 31.03.2006, II. 1 b).
Auch derartige Veröffentlichungen sind deshalb in die Betrachtungen einzubeziehen. Sie haben sogar besondere Bedeutung. Oppositionelle Äußerungen im Internet werden vom vietnamesischen Staat zunehmend verfolgt und teilweise mit hohen Haftstrafen geahndet (amnesty international, Jahresberichte 2003 und 2004 bezogen auf Täter in Vietnam; Gerhard Will, Gutachten vom 10.09.2002 ASYUS/KJRIS VIE00050115 zu allen Internetaktivitäten). Das ergibt sich auch daraus, dass Internet-Cafes neuerdings zunehmend unter Überwachungsdruck stehen (Gerhard Will, a.a.O.); nach einer Verordnung vom 14.07.2005 müssen Betreiber von Internet-Cafes sogar die Personalien der Nutzer und die von ihnen aufgesuchten Webpages registrieren (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Situation in der Sozialistischen Republik Vietnam vom 31.03.2006, 2 K 20191/06 Me Aktenzeichen II. 1 b).
Obwohl es sich vorliegend eher, was den Umfang der exilpolitischen Tätigkeit des Klägers betrifft, um einen Grenzfall handelt, ist das Gericht dennoch zum Ergebnis gekommen, dass die exilpolitischen Tätigkeiten des Klägers, die zweifellos öffentlich stattgefunden haben, auch nachhaltig und in besonders exponierter Weise erfolgt sind. Aus diesem Grund sind grundsätzlich die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG erfüllt.