VG Frankfurt a.M.

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Zitieren als:
VG Frankfurt a.M., Urteil vom 12.12.2005 - 1 E 2683/05 (V) - asyl.net: M11113
https://www.asyl.net/rsdb/M11113
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Verwaltungsakt, Regelungswirkung, Feststellung, Erlöschen, Aufenthaltserlaubnis, Anfechtungsklage, Abschiebungsandrohung, Zielstaatsbezeichnung, Ausreisepflicht, Ausreise, Auslandsaufenthalt, Vollziehbarkeit, illegale Einreise, Schutzunterstellung, Flüchtlingsanerkennung, Konventionsflüchtlinge, Besuchsreisen
Normen: VwVfG § 35; AufenthG § 51 Abs. 1 Nr. 7; AufenthG § 60 Abs. 1; AsylVfG § 72 Abs. 1 Nr. 1; AufenthG § 50 Abs. 1; AufenthG § 58 Abs. 2 S. 1 Nr. 1
Auszüge:

Die Klage ist unzulässig, soweit sich die Klage gegen Ziff. 1 und Ziff. 2 der Entscheidung des Beklagten vom 10.03.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides des Regierungspräsidiums Darmstadt vom 20.06.2005 richtet. Ziff. 1 und 2 der Entscheidung des Beklagten mit der dieser das Erlöschen der unbefristeten Aufenthaltserlaubnis der Klägerin sowie der Asylanerkennung feststellt, sind rechtlich nicht als Verwaltungsakte im Sinne von § 35 Hess. VwVfG einzuordnen. In der Feststellung des Erlöschens der Aufenthaltserlaubnis bzw. der Asylberechtigung liegt keine Regelung im Sinne des § 35 Hess. VwVfG. Dies folgt schon daraus, dass das Erlöschen eines Aufenthaltstitels nach § 51 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG bzw. der Anerkennung als Asylberechtigter und die Feststellung, dass die Voraussetzung des § 60 Abs. 1 des AufenthG vorliegen, nach § 72 AsylVfG bereits kraft Gesetzes eintritt und das Vorhandensein oder das Fehlen einer entsprechenden behördlichen Feststellung auf diese Rechtslage ohne Einfluss bleibt. Inhaltlich kommt der Feststellung - auch wenn sie in die äußere Form eines Verwaltungsaktes gekleidet ist - nicht mehr als der Hinweis auf die geltende Rechtslage zu. Insbesondere erzeugt der Verwaltungsakt keine konstitutiven, rechtsbegründenden Wirkungen (vgl. insoweit auch VG Darmstadt, Beschluss vom 03.08.1998 AuAS 1998 S. 221). Insoweit war die Klage wegen Unzulässigkeit abzuweisen.

Soweit sich die Klage gegen Ziff. 4 bzw. gegen Ziff. 5 der Entscheidung des Beklagten richtet, ist die Klage als Anfechtungsklage statthaft und auch im übrigen zulässig.

Die Klage ist auch in dem aus dem Tenor des Urteils ersichtlichen Umfang begründet.

Die streitbefangene Abschiebungsandrohung ist teilweise rechtswidrig, weil in ihr Serbien-Montenegro/Kosovo nicht als der Staat bezeichnet wurde in dem die Klägerin im Hinblick auf ihre fortbestehende Asylanerkennung nicht abgeschoben werden darf.

Soweit der Beklagte festgestellt hat, dass die Klägerin vollziehbar ausreisepflichtig ist, kann diese Feststellung nicht beanstandet werden. Die Klägerin ist nach § 50 Abs. 1 AufenthG zur Ausreise verpflichtet, da sie einen erforderlichen Aufenthaltstitel nicht mehr besitzt. Ausländer bedürfen nach § 4 Abs. 1 AufenthG für die Einreise und den Aufenthalt im Bundesgebiet eines Aufenthaltstitels. Die Aufenthaltstitel werden erteilt als 1.) Visum, 2.) Aufenthaltserlaubnis oder 3.) Niederlassungserlaubnis. Der Klägerin wurde zwar im Hinblick auf ihre Anerkennung als Asylberechtigte am 06.03.1994 gem. § 68 AsylVfG a. F. eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis erteilt. Diese Aufenthaltserlaubnis ist nach § 51 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG erloschen. Nach der zitierten Vorschrift erlischt der Aufenthaltstitel, wenn der Ausländer ausgereist und nicht innerhalb von 6 Monaten oder einer von der Ausländerbehörde bestimmten längeren Frist wieder eingereist ist. Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben. Wie sich aus dem in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Reiseausweis der Klägerin ergibt, hat diese sich im Zeitraum von 26.06.1999 bis Februar 2000 in Albanien aufgehalten.

Die Ausreisepflicht der Klägerin ist auch nach § 58 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG vollziehbar, da die Klägerin nach Erlöschen ihrer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis durch den mehr als 6-monatigen Aufenthalt in Albanien unerlaubt eingereist ist, da sie den nach § 4 Abs. 1 AufenthG bereits für die Einreise erforderlichen Aufenthaltstitel nicht mehr besaß. Im Hinblick hierauf hat der Beklagte der Klägerin im Grundsatz auch zu Recht die Abschiebung angedroht.

Die Abschiebungsandrohung erweist sich jedoch als rechtswidrig soweit der Beklagte der Klägerin die Abschiebung nach Serbien und Montenegro/Kosovo angedroht hat. Vielmehr hätte der genannte Staat in der Abschiebungsandrohung als Staat aufgeführt werden müssen, in dem der Ausländer nicht abgeschoben werden darf, denn im Hinblick auf Serbien und Montenegro/Kosovo liegt nach § 60 Abs. 1 AufenthG ein Abschiebungsverbot vor. Entgegen der Feststellung der Beklagten ist die Anerkennung der Klägerin als Asylberechtigte und die Feststellung, dass in der Person der Klägerin die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegen, nach wie vor wirksam. Die Asylanerkennung der Klägerin und die Feststellung, dass in ihrer Person die Voraussetzung des § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegen, ist nicht nach § 72 AsylVfG erloschen. Nach § 72 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG erlöschen die Anerkennung als Asylberechtigter und die Feststellungen, dass die Voraussetzung des § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegen, wenn der Ausländer sich freiwillig durch Aufnahme oder Erneuerung eines Nationalpasses oder durch sonstige Handlungen erneut dem Schutz des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, unterstellt.

Der Anwendungsbereich des § 72 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG ist im Lichte des Asylgrundrechtes und bei vergleichender Betrachtung der Genfer Konvention einschränkend dahin auszulegen, dass nicht jeder Kontakt des Ausländers zu Behörden seines Heimatstaates zum Erlöschen der Rechtsstellung führt. Die Rechtsstellung erlischt vielmehr erst dann, wenn der Ausländer die rechtlichen Beziehungen zu seinem Heimatstaat dauerhaft wiederherstellt, indem er sich den diplomatischen Schutz gleichsam auf Vorrat sichert, ohne dass die Erledigung bestimmter administrativer Angelegenheiten ihn hierzu nötigt, oder in dem er sich ohne Not wieder in die schützende Hand seines Heimatstaates begibt. Der Tatbestand des § 72 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG setzt also in subjektiver Hinsicht stets voraus, dass der Asylberechtigte einen Vorteil seines Heimatstaates annimmt. Entscheidend ist, ob aus dem Verhalten des Ausländers auf eine veränderte Einstellung zu seinem Heimatstaat geschlossen werden kann. Vorliegend ist die Klägerin nach eigenen Angaben in ihre Heimat, den Kosovo, zurückgekehrt, um dort nach ihrer in ihrem Eigentum stehenden Wohnung zu schauen und diese zu verkaufen. Nach dem sie jedoch festgestellt hatte, dass die Wohnung anderweitig bewohnt ist und die jetzigen Bewohner sie abgewiesen haben, hat sie, nachdem sie erfolglos um Rat nachgefragt hatte, den Kosovo wieder verlassen. Diese Reise der Klägerin in den Kosovo mit einer Dauer von 2 - 3 Wochen rechtfertigt nicht die Annahme, dass die Klägerin sich erneut dem Schutz ihres Heimatstaates unterstellen wollte und dorthin dauerhaft zurückkehren wollte.

Eine andere Frage ist, ob die freiwillige besuchsweise Rückkehr in den Verfolgerstaat Veranlassung gibt, ein Widerrufsverfahren nach § 73 AsylVfG einzuleiten.