OVG Saarland

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Zitieren als:
OVG Saarland, Urteil vom 26.01.2006 - 2 R 3/05 - asyl.net: M11115
https://www.asyl.net/rsdb/M11115
Leitsatz:
Schlagwörter: Albanien, Abschiebungshindernis, zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse, Krankheit, psychische Erkrankung, posttraumatische Belastungsstörung, depressive Störung, medizinische Versorgung, Finanzierbarkeit, Mitgabe von Medikamenten, Situation bei Rückkehr
Normen: AufenthG § 60 Abs. 1; AufenthG § 60 Abs. 7
Auszüge:

Der Klägerin steht im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 I AsylVfG) zunächst kein Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen nach § 60 I AufenthG, der zum 1.1.2005 § 51 I AuslG ersetzt hat, zu.

Die Klägerin hat nicht glaubhaft gemacht, dass sie in ihrem Heimatland Verfolgung im Sinne des § 60 I AufenthG erlitten oder aus Furcht vor einer solchen unmittelbar bevorstehenden Verfolgung ihr Heimatland verlassen hat.

Ihr steht der geltend gemachte Anspruch auch nicht mit Blick auf ihre gesundheitliche Situation zu. Es ist, wie bereits das Verwaltungsgericht im angefochtenen Urteil in seinen Ausführungen zu § 53 VI 1 AuslG dargelegt hat, nicht ersichtlich, dass sich die Krankheit der Klägerin im Falle ihrer Rückkehr ins Heimatland wesentlich oder sogar lebensbedrohlich verschlimmert, weil die dort vorhandenen Behandlungsmöglichkeiten unzureichend wären und sie auch anderswo keine wirksame Hilfe erhalten könnte.

Die Klägerin, die sich wohl seit 2003 in ambulanter psychiatrisch-psychotherapeutischer Behandlung befindet (ärztliches Attest vom 8.12.2003 ("Psychiatrische Mitbehandlung eingeleitet"), Gerichtsakte Bl. 22), leidet ausweislich des aktuellsten fachärztlichen Attestes vom 11.1.2006 an einer posttraumatischen Belastungsstörung sowie einer rez. depressiven Störung.

Ausweislich der vom Verwaltungsgericht eingeholten Auskunft der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland vom 23.2.2004 hat das Universitätskrankenhaus Tirana zur Behandelbarkeit der Leiden der Klägerin mitgeteilt, dass eine ständige Versorgung mit Antidepressiva in Albanien gewährleistet sei. Eine stationäre psychiatrische Behandlung könne erfolgen, wobei auch kurzfristig Plätze verfügbar seien. Es würden traumaspezifische Gesprächstherapien angeboten. Mit weiterer Auskunft vom 14.4.2004 hat die Botschaft mitgeteilt, dass zwar die - seinerzeit von der Klägerin benötigten - Medikamente nicht auf dem albanischen Markt erhältlich seien, vielmehr im Ausland bestellt und vom Patienten selbst bezahlt werden müssten. Verschiedene Derivate der genannten Wirkstoffe seien jedoch in Albanien erhältlich. Im - noch - aktuellen Lagebericht (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Albanien vom 3.2.2005 - 508-516.80/3 ALB) hat das Auswärtige Amt ausgeführt, die medizinische Versorgung in den staatlichen Krankenhäusern Albaniens sei theoretisch kostenlos. In der Praxis müssten mitunter erhebliche Zahlungen an Ärzte und/ oder Pflegepersonal geleistet werden, um adäquat behandelt zu werden (Korruption). In den Städten sei auch eine psychologische Behandlung (PTBS) möglich. Importierte Medikamente seien in den Apotheken erhältlich oder könnten gezielt bestellt werden.

Aufgrund der vorgelegten Atteste ist der Senat davon überzeugt, dass die Klägerin, um eine dramatische Verschlechterung ihres Gesundheitszustands zu vermeiden, zumindest eine angemessene medikamentöse Behandlung im Heimatland benötigt, mit der auch ausweislich des Attests vom 11.1.2006 bisher auf drohende Eskalationen reagiert wurde. Dass hierfür - und nicht ausschließlich zur erheblichen Besserung oder Heilung der Erkrankung - auch eine fortgesetzte psychotherapeutische Behandlung erforderlich sei, geht aus den ärztlichen Bescheinigungen und insbesondere aus dem Attest vom 2.2.2004 nicht hervor, das erkennbar den völligen Behandlungsabbruch vor Augen hat. Es ist nach den vorgenannten Erkenntnissen zur medizinischen Versorgungslage in Albanien davon auszugehen, dass sie eine angemessene medikamentöse Behandlung zuverlässig im Heimatland erhalten kann, dass sie aber deren Kosten zumindest teilweise selbst zu tragen haben wird. Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass die Ausländerbehörde bei Abschiebungen für einen gefahrlosen Abschiebevorgang zu sorgen hat, wozu bei auf Medikamente angewiesenen, suizidgefährdeten Personen nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. etwa OVG des Saarlandes, Beschluss vom 8. 122003 - 2 W 71/03) u.a. gehört, dass sie einen Medikamentenvorrat für die erste Zeit und bei ihrer Ankunft im Heimatland fachärztliche Hilfe am Flughafen erhalten. Ausgestattet mit einem solchen Medikamentenvorrat wird die Klägerin im Falle ihrer Rückkehr selbst für sich sorgen und daher Arbeit suchen müssen. Dazu dürfte sie trotz des fachärztlichen Attestes vom 17.8.2004, das der Klägerin Arbeitsunfähigkeit bis auf weiteres bescheinigt, in der Lage sein. Ferner wird sie sicherlich Unterstützung durch ihre deutsche Adoptivfamilie im Rahmen von deren Möglichkeiten erhalten.