1. Von dem Einbürgerungserfordernis der Aufgabe der bisherigen Staatsangehörigkeit (§ 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StAG) ist jedenfalls nach § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Alt. 2 StAG abzusehen, wenn der Herkunftsstaat zwar nicht allen Staatsangehörigen, aber doch einer großen, nach der Volkszugehörigkeit bestimmten Personengruppe die Entlassung regelmäßig verweigert.
2. Hat nach der Erkenntnislage ein Angehöriger der Personengruppe, der durch eine nach ethnischen Kriterien diskriminierenden Entlassungspraxis betroffen ist, keine Möglichkeit, seine reguläre Entlassung aus der Staatsangehörigkeit auf legale Weise, insbesondere ohne Bestechung, und in zumutbarer Zeit zu erreichen, ist ihm auch kein Entlassungsantrag abzuverlangen.
1. Von dem Einbürgerungserfordernis der Aufgabe der bisherigen Staatsangehörigkeit (§ 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StAG) ist jedenfalls nach § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Alt. 2 StAG abzusehen, wenn der Herkunftsstaat zwar nicht allen Staatsangehörigen, aber doch einer großen, nach der Volkszugehörigkeit bestimmten Personengruppe die Entlassung regelmäßig verweigert.
2. Hat nach der Erkenntnislage ein Angehöriger der Personengruppe, der durch eine nach ethnischen Kriterien diskriminierenden Entlassungspraxis betroffen ist, keine Möglichkeit, seine reguläre Entlassung aus der Staatsangehörigkeit auf legale Weise, insbesondere ohne Bestechung, und in zumutbarer Zeit zu erreichen, ist ihm auch kein Entlassungsantrag abzuverlangen.
(Amtliche Leitsätze)
Die Revision des Klägers ist begründet. Das angefochtene Urteil verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Der Verwaltungsgerichtshof hätte die auf Verpflichtung der Beklagten zur Einbürgerung nach § 10 Abs. 1 StAG gerichtete Klage nicht unter Beschränkung der Verpflichtung der Beklagten auf erneute Entscheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts nach § 8 StAG abweisen dürfen, ohne geklärt zu haben, ob die Stellung eines formgerechten Entlassungsantrags mit den damit voraussichtlich verbundenen langjährigen Bemühungen um Beschaffung vorbereitender Unterlagen wegen von vornherein feststehender Aussichtslosigkeit bzw. Abhängigkeit von Schmiergeldzahlungen unzumutbar war. Der Senat sieht sich - auch unter Berücksichtigung der von den Beteiligten hierzu weiter eingereichten Unterlagen - insoweit an einer abschließenden Entscheidung gehindert. Die Sache ist daher zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).
2. Der Senat lässt dahingestellt, ob der Revision bereits auf der Grundlage des § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StAG im Sinne einer Aufhebung und Zurückverweisung stattzugeben gewesen wäre. Nach dieser Bestimmung wird von den Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StAG abgesehen, wenn der ausländische Staat die Entlassung regelmäßig verweigert und der Ausländer der zuständigen Behörde einen Entlassungsantrag zur Weiterleitung an den ausländischen Staat übergeben hat. Der Verwaltungsgerichtshof hat das Vorliegen dieses Ausnahmetatbestandes mit der doppelten Begründung verneint, dass der Kläger der Beklagten weder einen vollständigen Entlassungsantrag vorgelegt habe noch eine regelmäßige Entlassungsverweigerung im Sinne dieser Bestimmung vorliege.
Der erkennende Senat ist hierzu der Auffassung, dass auch ein unvollständiger oder formwidriger Antrag ausnahmsweise ausreichen kann, wenn es dem Entlassungsbewerber unzumutbar ist, zur Vervollständigung des Antrags erforderliche Dokumente beizubringen, auf die der Heimatstaat trotz Bemühungen nicht verzichtet. Dazu hat der Verwaltungsgerichtshof - von seinem gegenteiligen Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - keine abschließenden Feststellungen getroffen. Was das weitere Erfordernis einer „regelmäßigen“ Verweigerung der Entlassung aus der Staatsangehörigkeit betrifft, ist der Verwaltungsgerichtshof von einer staatenbezogenen Betrachtung ausgegangen. Danach liegt eine regelmäßige Verweigerung der Entlassung erst dann vor, wenn die Entlassung nie oder fast nie ausgesprochen wird. Der Verwaltungsgerichtshof hat deshalb die regelmäßige Verweigerung der Entlassung allein hinsichtlich bestimmter Personengruppen, auch wenn sie - wie im Falle der Kosovo-Albaner - ethnisch bestimmt sind, als nicht ausreichend angesehen. Auf der Grundlage einer solchen - im Staatsangehörigkeitsrecht für den Fall einer einheitlichen, nicht diskriminierenden Entlassungspraxis auch nahe liegenden - staatenbezogenen Betrachtung kann nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts wegen der allein auf die albanischen Volkszugehörigen aus dem Kosovo abstellenden Auskunftslage der Botschaft in Belgrad eine "regelmäßige" Entlassungsverweigerung nicht angenommen werden, weil bei dieser Sichtweise auch die Entlassungen serbischer oder montenegrinischer Volkszugehöriger zu berücksichtigen wären. Der Senat hält es jedoch für erwägenswert, in Fällen, in denen eine große, nach staatsangehörigkeitsrechtlich an sich irrelevanten Kriterien wie der Volkszugehörigkeit bestimmte Personengruppe hinsichtlich der Entlassungspraxis rechtlich oder tatsächlich einem diskriminierenden Sonderregime unterworfen wird, für die Anwendung des § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StAG nicht auf die Gesamtheit aller Staatsangehöriger und die Entlassungspraxis in Bezug auf diese Gesamtgruppe, sondern auf die einer diskriminierenden Sonderbehandlung unterworfenen Teilgruppe abzustellen. Diese Frage bedarf jedoch keiner Entscheidung, weil - ebenfalls mit der Folge einer Zurückverweisung - § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StAG eingreift.
3. Es verstößt jedenfalls gegen die zweite Alternative des § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StAG, dass der Verwaltungsgerichtshof vom Kläger die Stellung eines formgerechten Entlassungsantrages verlangt, ohne aufgeklärt zu haben, ob für ihn - unabhängig von den Fragen im Zusammenhang mit der Wehrpflicht des Klägers, welche nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs die Durchführung eines förmlichen Entlassungsverfahrens rechtfertigen - überhaupt die Möglichkeit besteht, seine reguläre Entlassung aus der - nunmehr serbischen - Staatsangehörigkeit auf legale Weise und in zumutbarer Zeit zu erreichen
Das vom Verwaltungsgerichtshof bejahte Erfordernis der Stellung eines Entlassungsantrages ist für die Fallgestaltung der zweiten Alternative des § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StAG nach dem Gesetzeswortlaut nicht vorgesehen und folgt auch nicht aus der systematischen Stellung dieses Ausnahmegrundes. Die vom Verwaltungsgerichtshof herangezogene Gesetzesbegründung zur Vorläuferregelung in § 87 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AuslG (BTDrucks 14/533, 19) rechtfertigt keine andere Beurteilung. Wenn es dort heißt, diese Bestimmung betreffe "hauptsächlich Fälle, in denen ein Entlassungsantrag gestellt wird, das Entlassungsverfahren aber im Einzelfall scheitert", erhellt dies, dass der Gesetzgeber auch andere Fallgruppen vor Augen hatte.
Die zweite Alternative erfasst (u.a.) die Fallgruppe der generellen Entlassungsverweigerung bei nach staatsangehörigkeitsrechtlich nicht anzuerkennenden Kriterien ethnischer Diskriminierung gebildeten Untergruppen von Staatsangehörigen, soweit diese nicht bereits § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StAG unterfallen sollten, sowie weitere Fälle erkennbar aussichtsloser Anträge. Zwar ist dem Verwaltungsgerichtshof zuzugestehen, dass sich die Frage, ob unzumutbare Entlassungsbedingungen gestellt werden, in einer Reihe von Fällen erst im Verfahren nach gestelltem Antrag ergibt oder sinnvoll beantwortet werden kann. Dies rechtfertigt indes nicht, auch in solchen Fällen, in denen auf Grund einer Praxis ethnischer Diskriminierung der negative Ausgang des Verfahrens absehbar ist bzw. nur durch Bestechung abgewendet werden kann, einen ordnungsgemäßen Entlassungsantrag zu verlangen. Ob eine solche Situation besteht, ist indes zwischen den Beteiligten umstritten und vom Verwaltungsgerichtshof nicht abschließend geklärt worden. Der Verwaltungsgerichtshof hat insbesondere keine abschließende Bewertung der divergierenden Informationen in Bezug auf die Entlassungspraxis bei albanischen Volkszugehörigen aus dem Kosovo vorgenommen und auch keinen Versuch unternommen, diese weiter aufzuklären. Da die im Zuge des Revisionsverfahrens vorgebrachten Fakten und die vom Verwaltungsgerichtshof nicht ausdrücklich ausgewerteten Akteninformationen - insbesondere die Berichte und Stellungnahmen der Deutschen Botschaft in Belgrad - vom Bundesverwaltungsgericht nicht selbst tatrichterlich geklärt werden können, ist eine Zurückverweisung geboten. Dies gilt auch mit Blick auf die Überprüfung der von der Beklagten vorgelegten Unterlagen über angeblich reibungslos, jedenfalls aber "bestechungsfrei" bewirkte Entlassungen albanischer Volkszugehöriger aus dem Kosovo.
Soweit der Verwaltungsgerichtshof die Einleitung eines Entlassungsverfahrens - im Ansatz zutreffend - als grundsätzlich zumutbar ansieht und ebenso, dass ein Einbürgerungsbewerber für die Entlassung seine staatsangehörigkeitsrechtlichen Verhältnisse zu ordnen hat, verhält er sich gerade nicht zu den Unzumutbarkeitsgründen, die sich nach der Auskunftslage der Botschaft in Belgrad ergeben. Wenn er in diesem Zusammenhang dem Kläger, der im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung keinen gültigen Pass hatte, auferlegt, zunächst als Voraussetzung für den Passantrag beim Konsulat den erforderlichen Staatsangehörigkeitsnachweis zu beschaffen, bei dem "längere, unter Umständen mehrjährige Verfahrenszeiten" zu erwarten sind, könnte dies für sich allein schon die Unzumutbarkeit begründen. Dass die Ordnung der personenstandsrechtlichen Angelegenheiten keine - abstrakt - unzumutbare Entlassungsbedingung bildet, setzt für die Anwendung des § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Alt. 2 StAG voraus, dass der Einbürgerungsbewerber eine realistische Chance hat, diese Entlassungsvoraussetzung unter zumutbaren Bedingungen erfüllen zu können.
Zu Recht geht der Verwaltungsgerichtshof auch davon aus, dass die Ableistung der Wehrpflicht eine grundsätzlich zumutbare Entlassungsvoraussetzung bildet, die den Staatsangehörigkeitsbewerber nicht vom Erfordernis eines Entlassungsantrages befreit. Das rechtfertigt jedoch nicht die Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs, ein solcher Entlassungsantrag sei auch im vorliegenden Falle notwendig und zumutbar, weil sich erst im Entlassungsverfahren herausstellen könne, ob die Entlassung tatsächlich wegen der Ableistung des Wehrdienstes scheitere. Bei den aus dem Kosovo stammenden serbischen Staatsangehörigen albanischer Volkszugehörigkeit ist nach dem vom Verwaltungsgerichtshof angeführten Erlass des Innenministeriums Baden-Württemberg vom 10. März 2005 und einem Schreiben des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport vom 3. Juni 2005 (vgl. UA S. 14) davon auszugehen, dass bei ihnen die Wehrpflicht zwar grundsätzlich besteht, aber mangels Einberufung nicht erfüllt werden kann. Unter diesen Umständen ist vom Kläger die Durchführung eines förmlichen Entlassungsverfahrens zwecks Klärung des Bestehens oder Nichtbestehens seiner Wehrpflicht nicht zu verlangen, zumal wenn für ihn - wie unter Berufung auf die Erkenntnisse der deutschen Botschaft in Belgrad geltend gemacht - unabhängig davon, ob eine Wehrpflicht besteht oder durchgesetzt werden soll, de facto überhaupt keine Möglichkeit bestünde, eine reguläre Entlassung zu erreichen. Träfe diese - vom Verwaltungsgerichtshof von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig (vgl. UA S. 16/17) nicht abschließend geprüfte - Erkenntnislage zu (vgl. hierzu auch die von dem Vertreter des Bundesinteresses mit Schriftsatz vom 21. August 2006 vorgelegten Berichte und Stellungnahmen), wäre bereits die Einleitung eines Entlassungsverfahrens, dessen negatives Ende feststeht und bei dem nur unklar ist, warum es - legal - nicht zum Erfolg führen kann, eine unzumutbare Entlassungsvoraussetzung. Einem Einbürgerungsbewerber ist auch nicht zuzumuten, den Verlust seiner bisherigen Staatsangehörigkeit - wie vom Kläger ebenfalls eingewendet - ggf. nur mit Hilfe einer Bestechung herbeizuführen. Ohne Klärung dieser Tatsachenfragen durfte der Verwaltungsgerichtshof einen Einbürgerungsanspruch nicht verneinen.