VG Aachen

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Zitieren als:
VG Aachen, Urteil vom 25.07.2007 - 8 K 1913/05.A - asyl.net: M11196
https://www.asyl.net/rsdb/M11196
Leitsatz:

Die Drittstaatenregelung ist nicht anwendbar, wenn Deutschland aufgrund der versäumten Überstellung an den ursprünglich nach der Dublin II-Verordnung zuständigen Staat für die Durchführung des Verfahrens zuständig ist.

Schlagwörter: Verfahrensrecht, Verordnung Dublin II, Drittstaatenregelung, Beurteilungszeitpunkt, Zuständigkeit, Überstellung, Abschiebungshindernis, inlandsbezogene Vollstreckungshindernisse, Dublin II-VO, Dublinverfahren,
Normen: GG Art. 16a Abs. 1; AsylVfG § 26a Abs. 1 S. 3 Nr. 2; GG Art. 16a Abs. 2; GG Art. 16a Abs. 5; EG VO Nr. 343/2003 Art. 19 Abs. 4; AsylVfG § 77 Abs. 1; EG VO Nr. 343/2003 Art. 13; AsylVfG § 34a
Auszüge:

Die zulässige Klage ist begründet.

Die Kläger haben nach der maßgeblichen Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (vgl. § 77 Abs. 1 des Asylverfahrensgesetzes - AsylVfG -) einen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigte nach Art. 16 a Abs. 1 des Grundgesetzes (GG).

Der Anerkennung der Kläger als Asylberechtigte steht auch nicht die sog. Drittstaatenregelung des § 26 a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG 1.V.m. Art. 16 a Abs. 2 Satz 1 GG entgegen, wonach sich auf Art. 16 a Abs. 1 GG nicht berufen kann, wer aus einem sicheren Drittstaat, d.h. aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem der in Anlage 1 zu § 26 a Abs. 2 AsylVfG bezeichneten Staaten eingereist ist.

Der Asylrechtsausschluss nach der Drittstaatenregelung greift vorliegend nicht ein, obwohl die Kläger ausweislich des Ergebnisses der EURODAC-Überprüfung über die Republik Polen, die nach Maßgabe des Vertrages vom 16. April 2003 (BGBl. 2003 II S. 1408) mit Wirkung zum 1. Mai 2004 der Europäischen Union beigetreten und damit sicherer Drittstaat im Sinne von § 26 a Abs. 2 AsylVfG i.V.m. Art. 16 a Abs. 2 Satz 1 GG ist, in das Bundesgebiet eingereist sind. Denn die Voraussetzungen der Ausnahmevorschrift des - entsprechend anzuwendenden - § 26 a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 AsylVfG sind in ihrem Fall erfüllt.

Die Zuständigkeit der Beklagten für die Durchführung des Asylverfahrens der Kläger ergibt sich hier aus der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaates, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrag zuständig ist - VO (EG) Nr. 343/2003 -.

§ 26 a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 AsylVfG, der dem Wortlaut nach nur völkerrechtliche Verträge über die Bestimmung des für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staates erfasst, gilt entsprechend für die seit dem 1. September 2003 anwendbare Verordnung (EG) Nr. 343/2003, die als sekundäres Gemeinschaftsrecht gemäß Art. 249 Abs. 2 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EG) in allen ihren Teilen verbindlich ist und unmittelbar in jedem Mitgliedstaat gilt (vgl. Funke-Kaiser in Gemeinschaftskommentar zum Asylverfahrensgesetz (GK-AsylVfG), Band 2, Stand: Februar 2006, § 29 Rdnr. 121).

Denn die Verordnung (EG) Nr. 343/2003, die das am 15. Juni 1990 in Dublin unterzeichnete völkervertragliche Übereinkommen über die Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften gestellten Asylantrag (Dubliner Übereinkommen - DÜ -, veröffentlicht mit Gesetz vom 27. Juni 1994, BGBl. II S. 791), ersetzt hat (vgl. Art. 24 Abs. 1 der Verordnung), behält dessen Grundsätze bei und modifiziert sie vor dem Hintergrund der bisher gewonnenen Erfahrungen (vgl. 5. Begründungserwägung des Rates in der Präambel der Verordnung). Sie verfolgt damit die gleiche Zielrichtung wie die in § 26 a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 AsylVfG genannten völkerrechtlichen Verträgen, nämlich ein einheitliches europäisches System der Zuständigkeits- und Lastenverteilung zu schaffen. Dementsprechend sieht die Neufassung des § 26 a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 AsylVfG durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthaltsrechtlicher und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union auch eine Ergänzung der Vorschrift um den Passus "auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft" und damit eine Erweiterung des Anwendungsbereichs der Vorschrift auf die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 vor (vgl. Gesetzesentwurf der Bundesregierung vom 30. März 2007, BT-Drucks. 224/07, S. 79).

Die Zuständigkeit der Beklagten für die Durchführung des Asylverfahrens der Kläger ergibt sich bezogen auf den maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung aus Art. 19 Abs. 4 VO (EG) Nr. 343/2003.

Dafür, dass entgegen der gesetzlichen Regelung des § 77 Abs. 1 AsylVfG hinsichtlich des Vorliegens der in Rede stehenden Tatbestandsvoraussetzung des § 26 a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 AsylVfG - Zuständigkeit der Bundesrepublik Deutschland aufgrund völkerrechtlicher bzw. gemeinschaftsrechtlicher Bestimmungen - auf einen anderen Zeitpunkt - etwa den der Einreise des Asylsuchenden - abzustellen wäre, lässt sich dem materiellen Recht, namentlich § 26 a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 AsylVfG nichts entnehmen. Vielmehr spricht die in dieser Bestimmung verwendete Zeitform des Präsens ("ist") sowie das Fehlen eines zeitlichen Bezugspunktes für die Erfüllung des Tatbestandsmerkmals im Gegensatz zur Nr. 1 des § 26 a Abs. 1 Satz 3 AsylVfG ("im Zeitpunkt der Einreise") gerade gegen eine Vorverlagerung des maßgeblichen Beurteilungszeitpunktes.

Nach Maßgabe dieser Grundsätze war im vorliegend Fall ursprünglich - jedenfalls - gemäß Art. 13 VO (EG) Nr. 343/2003 die Zuständigkeit der Republik Polen begründet, da die Kläger ausweislich des Ergebnisses der EURODAC-Überprüfung vor ihrer Einreise in das Bundesgebiet bereits dort ihre Anerkennung als Asylberechtigte beantragt hatten.

Die Zuständigkeit für die Durchführung des Asylverfahrens der Kläger ist jedoch gemäß Art. 19 Abs. 4 VO (EG) Nr. 343/2003 nachträglich auf die Beklagte übergegangen, weil die Überstellung der Kläger an den originär zuständigen Mitgliedstaat nicht innerhalb der vorgesehenen Überstellungsfrist erfolgt ist.

Während die Vorgängervorschrift des Art. 11 Abs. 5 DÜ für den Fall des Ablaufs der seinerzeit noch einmonatigen Überstellungsfrist - im Gegensatz zu den Regelungen der Art. 11 Abs. 1 und Abs. 4 DÜ - keine Rechtsfolgen vorsah, woraus die Rechtsprechung überwiegend folgerte, dass die Übernahme der Zuständigkeit für die Durchführung des Asylverfahrens durch den ersuchten Vertragsstaat unabhängig davon bestehen bleibe, ob der Asylsuchende innerhalb der Monatsfrist des Art. 11 Abs. 5 DÜ an den Vertragsstaat überstellt worden sei oder nicht (vgl. Bayerischer Verwaltungsgerichtshof (BayVGH), Beschlüsse vom 28. Januar 2002 - 22 B 00.30925 -, AuAS 2002, 57 und - M 24 K 99.50444 -, InfAuslR 2002, 270; Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 26. Juli 2001 - 14 A 1989/01.A -, AuAS 2001, 214; Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen, Beschluss vom 18. Januar 2001 - 2 A 451/00.A -, juris), ist in Art. 19 Abs. 4 VO (EG) Nr. 343/2003 nunmehr ausdrücklich bestimmt, dass in dem Fall, dass die Überstellung nicht innerhalb der vorgesehenen Frist von sechs Monaten durchgeführt wird, die Zuständigkeit auf den Mitgliedstaat übergeht, in dem der (weitere) Asylantrag eingereicht wurde. Damit wird eindeutig festgelegt, dass in diesen Fällen die Zuständigkeit des ersuchten Mitgliedstaates, selbst wenn er dem Aufnahmegesuch zugestimmt hat, erlischt und die Zuständigkeit dem ersuchenden Mitgliedstaat zufällt, in dem der (weitere) Asylantrag gestellt wurde.

Vor diesem Hintergrund kann die Rechtsprechung zu Art. 11 Abs. 5 DÜ nicht auf Art. 19 Abs. 4 VO (EG) Nr. 343/2003 übertragen werden.

§ 26 a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 AsylVfG findet insbesondere auch dann Anwendung, wenn sich die Zuständigkeit der Bundesrepublik Deutschland nicht aus den primären Zuständigkeitskriterien der Art. 6 bis 14 VO (EG) Nr. 343/2003, sondern aus sonstigen (sekundären) Zuständigkeitsregelungen - wie hier aus Art. 19 Abs. 4 VO (EG) Nr. 343/2003 - ergibt. Es findet sich kein gesetzlicher Anknüpfungspunkt dafür, dass die Ausnahmevorschrift des § 26 a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 AsylVfG in diesen Fällen nicht gilt (vgl. ebenso Funke-Kaiser in GK-AsylVfG, a.a.O., § 26 a Rdnr. 119; zu Art. 3 Abs. 2 VO (EG) Nr. 343/2003: Hailbronner, Ausländerrecht, Stand: Mai 2007, Band 3, § 26 a AsylVfG Rdnr. 66; zu Art. 11 Abs. 1 DÜ: VG Aachen, Urteil vom 3. Februar 2003 - 7 K 4034/97.A - und VG Düsseldorf, Urteil vom 7. Februar 2001 - 25 K 9173/97.A -, InfAuslR 2001, 246; a.A: Bundesamt in Einzelentscheider-Brief Nr. 03/01, S. 1 ff.).

§ 26 a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 AsylVfG nimmt schon dem Wortlaut nach auf die Zuständigkeitsregelungen der völkerrechtlichen Verträge - bzw. der Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft - insgesamt Bezug, ohne zwischen den einzelnen, dort normierten primären (vgl. Art. 6 bis 14 VO (EG) Nr. 343/2003) und sekundären (vgl. etwa Art. 3 Abs. 2, Art. 17 Abs. 2, Art. 19 Abs. 4 VO (EG) Nr. 343/2003) Zuständigkeitskriterien zu differenzieren. Eine solche Unterscheidung entspräche auch nicht dem Sinn und Zweck des § 26 a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 AsylVfG, der auf der Zielsetzung der Drittstaatenregelung beruht, eine europäische Zuständigkeitsregelung für die Behandlung von Asylbegehren zu schaffen, und seinen Hintergrund in Art. 16 a Abs. 5 GG hat, der den Vorrang des völkervertraglichen Instrumentariums zur Zuständigkeitsverteilung gegenüber der Drittstaatenregelung statuiert (vgl. Hailbronner, a.a.O, § 26 a AsylVfG Rdnr. 58; Funke-Kaiser in GK-AsylVfG, a.a.O., § 26 a Rdnr. 105).

Wenn § 26 a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 AsylVfG aber an das völkervertragliche bzw. gemeinschaftsrechtliche System zur Zuständigkeits- und Lastenverteilung anknüpft und dieses in das nationale materielle Asylrecht transportiert, muss die Vorschrift, um der Zielsetzung der Regelwerke des Völkervertragsrechts bzw. Gemeinschaftsrechts gerecht zu werden, diese auch in ihrer Gesamtheit in Bezug nehmen.

Schließlich sind die Fälle, in denen die Zuständigkeit der Bundesrepublik Deutschland nach Art. 19 Abs. 4 VO (EG) Nr. 343/2003 begründet ist, auch deswegen nicht in einschränkender Auslegung aus dem Anwendungsbereich des § 26 a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 AsylVfG auszunehmen, weil es andernfalls - wie das Bundesamt meint - zu einem Wertungswiderspruch im Verhältnis zu den Fallkonstellationen komme, in denen ein Übemahmeverfahren mangels hinreichender Informationen des Asylsuchenden zum Reiseweg gar nicht eingeleitet werden könne und die Zuständigkeit der Bundesrepublik Deutschland allein aus der Auffangregelung des Art. 13 VO (EG) Nr. 343/2003 folge, und die bei entsprechend einschränkender Auslegung auch nicht vom Anwendungsbereich des § 26 a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 AsylVfG erfasst seien.

Die Frage einer einschränkenden Auslegung des § 26 a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 AsylVfG stellt sich insoweit überhaupt nur dann, wenn zwar feststeht, dass der Asylsuchende aus einem sicheren Drittstaat eingereist ist, gegenüber dem die Bundesrepublik Deutschland aufgrund völkervertraglicher bzw. gemeinschaftsrechtlicher Bestimmungen zuständig ist, aber nicht, aus welchem konkreten Drittstaat, mit der Folge, dass ein Übernahmeverfahren nicht eingeleitet werden kann. Liegen nämlich keinerlei Informationen zum Reiseweg vor, greift § 26 a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 AsylVfG bereits tatbestandlich nicht zugunsten des Asylsuchenden ein. Denn die Bestimmung setzt wegen ihrer Bezugnahme auf den Satz 1 durch die Formulierung "mit dem sicheren Drittstaat" ebenso wie § 26 a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG die tatsächliche Einreise aus einem bestimmten oder bestimmbaren (z.B. bei einer Einreise auf dem Landweg) sicheren Drittstaat voraus, der zugleich Mitgliedstaat der Europäischen Union oder Vertragspartei des Dubliner Übereinkommens bzw. eines Abkommens über die Anwendbarkeit der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 ist. Lässt sich die Einreise über einen solchen sicheren Drittstaat mangels jeglicher Angaben zum Reiseweg nicht feststellen, kann sich der Asylsuchenden, der insoweit nach allgemeinen Regeln die Beweislast trägt, auch nicht auf § 26 a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 AsylVfG berufen (vgl. BayVGH, Urteil vom 27. November 2003 - 15 B 99.32190 -, juris; OVG NRW, Beschluss vom 1. Juli 2002 - 9 A 4142/01.A -, AuAS 2002, 190).

Kann allerdings mangels hinreichend konkreter Angaben bzw. entsprechender Nachweise zum genauen Reiseweg des Asylsuchenden (z.B. Einreise auf dem Landweg) kein Übernahmeverfahren eingeleitet werden und ist die Bundesrepublik Deutschland allein aufgrund der Auffangbestimmung des Art. 13 VO (EG) Nr. 343/2003 zuständig, dürfte dem Bundesamt zwar darin zuzustimmen sein, dass Sinn und Zweck des § 26 a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 AsylVfG in diesen Fällen eine einschränkende Auslegung dieser Bestimmung gebieten (vgl. so auch Funke-Kaiser in GK-AsylVfG, a.a.O., § 26 a Rdnr. 112).

Der Ausschluss der Drittstaatenregelung in § 26 a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 AsylVfG beruht nämlich auf der Erwägung, dass der Verweis auf die Schutzmöglichkeit in dem sicheren Drittstaat, aus dem der Asylsuchende in das Bundesgebiet eingereist ist, und damit auf die primäre Zuständigkeit des sicheren Drittstaates für die Behandlung des Asylantrags, wie er der Drittstaatenregelung zugrunde liegt, in den Fällen nicht zulässig ist, in denen aufgrund besonderer völkervertraglicher - oder gemeinschaftsrechtlicher - Bestimmungen eine vorrangige Zuständigkeit der Bundesrepublik Deutschland für die Durchführung des Asylverfahrens festgelegt ist (vgl. Hailbronner, a.a.O, § 26 a AsylVfG Rdnr. 66 b).

Beruht die Zuständigkeit der Bundesrepublik Deutschland allerdings allein auf der Auffangregelung des Art. 13 VO (EG) Nr. 343/2003, die sicherstellen soll, dass der Asylantrag überhaupt in einem Mitgliedsstaat geprüft wird (vgl. Art. 3 Abs. 1 VO (EG) Nr. 343/2003), weil sich wegen der unzureichenden Angaben bzw. Nachweise des Asylsuchenden zum Reiseweg die Zuständigkeit nicht nach den vorrangigen Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates der Art. 6 bis 12, namentlich Art. 10 VO (EG) Nr. 343/2003 - illegales Überschreiten der EU-Außengrenze - feststellen lässt, kann von einer "vorrangigen" Zuständigkeit der Bundesrepublik Deutschland, die nach Sinn und Zweck des § 26 a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 AsylVfG allein den Ausschluss der Drittstaatenregelung rechtfertigt, nicht die Rede sein. Dies gilt um so mehr, als die Begründung der Zuständigkeit der Bundesrepublik Deutschland in diesen Fällen ausschließlich in die Verantwortungssphäre des Asylsuchenden fällt. Eine von dem Asylsuchenden wegen unzureichender Angaben bzw. Nachweise zum Reiseweg - unter Verletzung seiner Mitwirkungspflichten (vgl. § 15 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 5 AsylVfG) - selbst geschaffene Zuständigkeit der Bundesrepublik Deutschland ist nicht als vorrangige Zuständigkeit gegenüber dem sicheren Drittstaat im Sinne des § 26 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 AsylVfG anzusehen.

Diese Erwägungen lassen sich jedoch nicht auf den hier in Rede stehenden Fall übertragen, dass sich die Zuständigkeit der Bundesrepublik Deutschland nach fruchtlosem Ablauf der Überstellungsfrist aus Art. 19 Abs. 4 VO (EG) Nr. 343/2003 ergibt. Zum einen setzt die Zuständigkeitsbegründung nach dieser Bestimmung voraus, dass anders als in den zuvor genannten Fällen feststeht - und sei es auch mit Hilfe des EURODAC-Systems -, aus welchem sicheren Drittstaat der Asylsuchende eingereist ist, mit der Folge, dass der zuständige Mitgliedstaat anhand der vorrangigen Zuständigkeitskriterien der Art. 6 bis 12 VO (EG) Nr. 343/2003 bestimmt werden kann und der Staat, in dem der (weitere) Asylantrag gestellt worden ist, in die Lage versetzt ist, ein Aufnahmeverfahren nach Maßgabe der Art. 17 bis 19 VO (EG) Nr. 343/2003 einzuleiten. Insoweit ist in den Fällen des Art. 19 Abs. 4 VO (EG) Nr. 343/2003 die Bestimmung des originär zuständigen Mitgliedstaates und die Überstellung an diesen gerade nicht aus Gründen verhindert, die allein im Verantwortungsbereich des Asylsuchenden liegen. Zum anderen liegt der in Art. 19 Abs. 4 VO (EG) Nr. 343/2003 angeordneten Zuständigkeitsverlagerung auf den ersuchenden Mitgliedstaat gerade die Erwägung zugrunde, dass der Mitgliedstaat, der die gemeinsamen Zielvorgaben zur Kontrolle der illegalen Zuwanderung nicht - innerhalb einer angemessenen Frist - umsetzt, gegenüber den Partnerländern die Folgen tragen muss. Wird danach die Unmöglichkeit der fristgerechten Überstellung nach Maßgabe des die Verordnung insgesamt bestimmenden Verantwortungsprinzips und Beschleunigungsgrundsatzes dem Risikobereich des ersuchenden Mitgliedstaates zugeordnet, kann dieser Gesichtspunkt jedoch keine sachliche Rechtfertigung dafür liefern, § 26 a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 AsylVfG entgegen diesen Grundprinzipien der Verordnung zugunsten des ersuchenden Mitgliedstaates einschränkend auszulegen. Denn Zweck dieser Vorschrift ist es - wie bereits dargelegt - gerade, das völkervertragliche bzw. gemeinschaftsrechtliche System der Zuständigkeits- und Lastenverteilung auch im Rahmen des nationalen materiellen Asylrechts umzusetzen. Zu einer anderen Beurteilung führt unter Verantwortungserwägungen schließlich auch nicht, dass der Umstand, der vorliegend dazu geführt hat, dass die Überstellung nicht innerhalb der Sechs-Monats-Frist stattfinden konnte, nämlich die Erkrankung der Klägerin zu 1., letztlich aus der Sphäre der Asylsuchenden stammt. Denn in Art. 19 Abs. 4 VO (EG) Nr. 343/2003 sind als Gründe, die im Übrigen keine Festschreibung der Zuständigkeit des ersuchten Mitgliedstaates, sondern lediglich eine Verlängerung der Überstellungsfrist rechtfertigen können, allein die Haft und das Untertauchen des Asylbewerbers genannt. Daraus folgt im Umkehrschluss, dass nach der Wertung des Verordnungsgebers alle übrigen Gründe für eine Verzögerung der Überstellung grundsätzlich dem Verantwortungsbereich des ersuchenden Mitgliedstaates zugewiesen sind, der darüber hinaus dafür Sorge zu tragen hat, dass die Überstellung innerhalb der maßgeblichen Frist erfolgt.