VGH Bayern

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Zitieren als:
VGH Bayern, Beschluss vom 25.07.2007 - 5 BV 07.276 - asyl.net: M11258
https://www.asyl.net/rsdb/M11258
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Staatsangehörigkeitsrecht, Staatsangehörigkeitserwerb durch Geburt im Inland, Aufenthaltsdauer, Eltern, Aufenthaltserlaubnis, Verlängerungsantrag, Erlaubnisfiktion, verspäteter Antrag, rechtmäßiger Aufenthalt, Aufenthaltsunterbrechung
Normen: StAG § 40b; StAG § 4 Abs. 3 S. 1; AuslG § 89 Abs. 3; StAG § 12b Abs. 3
Auszüge:

Die Berufung der Kläger, über die der Verwaltungsgerichtshof gemäß §§ 125 Abs. 1 Satz 1, 101 Abs. 2 VwGO ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung entscheiden kann, ist begründet. Die Kläger können ihre Einbürgerung gemäß § 40b StAG in Verbindung mit § 4 Abs. 3 Satz 1 StAG beanspruchen, weil die Unterbrechung des rechtmäßigen Aufenthalts ihres Vaters in entsprechender Anwendung des § 89 Abs. 3 AuslG 1990 außer Betracht bleibt.

Zwischen den Beteiligten ist allein streitig, ob sich im Zeitpunkt der Geburt der Kläger zumindest ein Elternteil seit acht Jahren rechtmäßig im Sinn des § 4 Abs. 3 Satz 1 StAG in der Bundesrepublik Deutschland aufgehalten hat.

Er war vom 13. Februar 1980 bis zum 7. März 1987 im Besitz befristeter Aufenthaltserlaubnisse. Den im Anschluss daran erforderlichen Verlängerungsantrag hat er aber frühestens am 3. April 1987 gestellt; denn das undatierte Antragsformular trägt den Eingangsstempel der Stadt F. mit diesem Datum.

Durch die verspätete Stellung des Verlängerungsantrags am 3. April 1997 wurde die Wirkung des vorläufig erlaubten Aufenthalts erst an diesem Tag wieder ausgelöst (zur Fiktionswirkung eines verspätet gestellten Verlängerungsantrags vgl. BVerwG, B.v. 21.4.1972, DÖV 1972, 797; U.v. 16.2.1971, BVerwGE 37, 227/230). Damit hielt sich der Vater der Kläger in dem Zeitraum vom 8. März bis zum 2. April 1987 nicht rechtmäßig im Sinn des § 4 Abs. 3 Satz 1 StAG im Inland auf. Bei dieser Zeitspanne von nahezu einem Monat handelt es sich nicht mehr um eine bereits normintern unschädliche Unterbrechung von nur wenigen Tagen (BVerwG, U.v. 18.11.2004, BVerwGE 122, 199/204 ff.; U.v. 28.9.1993 Az. 1 C 1.93 <juris RdNr. 23>).

Die Unterbrechung des rechtmäßigen Aufenthaltes vom 8. März bis 2. April 1987 infolge verspäteter Beantragung der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis ist dennoch unbeachtlich. Dabei kann dahinstehen, ob § 12b Abs. 3 StAG als die nunmehr maßgebliche gesetzgeberische Vorgabe für die Bewertung eines Aufenthalts als rechtmäßig bereits unmittelbar auf Fallgestaltungen Anwendung findet, die – wie die hier zu beurteilende – vor seinem Inkrafttreten lagen. Denn dasselbe Ergebnis folgt nach der Rechtslage im Zeitpunkt der Geburt der Kläger aus dem ursprünglich nur für die ausländerrechtlichen Einbürgerungen nach langjährigem Aufenthalt vorgesehenen Rechtsgedanken des § 89 Abs. 3 AuslG 1990.

§ 89 Abs. 3 AuslG 1990 ist (mit Ausnahme der letzten Alternative) durch Art. 5 Nr. 8 des Zuwanderungsgesetzes vom 30. Juli 2004 (BGBl I S. 1950) als § 12b Abs. 3 StAG in das Staatsangehörigkeitsgesetz eingefügt worden. Dabei hat der Gesetzgeber den Vorschlag des Innenausschusses, klarzustellen, dass die Vorschrift nur für Einbürgerungsverfahren gilt, nicht aber auch im Rahmen eines gesetzlichen Erwerbstatbestandes wie des § 4 Abs. 3 StAG Anwendung findet (BT-Drs. 15/955 S. 43), nicht übernommen. Dem Wortlaut nach ist § 12b Abs. 3 StAG nicht auf Einbürgerungen nach § 10 StAG bezogen und auch sonst systematisch nicht klar von dem Staatsangehörigkeitserwerb kraft Inlandsgeburt abgegrenzt (Berlit in: GKStAR, IV-2 § 12b StAG RdNr. 3). Mithin steht auch der Heranziehung des Rechtsgedankens aus § 89 Abs. 3 AuslG im Rahmen des § 40b StAG nicht entgegen, dass § 4 Abs. 3 StAG, auf dessen Voraussetzungen § 40b StAG Bezug nimmt, einen gesetzlichen Erwerbstatbestand darstellt, während § 89 Abs. 3 AuslG 1990 lediglich Einbürgerungen auf Antrag und auf Grund eines Regelanspruchs betrifft. Auch § 40b StAG regelt nur eine Einbürgerung auf Antrag (BVerwG vom 29.3.2006 NVwZ 2006, 938/939). Ebenso wenig greift der Einwand durch, dass § 89 Abs. 3 AuslG 1990 nicht im Staatsangehörigkeitsgesetz verortet, sondern formal eine Vorschrift des Ausländerrechts ist. Der Sache nach handelt es sich vielmehr (zumindest auch) um eine staatsangehörigkeitsrechtliche Bestimmung; denn sie regelt nach ihrer systematischen Stellung innerhalb des Siebten Abschnitts ("Erleichterte Einbürgerung") des Ausländergesetzes 1990 für ihren sachlichen und persönlichen Geltungsbereich den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit durch Einbürgerung (BVerwG vom 29.3.2006 NVwZ 2006, 938/939). Angesichts der teilweisen Parallelität der Integrationsanforderungen im Fall des § 85 Abs. 1 Satz 1 AuslG als der Bezugsnorm des § 89 Abs. 3 AuslG einerseits und des § 4 Abs. 3 Satz 1 StAG andererseits ist die entsprechende Anwendung des § 89 Abs. 3 AuslG im Rahmen der §§ 40b, 4 Abs. 3 StAG sachgerecht und geboten.