VGH Hessen

Merkliste
Zitieren als:
VGH Hessen, Beschluss vom 23.07.2007 - 11 UZ 601/07 - asyl.net: M11262
https://www.asyl.net/rsdb/M11262
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Assoziationsratsbeschluss EWG/Türkei, Türken, Assoziationsberechtigte, Familienangehörige, Deutsche, Ausweisung, Wirkungen der Ausweisung, Sperrwirkung, Befristung, Ermessen, Schutz von Ehe und Familie
Normen: ARB Nr. 1/80 Art. 7; GG Art. 6 Abs. 1; AufenthG § 11 Abs. 1 S. 3
Auszüge:

Der auf den Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Antrag der Beklagten ist zulässig, kann aber in der Sache keinen Erfolg haben. Denn das angegriffene Urteil des Verwaltungsgerichts erweist sich im Ergebnis als richtig.

Allerdings erscheint zweifelhaft, ob die Begründung des Verwaltungsgerichts auch insoweit zutrifft, als eine aufenthaltsrechtliche Position des Klägers nach Art. 7 ARB 1/80 in der Argumentation herangezogen wird. Es erscheint fraglich, ob der bereits im Eilverfahren 8 G 2556/00 des Verwaltungsgerichts Darmstadt vertretenen Rechtsauffassung, eine aufenthaltsrechtliche Position nach Art. 7 Abs. 1 ARB 1/80 könne auch dann erworben werden, wenn ein Familiennachzug zu einem bereits eingebürgerten ehemaligen türkischen Staatsangehörigen erfolgt (siehe dort S. 8 Beschlussabdruck), gefolgt werden kann.

Jedenfalls dann, wenn zum Zeitpunkt der Genehmigung des Familiennachzugs der in Deutschland lebende Ehepartner schon nicht mehr die türkische Staatsangehörigkeit inne hat, kann Art. 7 ARB 1/80 bereits seinem Wortlaut nach ("türkische Arbeitnehmer") nicht mehr angewendet werden. Auch der Zweck der assoziationsrechtlichen Bestimmungen dürfte in dieser Situation gegen die Anwendung des Art. 7 ARB 1/80 sprechen. Denn durch diese Norm soll die Situation der in Deutschland in gefestigter Position auf dem regulären Arbeitsmarkt beschäftigten türkischer Arbeitnehmer dadurch verbessert werden, dass der Nachzug ihrer Familienangehörigen durch deren bevorzugte Integration in den deutschen Arbeitsmarkt erleichtert wird. Wenn der ehemals türkische Staatsangehörige in Deutschland jedoch bereits die deutsche Staatsangehörigkeit erworben hat, ist der Familiennachzug unter den erweiterten Voraussetzungen für den Nachzug zu einem deutschen Staatsangehörigen gestattet und der Anknüpfungspunkt des Familiennachzugs ist nicht mehr ein in Deutschland lebender türkischer Arbeitnehmer, sondern ein deutscher Staatsangehöriger.

Die vom Verwaltungsgericht ausgesprochene Verpflichtung der Beklagten, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden und die in diesem Rahmen ausgesprochene Maßgabe, dass eine Befristung bis maximal zum 31. Dezember 2007 angebracht ist unter der Voraussetzung, dass der Kläger zwischenzeitlich in der Türkei nicht straffällig geworden ist, erscheint im Ergebnis gleichwohl zutreffend. Die Feststellung eines Ermessensdefizits und die Vorgabe, eine Befristung unter bestimmten Voraussetzungen auf spätestens einen bestimmten Zeitpunkt hin auszusprechen, steht mit der Rechtsprechung des beschließenden Senats zu Fällen einer begehrten Befristung in Einklang. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht auch die familiären Belange des Klägers und den ihnen zukommenden Schutz (Art. 6 GG) nicht hinreichend berücksichtigt gesehen und dies trägt bereits das Urteil selbständig.