VG Freiburg

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Zitieren als:
VG Freiburg, Beschluss vom 23.07.2007 - 1 K 743/07 - asyl.net: M11263
https://www.asyl.net/rsdb/M11263
Leitsatz:
Schlagwörter: Aufenthaltserlaubnis, subsidiärer Schutz, Abschiebungshindernis, zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse, Serbien, Kosovo, sachliche Zuständigkeit, Prüfungskompetenz, Ausländerbehörde, Beteiligung, Bundesamt, Heilung, Verfahrensmangel, Krankheit, Arbeitsunfall, Hüftleiden, medizinische Versorgung, Finanzierbarkeit
Normen: AufenthG § 60 Abs. 7; AufenthG § 72 Abs. 2; VwVfG § 46; AufenthG § 25 Abs. 3
Auszüge:

Zu Recht ist die Antragsgegnerin von ihrer Entscheidungszuständigkeit ausgegangen. Der Antragsteller hat zwar ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis geltend gemacht, dieses steht jedoch nicht im Zusammenhang mit einer Furcht vor politischer Verfolgung. Eine ausschließliche Spezialzuständigkeit des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge ist folglich nicht begründet gewesen (vgl. zur Zuständigkeitsabgrenzung: BVerwG, Beschl. v. 3.3.2006 - 1 B 126/05 - NVwZ 2006, 830). Dass die Antragsgegnerin ferner entgegen § 72 Abs. 2 AufenthG das Bundesamt nicht beteiligt hat, ist angesichts der speziell zum Fall eingeholten Stellungnahmen sowie der allgemein zugänglichen Erkenntnisquellen im Ergebnis unschädlich (§ 46 LVwVfG).

Rechtsgrundlage für das Aufenthaltsbegehren des Antragstellers ist § 25 Abs. 3 AufenthG (vgl. zum Verhältnis zu § 25 Abs. 5 AufenthG: BVerwG, Urt. v. 27.6.2006 - 1 C 14.05 - InfAuslR 2007, 4).

Mit hoher Wahrscheinlichkeit besteht im Fall des Antragstellers jedoch kein Abschiebungshindernis, welches seine Rückkehr nach Serbien bzw. in den Kosovo unzumutbar machte.

Eine Behandlung des Antragstellers im Kosovo hält die Kammer mit überaus hoher Wahrscheinlichkeit für gewährleistet. Das folgt zum einen daraus, dass er in der besonders günstigen Lage ist, im Rahmen der Behandlung seines Hüftleidens, welches aus einem Arbeitsunfall in Deutschland resultiert, auf Ansprüche gegenüber der zuständigen deutschen Berufsgenossenschaft zurückgreifen zu können. Sowohl die bisherige als auch künftige Behandlungen des Arbeitsunfalls und seiner Spätfolgen sind daher sozialversicherungsrechtlich abgedeckt. Hierdurch unterscheidet sich der Antragsteller ganz wesentlich von anderen Personen, speziell diejenigen, die im Kosovo ausschließlich auf Sozialhilfe und eigene Mittel bei der Behandlung von Krankheiten bzw. Behinderungen angewiesen sind. In medizinischer Hinsicht tritt ferner ein überaus positiver Befund derart hinzu, dass die Akutbehandlung des Antragstellers in Deutschland (Implantation einer Hüfttotalprothese links am 4.5.2006) sowie die erforderliche anschließende Intensivbehandlung erfolgreich abgeschlossen sind.

Keine relevanten Nachteile erleidet der Antragsteller ferner dadurch, dass er auch in Zukunft noch ärztlicher Kontrolle sowie physiotherapeutischer Betreuung bedarf. Ausgehend von der ausführlichen Analyse der Schweizer Flüchtlingshilfe ("Zur Lage der medizinischen Versorgung im Kosovo, Update vom 7.6.2007", recherchiert in MiLO) sind im Kosovo die diagnostischen Möglichkeiten zwar oft besser als die therapeutischen (a.a.O., Seite 7). Im Fall des Antragstellers muss jedoch berücksichtigt werden, dass er sich in einem relativ späten – mithin günstigen – Zeitpunkt einer bereits in Deutschland fortgeschrittenen Nachbehandlung befindet. Laut ärztlicher Stellungnahme der Klinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie vom 28.6.2006 sind Kontrolluntersuchungen später halbjährlich und dann sogar nur noch jährlich erforderlich, um Komplikationen zu erkennen bzw. zu vermeiden. Innerhalb dieses Zeitrasters ist es dem Antragsteller jedoch zumutbar, im Kosovo entweder in einer staatlichen Einrichtung oder aber in einer der zahlreich niedergelassen privaten Praxen eine adäquate Behandlungsmöglichkeit auszumachen.

Auch die wirtschaftliche Situation des Antragstellers gibt schließlich nichts für die Befürchtung her, eine erhebliche und konkrete Gefahr der Verschlimmerung seines Leidens drohe ihm alsbald nach einer Rückkehr. Laut Auskunft der zuständigen Berufsgenossenschaft vom 30.5.2007 kann der Antragsteller nach den für Sozialversicherungsträger geltenden Sätzen einen Vorschuss auf Behandlungskosten erlangen, die er im Kosovo mangels Mitwirkung der Serbischen Krankenversicherungsanstalt sehr wahrscheinlich selbst zu tragen hat. Erneut liegt es in seiner zumutbaren Mitwirkungspflicht, sich rechtzeitig mit der betreffenden kosovarischen Behandlungseinrichtung (staatlicher oder privater Art) auch über Zahlungsmodalitäten abzustimmen. Dass Honorare und Kosten im privaten Behandlungssektor weitaus höher sind, als im staatlichen (Schweizer Flüchtlingshilfe, a.a.O. S. 13/14), begründet keine Bedenken, berücksichtigt man das im Verhältnis zu Deutschland deutlich niedrigere Preisniveau im Kosovo.