VG Frankfurt a.M.

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Zitieren als:
VG Frankfurt a.M., Urteil vom 12.07.2007 - 1 E 858/07 - asyl.net: M11278
https://www.asyl.net/rsdb/M11278
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Niederlassungserlaubnis, ehemalige Deutsche, Aufenthaltsdauer, Aufenthaltserlaubnis, Behandlung als deutscher Staatsangehöriger, deutsche Staatsangehörigkeit, Verlust, Wiedereinbürgerung, Vertretenmüssen
Normen: AufenthG § 9 Abs. 2; AufenthG § 38 Abs. 1 Nr. 1; StAG § 25 Abs. 1; AufenthG § 38 Abs. 5
Auszüge:

Die Klage ist als Verpflichtungsklage zulässig, aber nicht begründet. Die Verfügungen der Beklagten vom 07.02.2007 sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis.

Ein Anspruch auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis ergibt sich zunächst nicht aus § 9 Abs. 2 AufenthG. Denn hierfür fehlt es an der nach Nr. 1 dieser Bestimmung erforderlichen Voraussetzung, dass der Ausländer seit 5 Jahren eine Aufenthaltserlaubnis besitzt. Hieran mangelt es im vorliegenden Rechtsstreit, da die Kläger erst wieder seit dem 23.06.2005 im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis sind. Wie sich bereits aus dem Gesetzeswortlaut ergibt, setzt die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nach § 9 Abs. 2 AufenthG den unmittelbar vorausgehenden Besitz der Aufenthaltserlaubnis voraus. Dass die Kläger bereits vor ihrer Einbürgerung im Jahre 1999 im Besitz von Aufenthaltsgenehmigungen waren, genügt nicht.

Auch auf der Grundlage des § 38 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG kann den Klägern keine Niederlassungserlaubnis erteilt werden. Denn sie erfüllen die dort normierten Voraussetzungen, dass sie bei Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit seit 5 Jahren als Deutsche ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hatten, nicht. Der Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit trat gemäß § 25 Abs. 1 Staatsangehörigkeitsgesetz mit Erwerb der türkischen Staatsangehörigkeit am 06.06.2001 ein. Seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet als Deutsche hatten die Kläger in der Zeit vom 16.03.1999 bis zum 06.06.2001, also nur etwas mehr als zwei Jahre.

Die Kläger können aber auch aus § 38 Abs. 5 AufenthG keinen Anspruch auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis herleiten. Nach der zitierten Vorschrift finden die Absätze 1–4 des § 38 entsprechende Anwendung auf einen Ausländer, der aus einem nicht von ihm zu vertretenden Grund bisher von deutschen Stellen als Deutscher behandelt wurde.

Eine Behandlung als "Deutscher" erfolgt durch eine Stelle im Sinne des Abs. 5 nur dann, wenn durch diese zumindest eine summarische Prüfung der Staatsangehörigkeit durchzuführen war und für den Ausländer erkennbar durchgeführt worden ist. Dies ist nicht der Fall, wenn ohne jede weitere Prüfung der staatsangehörigkeitsrechtlichen Verhältnisse lediglich den formularmäßigen Angaben des Ausländers oder eines Dritten gefolgt worden ist oder sonst Angaben des Ausländers unwidersprochen übernommen werden. Ist die Annahme, der Ausländer sei Deutscher, ohne weitergehende eigenständige Prüfung allein durch die Vorlage eines entsprechenden Ausweispapieres begründet worden, begründe dies keinen eigenständigen Vertrauensschutz sondern vertieft lediglich ein eventuell durch das Ausweispapier oder die Bescheinigung ausstellende Stelle begründeten Vertrauenstatbestand.

Nach dem Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit, der den deutschen Behörden zunächst verborgen geblieben ist, weil die Kläger die Tatsache der erneuten Annahme der türkischen Staatsangehörigkeit den zuständigen Behörden nicht mitgeteilt haben, ist durch deutsche Behörden kein neuer Vertrauenstatbestand geschaffen worden. Die Kläger berufen sich insoweit darauf, dass sie im Jahre 2002 als Deutsche von ihrem damaligen Wohnort A. behördlich abgemeldet worden sein und sich dann als Deutsche bei den Meldebehörden der Beklagten angemeldet hätten. Durch die Abmeldung der Klägerin A. und die Anmeldung der Klägerin B. wurde mangels staatsangehörigkeitsrechtlicher Überprüfung kein neuer Vertrauenstatbestand geschaffen, sondern lediglich an die ursprünglich zurecht erfolgte Einbürgerung der Kläger angeknüpft, die allerdings kraft Gesetzes inzwischen erloschen war.

Selbst wenn man zugunsten der Kläger davon ausgeht, dass durch die Entgegennahme der Abmeldung bzw. Anmeldung als Deutscher ein neuer Vertrauenstatbestand begründet wurde, so scheitert ein Anspruch nach § 38 Abs. 5 AufenthG jedenfalls daran, dass die Kläger den Grund für die Behandlung als Deutscher zu vertreten haben. Die durch das "Vertretenmüssen" begründete Zurechnung knüpft an den Grund für die rechtsirrige Behandlung als Deutscher an und soll ersichtlich alle Fälle ausschließen, in den diese Behandlung auf ein Handeln oder Unterlassen des Ausländers zurückzuführen ist. Der Begriff des zu vertretenen Grundes setzt kein pflichtwidriges schuldhaftes Verhalten voraus; das Ergebnis muss lediglich auf Umständen beruhen, die den Verantwortungsbereich der Person zuzurechnen sind, bzw. die Person bei entsprechendem Willen in der Lage und aus Rechtsgründen verpflichtet oder es ihr zuzumuten war, einen Vorgang zu verhindern (vgl. hierzu: Berlit GKAufenthaltsrecht § 38, Rdnr. 82 m.w.N.). Vorliegend haben die Meldebehörden die Kläger als Deutsche geführt, weil die Kläger nicht offenbart haben, dass sie nach Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit die türkische Staatsangehörigkeit wieder erworben haben. Da der Erlöschensgrund "Wiedererwerb der türkischen Staatsangehörigkeit" von den Klägern zunächst verschwiegen wurde, liegt der Grund für die irrtümliche Behandlung der Kläger als Deutsche allein im Verantwortungsbereich der Kläger.