VG Dresden

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Zitieren als:
VG Dresden, Urteil vom 28.06.2007 - 3 K 221/06 - asyl.net: M11314
https://www.asyl.net/rsdb/M11314
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Aufenthaltserlaubnis, Widerruf, Konventionsflüchtlinge, Ermessen, Assoziationsratsbeschluss EWG/Türkei, Assoziationsberechtigte, Arbeitnehmer, Türken, ordnungsgemäße Beschäftigung, Täuschung, Falschangaben, Altfallregelung
Normen: AufenthG § 52 Abs. 1 Nr. 4; ARB Nr. 1/80 Art. 6; AufenthG § 104a Abs. 1
Auszüge:

Die zulässige Klage hat keinen Erfolg.

Rechtsgrundlage für den Widerruf der dem Kläger im Februar 1994 erteilten unbefristeten Aufenthaltsgenehmigung ist § 52 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG. Diese Widerrufsvoraussetzung lag vor; der entsprechende Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 27. November 2000 war nach erfolglos durchgeführten Gerichtsverfahren bestandskräftig geworden.

In einer solchen Situation liegt die Entscheidung über den Widerruf des Aufenthaltstitels im Ermessen der Ausländerbehörde. Der Gesetzgeber hat die Ausübung des Ermessens nicht an bestimmte Vorgaben geknüpft und damit der Behörde einen weiten Ermessensspielraum eröffnet. Sie darf bei ihrer Entscheidung grundsätzlich davon ausgehen, dass in den Fällen des § 52 Abs. 1 Nr. 4 in der Regel ein gewichtiges öffentliches Interesse an dem Widerruf eines nur im Hinblick auf die Asyl- oder Flüchtlingsanerkennung erteilten Aufenthaltstitels besteht, falls nicht aus anderen Rechtsgründen ein gleichwertiger Aufenthaltstitel zu gewähren ist. Der Gesetzgeber geht grundsätzlich davon aus, dass der Wegfall der Asylberechtigung oder Flüchtlingseigenschaft eine Beendigung des darauf beruhenden Aufenthalts nach sich zieht. Das daraus folgende öffentliche Interesse an dem Widerruf des Aufenthaltstitels ist Ausdruck des allgemeinen Gedankens, dass mit dem Wegfall einer für die Gewährung des Aufenthaltstitels wesentlichen Voraussetzung das Aufenthaltsrecht selbst beendet werden kann (vgl. Schäfer, a.a.O., Rdnrn. 84, 85).

Im vorliegenden Fall ist zunächst festzustellen, dass dem Kläger "nicht aus anderen Rechtsgründen ein gleichwertiger Aufenthaltstitel zu gewähren ist".

Dem Kläger steht auch nicht ein unabhängig von seiner Asyl- oder Flüchtlingsanerkennung entstandenes Aufenthaltsrecht nach dem Assoziationsrecht EG/Türkei zu.

Türkische Arbeitnehmer, die dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaates der EU angehören, erwerben nach Art. 6 des Beschlusses des Assoziationsrats EWG/Türkei Nr. 1/80 (ARB 1/80) ein Aufenthaltsrecht, wenn sie bestimmte Zeiten ordnungsgemäßer Beschäftigung nach Maßgabe der Vorschrift absolviert haben. Eine ordnungsgemäße Beschäftigung in diesem Sinne setzt u. a. das Bestehen eines nicht bestrittenen (nationalen) Aufenthaltsrechts in dem Mitgliedstaat voraus. Im Regelfall vermittelt ein von der deutschen Ausländerbehörde erteilter Aufenthaltstitel eine derartige aufenthaltsrechtliche Position. Dies gilt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts allerdings dann nicht, wenn der türkische Arbeitnehmer den Aufenthaltstitel durch Täuschung der Ausländerbehörde erlangt hat. Dabei ist unerheblich, ob der türkische Arbeitnehmer wegen der Täuschung bestraft worden ist oder noch bestraft werden kann und die Ausländerbehörde den zu Unrecht erteilten Aufenthaltstitel zurückgenommen hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. April 2005, 1 C 9/04, BVerwGE 123, 190 ff.).

So liegt der Fall hier. Der Kläger hat die ihm ursprünglich erteilte unbefristete Aufenthaltserlaubnis durch gezielte Täuschung der mit seinem Asylverfahren befassten deutschen Behörden erlangt.

Es ist daher unerheblich, ob der Kläger seit Erteilung der unbefristeten Aufenthaltserlaubnis Beschäftigungszeiten aufweist, die von der Dauer her den Anforderungen des Art. 6 der ARB 1/80 genügen würden, da sie nach dem Vorstehenden jedenfalls nicht als "ordnungsgemäß" im Sinne der Vorschrift angesehen werden können. Das Gericht braucht schon deshalb auch nicht dem hilfsweise gestellten Beweisantrag nachzugehen, den gegenwärtigen Arbeitgeber des Klägers zu der Frage zu vernehmen, ob dieser tatsächlich seit dem 1. Mai 2004 ununterbrochen einer sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit im Unternehmen des Zeugen nachgeht.