VGH Bayern

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Zitieren als:
VGH Bayern, Urteil vom 13.06.2007 - 14 B 05.30354 - asyl.net: M11355
https://www.asyl.net/rsdb/M11355
Leitsatz:
Schlagwörter: Iran, Folgeantrag, Nachfluchtgründe, subjektive Nachfluchtgründe, Rückwirkung, Vertrauensschutz, atypischer Ausnahmefall, Abschiebungshindernis, zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse, Folter, menschenrechtswidrige Behandlung, exilpolitische Betätigung, Überwachung im Aufnahmeland
Normen: AufenthG § 60 Abs. 1; AsylVfG § 71 Abs. 1; AsylVfG § 28 Abs. 2; AufenthG § 60 Abs. 2; AufenthG § 60 Abs. 5
Auszüge:

Die Berufung der Beklagten ist zulässig und hat in der Sache Erfolg. Denn das Verwaltungsgericht hat die Beklagte zu Unrecht unter Aufhebung des Bescheids des Bundesamts vom 16. April 2002 verpflichtet festzustellen, dass für den Kläger die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegen.

Der Kläger hat zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat keinen Anspruch auf die Feststellung des Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 1 AufenthG, das mit Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes – ZuwandG – vom 30. Juli 2004 (BGBl. I S. 1950) am 1. Januar 2005 an die Stelle des Abschiebungsverbotes nach § 51 Abs. 1 AuslG getreten ist. Denn dem Kläger ist gemäß § 28 Abs. 2 AsylVfG die Berufung auf die im Folgeverfahren geltend gemachten Nachfluchttatbestände verwehrt.

Diese gemäß Art. 15 Abs. 3 ZuwandG am 1. Januar 2005 in Kraft getretene Regelung ist in dem vorliegenden vom Kläger schon vor dem 1. Januar 2005 eingeleiteten Folgeverfahren anwendbar. Der Senat teilt die in der obergerichtlichen Rechtsprechung vertretene Auffassung, dass darin keine echte Rückwirkung, sondern eine tatbestandliche Rückanknüpfung (unechte Rückwirkung) zu sehen ist und dass die Regelung des § 28 Abs. 2 AsylVfG die verfassungsrechtlichen Schranken einer solchen unechten Rückwirkung wahrt (so: OVG NRW vom 12.7.2005 InfAuslR 2005, 489; OVG RhPf vom 5.1.2006 AuAS 2006, 102 f.; OVG Bremen vom 20.7.2006, Az. 2 A 215/05.A Juris RdNrn. 11 ff.; NdsOVG vom 16.6.2006 InfAuslR 2006, 421 f.).

Nach § 28 Abs. 2 AsylVfG soll dann, wenn nach Abschluss des ersten Asylverfahrens vom Asylbewerber aus eigenem Entschluss geschaffene Verfolgungsgründe mangels Kausalität zwischen Verfolgung und Flucht in der Regel nicht zur Asylgewährung führen können, auch die Gewährung von Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 1 AufenthG in der Regel ausgeschlossen sein. Eine Ausnahme gilt wenn der Entschluss einer festen, bereits im Herkunftsland erkennbar betätigten Überzeugung entspricht. Notwendig ist somit ein konkreter Zusammenhang zwischen der im Herkunftsland erkennbar betätigten Überzeugung und der exilpolitischen Tätigkeit (vgl.: OVG NRW vom 12.7.2005 a.a.O. S. 490; OVG RhPf vom 5.1.2006 a.a.O. S. 104 f.; OVG Bremen vom 20.7.2006 a.a.O.; NdsOVG vom 16.6.2006 InfAuslR 2006, 421/422; NdsOVG vom 18.7.2006, Az. 11 LB 75/06 Juris RdNr. 65).

Eine solche Ausnahmefallgestaltung, die dem Eintritt der Rechtsfolge des § 28 Abs. 2 AsylVfG entgegenstehen könnte, liegt hier nicht vor. Denn der Kläger hat sein Heimatland nach den rechtskräftigen Feststellungen im Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 3. Mai 2002 unverfolgt verlassen. Anhaltspunkte dafür, dass er sich im Iran vor seiner Ausreise politisch auffällig verhalten oder eine feste regimekritische Überzeugung geäußert hätte, vermag der Senat auch nach Durchführung der mündlichen Verhandlung und nach informatorischer Befragung des Klägers nicht zu erkennen. Sein Vorbringen ist insoweit – wie schon im Asylerstverfahren – vage geblieben.

Abschiebungshindernisse gemäß § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG liegen nicht vor. Der Kläger hat im Falle seiner Rückkehr in den Iran weder zu befürchten, der Folter unterworfen zu werden (§ 60 Abs. 2 AufenthG) noch besteht die Gefahr, dass er einer Behandlung im Sinn des § 60 Abs. 5 AufenthG ausgesetzt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof geht in ständiger Rechtsprechung (BayVGH vom 18.7.2001, Az. 19 ZB 96.35512, zuletzt vom 28.3.2006 Az. 14 ZB 06.30341) davon aus, dass im Falle ihrer Rückkehr nur bei solchen exilpolitisch aktiven Emigranten die Gefahr von erheblichen Sanktionen besteht, die bei ihren Aktivitäten besonders hervortreten und deren Gesamtverhalten sie den iranischen Stellen als ernsthafte, auf die Verhältnisse im Iran einwirkende Regimegegner erscheinen lassen. Dabei wird unterstellt, dass der iranische Geheimdienst exilpolitische Aktivitäten von iranischen Asylbewerbern in Deutschland beobachtet und auch in der Lage ist, sie insbesondere aufgrund von Namensnennungen und der Veröffentlichung von Lichtbildern zu identifizieren.

Teilnehmer an Demonstrationen oder Aktive an Informationsständen und Büchertischen exponieren sich in aller Regel nicht in diesem Sinn.

Verfolgungsmaßnahmen sind auch nicht wegen der teilweise grob beleidigenden Inhalte der Veröffentlichungen des Klägers zu befürchten. Den iranischen Behörden ist bekannt, dass solche Äußerungen als "notwendiges Übel" im Rahmen des deutschen Asylverfahrens zu einem Bleiberecht verhelfen sollen.