VG Augsburg

Merkliste
Zitieren als:
VG Augsburg, Urteil vom 02.05.2007 - Au 5 K 05.30485 - asyl.net: M11431
https://www.asyl.net/rsdb/M11431
Leitsatz:
Schlagwörter: Irak, Widerruf, Flüchtlingsanerkennung, Machtwechsel, Baath, Abschiebungshindernis, zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse, allgemeine Gefahr, extreme Gefahrenlage, Sicherheitslage, Versorgungslage, medizinische Versorgung
Normen: AsylVfG § 73 Abs. 1; AufenthG § 60 Abs. 1; AufenthG § 60 Abs. 7
Auszüge:

Die zulässige Klage ist in vollem Umfang unbegründet.

1. Der Widerruf des Schutzes wegen politischer Verfolgung (nach vormals § 51 Abs. 1 AuslG, jetzt größtenteils inhaltsgleich § 60 Abs. 1 AufenthG) findet seine Rechtsgrundlage in § 73 AsylVfG.

Dem Kläger hier wurde Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG gewährt, weil die seinerzeit gestellte Prognose ergeben hatte, dass ihn bei einer Rückkehr in den Irak unter dem Willkürregime von Saddam Hussein beachtlich wahrscheinlich politische Verfolgung erwarten würde. Mittlerweile aber haben sich die politischen Verhältnisse in Irak grundlegend verändert mit der Folge, dass bei einer Rückkehr des Klägers dorthin nicht mehr von einer ihm drohenden politischen Verfolgung ausgegangen werden kann (zum Begriff der politischen Verfolgung siehe beispielsweise BVerfG vom 10.7.1989, BVerfGE 80, 315, 335; vom 27.4.2004, BayVBl 2004, 691; BVerwG vom 6.10.1997, InfAuslR 1988, 57; vom 30.3.1999 NVwZ 1999, 1349).

Das Gericht sieht keinen, jedenfalls keinen hinreichend aussagekräftigen Anhalt dafür, dass die neuen Gewalthaber bzw. ihr Apparat unmittelbar gegen den Kläger asylrelevant vorgehen werden.

3. Die Voraussetzungen von § 60 Abs. 2 - 7 AufenthG sind nicht gegeben; der Kläger hat keinen Anspruch auf Schutz nach dieser Vorschrift.

3.2 § 60 Abs. 7 AufenthG entspricht größtenteils sogar dem Wortlaut nach der Regelung des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG; er setzt sie in Form eines "Soll"-Auftrags gewissermaßen fort. Deshalb ist nach Auffassung des Gerichts auch hier die Rechtsprechung zur "Alt"-Regelung heranzuziehen.

Für die Frage des Bestehens eines Anspruches auf Gewährung von Abschiebungsschutz ist bereits entschieden, dass es keines zusätzlichen Schutzes bedarf, da bereits die derzeitige Erlasslage ausreichenden Schutz vor Abschiebung vermittelt (BayVGH vom 13.10.2005 Az. 23 B 05.30584; vom 10.5.2005 Az. 23 B 05.30185).

Davon abgesehen ist aber auch die allgemeine Lage in Irak nicht so zugespitzt, dass von einer sich nahezu zwangsläufig in der Person des Klägers realisierenden, extremen Gefahrenlage (im Sinne der Rechtsprechung des BVerwG a.a.O.) auszugehen wäre.

a) In seinen eingeführten Quellen bezeichnet der UNHCR die Sicherheitslage in Irak als "allgemein zugespitzt".

Den eingeführten Erkenntnismaterialien sind keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass aus den Angriffen und Attentaten in Irak eine Gefährdung der gesamten Bevölkerung herzuleiten sei.

b) Die Versorgungslage in Irak, insbesondere die im Bereich der Elementar-/Grundversorgung (u.a. mit Lebensmitteln, Wasser, Strom oder sonstiger Energie) wird vom Auswärtigen Amt im Lagebericht vom Januar 2007 als "schlecht" bzw. "drastisch verschlechtert" beurteilt.

Dafür, dass sich die Versorgungslage mittlerweile landesweit allgemein ernsthaft lebensbedrohlich verschlechtert hätte, ist den Quellen konkret nichts zu entnehmen. International wird für den Irak weiter in beachtlichem Umfang pekuniäre und sonstige Hilfe geleistet.

c) Die medizinische Versorgung ist "angespannt" bzw. "kann nicht grundsätzlich als sichergestellt angesehen werden" (Auskunft der Deutschen Botschaft vom 16.1.2005 an VG Düsseldorf, LB 01.07, S. 36).

Besondere Umstände, die gerade dem Kläger hier ein Leben und Überleben in Irak nicht nur – wie der Bevölkerung dort allgemein – schwierig, sondern wegen erheblicher/existenzieller Gefährdung unzumutbar machten, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.