VG Göttingen

Merkliste
Zitieren als:
VG Göttingen, Urteil vom 26.04.2007 - 2 A 436/05 - asyl.net: M11436
https://www.asyl.net/rsdb/M11436
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Zuständigkeit, örtliche Zuständigkeit, Ausländerbehörde, Wirkungen der Ausweisung, Sperrwirkung, Befristung
Normen: AufenthG § 11 Abs. 1 S. 3; SOG § 100
Auszüge:

Die zulässige Klage ist nur im tenorierten Umfang begründet.

Der angefochtene Bescheid ist aufzuheben, weil die Beklagte für die Entscheidung über die Befristung der Wirkungen der Ausweisung des Klägers nach § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG örtlich nicht zuständig gewesen ist.

Nach der Rechtsprechung des Nds. Oberverwaltungsgerichts – der die Kammer folgt – beurteilt sich die örtliche Zuständigkeit bei einer Ausweisung als Maßnahme der Gefahrenabwehr nach der gegenüber § 3 VwVfG spezielleren Regelung des § 100 Nds. SOG (vgl. etwa Beschlüsse vom 05.10.1998 - 11 M 4532/98 - und 24.08.1995 - 11 L 1047/95 -). Hieraus ist abzuleiten, dass diese Vorschrift gleichfalls für die daran anknüpfende Entscheidung über die Befristung der Wirkungen der Ausweisung Anwendung findet.

Nach § 100 Abs. 1 Satz 2 Nds. SOG ist die Behörde, in deren Bezirk die zu schützenden Interessen verletzt oder gefährdet sind, örtlich zuständig. Wird eine Gefahr, die sich in anderen Bezirken auswirkt, von einer Person verursacht, so ist auch die Behörde zuständig, in deren Bezirk die Person wohnt, sich aufhält oder ihren Sitz hat (Satz 3).

In Anwendung dieser Vorschrift ist die Entscheidung über die Befristung der Wirkungen einer Ausweisung also nicht stets von der Behörde zu treffen, die die Ausweisung verfügt hat. Ein Antrag auf nachträgliche Befristung der Wirkungen der Ausweisung löst nämlich ein weiteres, vom Ausweisungsverfahren unabhängiges Verwaltungsverfahren aus, das schließlich in einen (selbständigen) Verwaltungsakt mündet. Zwischenzeitliche Änderungen, die die örtliche Zuständigkeit im ausländerrechtlichen Verfahren berühren, dürfen deshalb nicht außer Betracht bleiben. Dieses Ergebnis bestätigt die Vorschrift über Beteiligungserfordernisse im AufenthG – § 72 Abs. 3 Satz 1 –, wonach in solchen Fällen "nur" das Einvernehmen mit der Behörde, welche die Ausweisung erlassen hat, erforderlich ist.

Zur Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit in Anwendung des § 100 Abs. 1 Satz 2 Nds.SOG ist eine Prognoseentscheidung zu treffen. Eine "Gefährdung der Interessen" findet dort statt, wo bei prognostischer Betrachtung im Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung die Gefahr weiterer Verstöße gegen die öffentliche Sicherheit, also hier in erster Linie gegen aufenthaltsrechtliche Bestimmungen besteht. Dies wird in der Regel, sofern keine anderen Anhaltspunkte bestehen, grundsätzlich der Ort sein, in welchem die Ausweisung verfügt worden ist. Im vorliegenden Fall sind indessen besondere Umstände ersichtlich, die einen erneuten Aufenthalt des Klägers im Zuständigkeitsbezirk der Beklagten ausgeschlossen erscheinen lassen.

Der Kläger lebte zwar vor seiner Inhaftierung im Jahre 1999 im Zuständigkeitsbereich der Beklagten. Im Zeitpunkt seiner Abschiebung im Juni 2001 hatte er jedoch bereits keinerlei familiäre Kontakte mehr nach D., da seine zweite Ehe gescheitert war und auch zu seinen beiden Kindern keinerlei Besuchskontakte bestanden.

Für die Annahme, dass der Kläger bei einer Wiedereinreise in das Bundesgebiet nach D. zurückkehren könnte, gab es weder im Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung vom 21.09.2005 irgendwelche Anhaltspunkte noch ist derzeit dafür etwas ersichtlich.

Die jetzige Ehefrau des Klägers, die bereits seit über 7 Jahren nicht mehr in D., sondern in der Landeshauptstadt Hannover lebt – was der Beklagten vor der Sachbescheidung bekannt war –, hat in der mündlichen Verhandlung als Zeugin ausgesagt, dass sie keinerlei Interesse hat, erneut nach D. zu ziehen.