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OVG Nordrhein-Westfalen

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Zitieren als:
OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 14.09.2007 - 18 E 881/07 - asyl.net: M11513
https://www.asyl.net/rsdb/M11513
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Prozesskostenhilfe, Erfolgsaussichten, Ehegattennachzug, eigenständiges Aufenthaltsrecht, Aufenthaltserlaubnis, Verlängerung, allgemeine Erteilungsvoraussetzungen, Lebensunterhalt, atypischer Ausnahmefall, Ausweisungsgründe, Ermessen
Normen: VwGO § 166; ZPO § 114; AufenthG § 31 Abs. 4 S. 2; AufenthG § 5 Abs. 1 Nr. 1; AufenthG § 5 Abs. 1 Nr. 2; AufenthG § 27 Abs. 3 S. 2
Auszüge:

Dem Kläger ist für das erstinstanzliche Verfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen, weil er nach seinen persönlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann und die Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO).

Hinreichende Aussicht auf Erfolg im Sinne des § 114 ZPO bedeutet bei einer an Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 19 Abs. 4 GG orientierten Auslegung des Begriffs einerseits, dass Prozesskostenhilfe nicht erst und nur dann bewilligt werden darf, wenn der Erfolg der beabsichtigten Rechtsverfolgung gewiss ist, andererseits auch, dass Prozesskostenhilfe versagt werden darf, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist.

Gemessen hieran bestehen hinreichende Erfolgsaussichten für die beabsichtigte Rechtsverfolgung. Unter Berücksichtigung des bisherigen Verfahrensverlaufs muss der Klageausgang gegenwärtig als offen bewertet werden.

Der Beklagte und das Verwaltungsgericht haben übereinstimmend das Begehren des Klägers nach § 31 Abs. 1 bzw. Abs. 2 AufenthG beurteilt und dessen Anspruchsvoraussetzungen verneint. Diese Norm kommt jedoch als Anspruchsgrundlage für ein weiteres Aufenthaltsrecht nicht (mehr) in Betracht, wenn dem Ausländer - wie hier - schon eine erste zweckungebundene Aufenthaltserlaubnis nach den vorstehend genannten Regelungen erteilt worden ist. Rechtsgrundlage für eine weitere Verlängerung ist dann der eine Ermessensentscheidung verlangende § 31 Abs. 4 Satz 2 AufenthG (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 28. Februar 2006 - 11 S 13.06 -, InfAuslR 2006, 277).

Insoweit hat sich gegenüber der vorherigen, im Wesentlichen wortgleichen Regelung in § 19 Abs. 2 Satz 2 AuslG 1990 nichts geändert. Zu § 19 AuslG 1990 war geklärt, dass sich eine weitere Verlängerung des eigenständigen Aufenthaltsrechts gemäß § 19 Abs. 2 Satz 2 nach Maßgabe einer Ermessensentscheidung beurteilt (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Juli 1993 - 1 C 25.93 -, InfAuslR 1994, 2).

Vorliegend hat bereits eine erste Verlängerung der dem Kläger zum Ehegattennachzug erteilten Aufenthaltserlaubnis stattgefunden.

Nach § 31 Abs. 4 Satz 2 AufenthG kann die (eigenständige eheunabhängige) Aufenthaltserlaubnis über die Dauer eines Jahres hinaus verlängert werden, solange die Voraussetzungen für die Erteilung der Niederlassungserlaubnis - wie hier - nicht vorliegen. Diese spezielle Regelung für ein weiteres eigenständiges Aufenthaltsrecht setzt gemäß § 8 Abs. 1 i.V.m. § 5 AufenthG für den Regelfall die Erfüllung der allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen voraus, wozu - dies ist unstreitig - anders als bei erstmaliger Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nach § 31 Abs. 4 Satz 1 AufenthG gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG die Sicherung des Lebensunterhalts zählt (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 28. Februar 2006 - 11 S 13.06 -, a.a.O., sowie Nieders. OVG, Beschluss vom 8. Februar 2007 - 4 ME 49/07 -, AuAS 2007, 62; BT-Drucks. 15/420, S. 83).

Zwar sichert der Kläger seinen Lebensunterhalt zur Zeit nicht selbst, weil er gegenwärtig Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz bezieht. Es lässt sich jedoch nicht abschließend beurteilen, ob beim Kläger eine Ausnahme vom Regelfall vorliegt. Bei der danach erforderlichen, am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit auszurichtenden Prüfung (vgl. hierzu BVerfG, Beschluss vom 10. Mai 2007 - 21 BvR 304/07 -, InfAuslR 2007, 275; BVerwG, Beschluss vom 26. März 1999 - 1 B 18.99, 1 PKH - InfAuslR 1999, 332) wird zu berücksichtigen sein, dass der seit über sieben Jahren rechtmäßig in Deutschland lebende Kläger seinen Lebensunterhalt in der Vergangenheit durch eigene Erwerbstätigkeit und zuletzt durch Krankengeld sicher gestellt hat und er sich gegenwärtig um einen erneuten Zugang zum Erwerbsleben bemüht. Insofern ist in Betracht zu ziehen, dass der Kläger nach seinem Vortrag ab dem 17. September 2007 eine "Berufsfindung und Arbeitserprobung" absolvieren wird, die von der Deutschen Rentenversicherung organisiert ist.

Der Erteilung einer weiteren Aufenthaltserlaubnis könnte auch ein Ausweisungsgrund entgegen stehen.

Nach welcher Norm die Ausweisungsgründe in die Prüfung einzubeziehen sind, ist ebenfalls klärungsbedürftig. Nachzugehen ist der Frage, ob die Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG auch für den Anwendungsbereich des § 31 AufenthG durch die Spezialregelung in § 27 Abs. 3 Satz 2 AufenthG ersetzt wird, die in Fällen des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG eine - hier bisher nicht getroffene - Ermessensentscheidung verlangt.

Sofern sich herausstellen sollte, dass § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG uneingeschränkt anwendbar ist und er vorliegend ebenso wie dessen Nr. 1 der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nicht entgegen steht, ist weiter zu beachten, dass der Kläger, der die übrigen Anspruchsvoraussetzungen erfüllen dürfte, einen Anspruch auf eine - hier fehlende - fehlerfreie Ermessensentscheidung des Beklagten über die Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis nach § 31 Abs. 4 Satz 2 AufenthG hat. Dabei wären die Umstände, die zur Ausnahme vom Regelfall führten, zu seinen Gunsten in die Ermessenserwägungen einzustellen.